OGH vom 11.07.2002, 6Ob281/01v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Birgit L*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Siegfrid W*****, vertreten durch Heinrich & Seifried, Rechtsanwaltspartnerschaft in Judenburg, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, über die Revisionsrekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 148/01s-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom , GZ 6 Nc 31/99p-38, infolge Rekurses des Antragsgegners aufgehoben und die Rekursbeantwortung der Antragstellerin zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung wird Folge gegeben, der Beschluss des Rekursgerichtes insgesamt als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Mit ihren Revisionsrekursen gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses werden die Parteien auf diese Entscheidung verwiesen. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben die Kosten ihrer Revisionsrekurse jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist die uneheliche Tochter des Antragsgegners. Ihre im Jahr 1983 geschlossene erste Ehe wurde im Oktober 1989 geschieden. Am heiratete sie zum zweiten Mal. Anlässlich ihrer ersten Eheschließung hatte sie kein Heiratsgut vom Antragsgegner erhalten.
Die Antragstellerin begehrt jetzt gemäß § 1220 ABGB ein Heiratsgut von 750.000 S (entspricht 54.504,63 EUR). Der Antragsgegner bestritt jegliche Dotationspflicht, weil er die Ehe missbillige. Der Anspruch sei zudem bei weitem überhöht.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung des begehrten Betrages.
Diesen Beschluss bekämpfte der Antragsgegner in der Hauptsache und die Antragstellerin insoweit, als keine Entscheidung über die Verfahrenskosten (zu ihren Gunsten) erging. Die Antragstellerin erstattete innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses des Antragsgegners auch eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf. Die Rekursbeantwortung der Antragstellerin wies es zurück. Es sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rechtsfrage erheblich sei, ob der Zeitpunkt der ersten oder zweiten Eheschließung für die Ausmessung des Heiratsgutes maßgebend und wie das Heiratsgut zu bemessen sei, wenn das Vermögen des Dotationspflichtigen vor allem einen Erbhof darstelle. Die Zurückweisung der Rekursbeantwortung der Antragstellerin begründete es damit, dass das Rekursverfahren im vorliegenden Fall einseitig sei.
Diesen Beschluss bekämpfen sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner mit Revisionsrekurs. Revisionsrekursbeantwortungen wurden trotz Zustellung der Rechtsmittelschriftsätze nicht erstattet. Beide Parteien vertreten die Ansicht, dass die Sache bereits - jeweils in ihrem Sinne - spruchreif sei. Die Antragstellerin ficht zudem ausdrücklich auch den Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung an.
Rechtliche Beurteilung
Es ist daher vorweg die Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Verfahren zur Festsetzung eines Heiratsgutes zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung gehört der auf das Gesetz gegründete Heiratsgutanspruch in das außerstreitige Verfahren (SZ 19/35; RIS-Justiz RS0022224). Der Rekurs im Verfahren außer Streitsachen ist im Allgemeinen als einseitiges Rechtsmittel konzipiert. Nur in bestimmten Fällen ist eine Zustellung des Rekurses an den Gegner und eine Gegenschrift vorgesehen. Die Rechtsprechung erachtete bislang eine Gegenäußerung nur in den Fällen, in denen eine solche im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, für zulässig (RIS-Justiz RS0005991; RS0007041). Für das Verfahren über Anträge auf Bestellung eines Heiratsgutes besteht keine solche ausdrückliche Anordnung, weshalb auch in diesem Fall in der Entscheidung 4 Ob 545/87 die Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens verneint wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sprach allerdings in seinem Urteil vom , Beer gegen Österreich (= ÖJZ 2001, 516) aus, dass der aus Art 6 Abs 1 EMRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen für jede Partei eine angemessene Gelegenheit erfordere, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Verfahrensgegner realisierten. Jede Partei müsse daher die gegnerischen Stellungnahmen zur Kenntnis nehmen und kommentieren können. Dies gelte sogar in untergeordneten Angelegenheiten wie der Bestimmung der Verfahrenskosten, weil das Recht zur Stellungnahme als elementarer Grundsatz jedes kontradiktorischen Verfahrens zu wahren sei. Die Partei habe die Notwendigkeit der Stellungnahme zu einem Schriftstück selbst zu beurteilen. Das Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit der Justiz sei unter anderem auf das Wissen der Parteien gegründet, Gelegenheit gehabt zu haben, ihre Ansichten zu jedem Schriftstück im Akt darzulegen. Die unterbliebene Zustellung eines Kostenrekurses und die mangelnde Möglichkeit, ihn zu beantworten, seien daher eine Verletzung des durch Art 6 Abs 1 EMRK garantierten Grundsatzes der Waffengleichheit.
Die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof kam nach Vorliegen der zitierten Entscheidung des EGMR in einem Verfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz, in dessen Verlauf über den Antrag auf Erlag einer Sicherheitsleistung für Verfahrenskosten zu entscheiden war, zu dem Ergebnis, dass im Rahmen zivilrechtlicher Ansprüche im Sinn des Art 6 EMRK das Rechtsmittelverfahren über einen materiellen oder prozessualen Rechtsschutzanspruch in Analogie zu § 521a ZPO auch dann zweiseitig ist, wenn dessen Zweiseitigkeit im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist (Rkv 1/01). Auch in jenem Verfahren waren auf das Rechtsmittelverfahren - gemäß § 23 Abs 1 RG sinngemäß - die Bestimmungen des AußStrG anzuwenden. Die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof führte hiezu aus:
"Der Gesetzgeber hat das Verfahren über Kostenrekurse wegen des soeben referierten Urteils des EGMR nunmehr gemäß § 521a Abs 1 Z 4 ZPO und § 521a Abs 1 vorletzter Satz idFd Art 94 Z 20 lit c und d des 1. Euro-Umstellungsgesetzes - Bund BGBl 2001 I 98 zweiseitig gestaltet. Diese Novelle ist gemäß Art 96 Z 26 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes - Bund am in Kraft getreten und auf nach diesem Zeitpunkt ergangene Kostenentscheidungen anzuwenden. Durch diesen Akt der Gesetzgebung aus Anlass eines vom EGMR entschiedenen Falls (siehe dazu RV 621 BlgNR 21. GP, 82) wurde zwar die vorherige Konventionswidrigkeit des Kostenrekursverfahrens im Zivilprozess beseitigt, den weitertragenden Implikationen des vom EGMR erläuterten Erfordernisses der Waffengleichheit durch die Ermöglichung einer Stellungnahme der Parteien zu jedem (für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bedeutsamen) Schriftstück im Akt als Voraussetzung eines fairen Verfahrens über zivilrechtliche Ansprüche auch in anderen Bereichen der Verfahrensgesetzgebung wurde indes - abgesehen vom Rückstellungsverfahren - noch nicht entsprochen.
Der Oberste Gerichtshof äußerte sich schon mehrmals zur Tragweite der Urteile des EGMR im innerstaatlichen Bereich (1 Ob 260/01v; SZ 70/243; SZ 68/102). Diese gelten nicht gleichsam als generelle Rechtsnormen. Die Staatsgewalt darf jedoch entgegen einem Ausspruch des EGMR (auch) im Rahmen von Akten gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Vollziehung nicht die Auffassung vertreten, das staatliche Verhalten sei im entschiedenen Fall konventionsgemäß gewesen. Abgesehen davon unterliegen die Urteile des EGMR der Auslegung, um dadurch deren über den entschiedenen Fall hinausreichende Bedeutung zu ergründen (1 Ob 260/01v) und die innerstaatliche Rechtsordnung auf dieser Grundlage konventionskonform auszulegen.
Verfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz sind solche über zivilrechtliche Ansprüche. Demnach ist das soeben begründete Erfordernis der Waffengleichheit auch im Rückstellungsverfahren umzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder anfechtbare Beschluss im Zuge des Verfahrens in konventionskonformer Auslegung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Dritten Rückstellungsgesetzes dem Regime eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen wäre. Es ist vielmehr zwischen prozessleitenden Beschlüssen einerseits und Beschlüssen, mit denen über Rechtsschutzansprüche abgesprochen wird, zu unterscheiden. Wurde über einen materiellen oder prozessualen Rechtsschutzanspruch erkannt, so ist das Rechtsmittelverfahren in konventionskonformer Anwendung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen zweiseitig zu gestalten, kann doch die bloße Anhörung der Parteien in erster Instanz angesichts der Ausführungen des EGMR nicht genügen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Rechtsmittelgegner eine Möglichkeit zur allfälligen Widerlegung der Rechtsmittelgründe vorfindet, um eine Entscheidung zu seinen Lasten durch die Überzeugungskraft seiner Gegenargumente zu verhindern. Diesem Gesichtspunkt kommt in letzter Instanz besonderes Gewicht zu, weil der Rechtsmittelgegner eine ihn belastende endgültige Entscheidung nur noch durch den Versuch der Widerlegung der Rechtsmittelgründe in einer Rechtsmittelbeantwortung vermeiden kann, hat er doch nach Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Lasten keine Möglichkeit mehr, dem Standpunkt des Verfahrensgegners mit überzeugenden Argumenten - insbesondere auch durch Einführung neuer rechtlicher Gesichtspunkte - entgegenzutreten und damit auch die letzte Instanz für seine Sicht der Rechtslage zu gewinnen."
Diesen Ausführungen schloss sich der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom , 8 Ob 232/01b und vom , 8 Ob 282/01f, denen jeweils ein Antrag auf Konkurseröffnung zugrundelag, an und räumte dem jeweiligen Gegner des Revisionsrekurswerbers die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Revisionsrekurs ein. Zu 8 Ob 232/01b war über einen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichtes, mit dem dieses den Rekurs wegen Wegfalls des Rechtschutzinteresses zurückgewiesen hatte, zu entscheiden; zu 8 Ob 282/01f bestand die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes in einem Beschluss, mit dem der Beschluss des Erstgerichtes auf Konkurseröffnung aufgehoben und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung aufgetragen worden war. In diesen Entscheidungen führte der Oberste Gerichtshof aus, dass zwar gemäß § 171 KO die Normen der ZPO über das Rekursverfahren zum Tragen kämen, die die Zweiseitigkeit des Rechtsmittels nur in den in § 521a ZPO genannten Fällen normierten, die hier nicht vorlägen. Dem Gebot zur verfassungskonformen Auslegung entsprechend sei aber im Sinne der Ausführungen der Obersten Rückstellungskommission zu Rkv 1/01 davon auszugehen, dass im Streit um die Eröffnung des Konkursverfahrens dem Gegner des Revisionsrekurswerbers die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dessen Äußerungen gegeben werden müsse.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die zweite Instanz war in keiner der genannten Entscheidungen vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen. Im Verfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz war zwar die Beschwerdebeantwortung der Antragsgegnerin im zweitinstanzlichen Verfahren - nach Ansicht der Obersten Rückstellungskommission unzutreffend - zurückgewiesen worden, doch es setzte sich die Antragsgegnerin dagegen nicht zur Wehr, sodass der Zurückweisungsbeschluss in Rechtskraft erwuchs und die nach Ansicht der Obersten Rückstellungskommission durch die Verletzung des Prinzips der Waffengleichheit in zweiter Instanz verwirklichte Nichtigkeit nicht mehr beachtet werden konnte. Dies war auch in dem der Entscheidung 8 Ob 282/01f zugrundeliegenden Verfahren der Fall, weil die Rekursbeantwortung schon vom Erstgericht zurückgewiesen und dieser Zurückweisungsbeschluss vom Rekursgericht bestätigt worden war. In dem der Entscheidung 8 Ob 232/01b zugrundeliegenden Verfahren war in zweiter Instanz die Frage der Zweiseitigkeit des Rechtsmittels nicht von Bedeutung, weil der Rekurs des Antragstellers mangels Rechtschutzinteresses zurückgewiesen worden war. Ungeachtet dieser jeweiligen besonderen prozessualen Konstellationen geht aber aus den zitierten Entscheidungen des 8. Senates hervor, dass es der Grundsatz der Waffengleichheit gebietet, zumindest in "echten Streitsachen des außerstreitigen Verfahrens" bereits im zweitinstanzlichen Rekursverfahren bei Entscheidungen, die die Sache selbst betreffen, grundsätzlich dem Rechtsmittelgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zum Rekurs einzuräumen und dieser Stellungnahme Beachtung zu schenken.
Soweit die Anwendbarkeit des Art 6 EMRK auf Verfahren beschränkt ist, in denen über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen ("civil rights and obligations") entschieden wird, setzt dies nach der Rechtsprechung des EMGR voraus, dass ein aus dem innerstaatlichen Recht abzuleitender Anspruch bzw ein solches Recht in Frage steht, ein "echter Streit ernsthafter Natur" vorliegt, dessen Ausgang für diesen Anspruch bzw dieses Recht direkt entscheidend ist und der Anspruch bzw das Recht zivilrechtlicher Natur ist (Frowein/Peukert, EMRK-Komm2 Art 6 EMRK Rz 6). Dass diese Erfordernisse bei einem Streit um das Heiratsgut voll erfüllt sind, liegt auf der Hand. Dies gilt insbesondere auch für den zivilrechtlichen Charakter des Anspruches, leitet sich dieser doch aus dem familienrechtlichen Rechtsverhältnis der Tochter zu ihrem Vater ab, wobei Tochter und Vater hiezu kontroversielle Interessen verfolgen und gegenteilige Standpunkte vertreten (vgl Frowein/Peukert, aaO Rz 15, 16). Auch die gerichtliche Verfolgung eines Heiratsgutanspruches ist in Wahrheit ein "streitiges" Verfahren. Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, wonach das Gericht über den Heiratsgut- und Ausstattungsanspruch im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden habe. Die dies bejahende Rechtsprechung lässt sich allerdings bis zu der in der GlU 10.983 veröffentlichten Entscheidung vom 31. 3. 1886 zurückverfolgen. In nachfolgenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes wird die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges und die Zuweisung dieser Materie ins außerstreitige Verfahren aus der in § 1221 ABGB enthaltenen Anordnung abgeleitet, dass das Gericht "die Umstände, jedoch ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes" zu untersuchen habe (SprRep Nr 178 = GlUNF 2966; SZ 7/147; SZ 17/109; SZ 19/35). Auch die Lehre teilt seit jeher diese Ansicht (Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, § 463/III; Rintelen, Grundriss des Verfahrens außer Streitsachen 117; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren 96 ff; weiters Pfersmann zu 1 Ob 662/86 in EvBl 1987/25, 117; Petrasch in Rummel ABGB II2 § 1221 Rz 2; Brauneder in Schwimann ABGB Praxiskommentar2 § 1221 Rz 16). Ungeachtet der "traditionellen" Abhandlung des Heiratsgutanspruches im außerstreitigen Verfahren ist doch die Ähnlichkeit der als "Starthilfe" zur Familiengründung zu verstehenden, vom Versorgungsgedanken getragenen Ausstattung mit dem Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern hervorzuheben. Volljährige Kinder sind aber mit diesem Anspruch nach ständiger Rechtsprechung auf den streitigen Rechtsweg verwiesen (SZ 50/133; RIS-Justiz RS0009082). Allzu großen Verzögerungen durch Schwierigkeiten bei der Ausmittlung der Anspruchshöhe wäre auch bei Führung des Streites um das Heiratsgut auf dem streitigen Rechtsweg durch die Bestimmung des § 273 ZPO vorgebeugt.
Das Verfahren auf Zuerkennung eines Heiratsgutes kann aus all diesen Erwägungen nicht anders beurteilt werden als etwa das Rückstellungsverfahren, auf das - mit hier nicht maßgebenden Ausnahmen - kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen anzuwenden sind (§ 23 Abs 1 RG). Es unterscheidet sich insofern auch nicht von einem Verfahren über einen Aufteilungsanspruch nach §§ 81 ff EheG. Für dieses Verfahren sieht die Sonderbestimmung des § 231 Abs 2 AußStrG die Zweiseitigkeit des Rechtsmittels gegen einen Sachbeschluss ausdrücklich vor. Auch bei anderen dem Außerstreitrichter zugewiesenen Materien wie bei der einvernehmlichen Scheidung (§ 227 Abs 2 AußStrG) und bei der Sachwalterbestellung, soweit der Rekurs nicht vom Betroffenen erhoben wurde (§ 249 Abs 3 AußStrG), ist eine Rekursbeantwortung vorgesehen. Weitere derartige Anordnungen finden sich etwa in § 37 Abs 3 Z 17 lit d MRG, § 30 Abs 4 und 5 EisbG, § 16 Abs 3 und 5 NotwegeG und § 53 KartellG.
Auch für einen Rechtsstreit um ein Heiratsgut haben die bereits von der Obersten Rückstellungskommission zu Rkv 1/01 zum 1947 erlassenen Rückstellungsgesetz angestellten Erwägungen Geltung, dass sich "der Gesetzgeber" (im vorliegenden Fall: die den Heiratsgutanspruch in das außerstreitige Verfahren verweisende Lehre und Rechtsprechung) "noch auf kein durch die EMRK geschärftes Verständnis für die Waffengleichheit der Parteien" stützen konnte. Wie dort aber weiters ausgeführt wird, ist jedes Gesetz - selbst im Rahmen historischer Auslegung - nach deren eigenen Vernünftigkeit, also teologisch gemäß den erkennbaren Zwecken und dem Grundgedanken einer Regelung zu verstehen; als Auslegungsziel sind jedoch immer nur die heute rechtlich maßgebenden relevanten Sinngehalte der Norm zu suchen (vgl SZ 71/183). Die mangelnde Anordnung der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens gegen Entscheidungen über "echte streitige" materielle und prozessuale Rechtschutzansprüche, bei denen der Rechtsfürsorgegedanke (§ 21 ABGB) nicht zum Tragen kommt und eine besonders rasche Erledigung nicht vordringlich ist, beruht auf einer durch Art 6 Abs 1 EMRK offengelegten, seither ungewollten und daher planwidrigen Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen ist. Für die Schließung einer planwidrigen Gesetzeslücke in solchen "echten" Streitsachen des außerstreitigen Verfahrens kommen die einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung in Betracht, deren Anwendung das AußStrG in etlichen Bestimmungen selbst vorsieht, insbesondere auch im § 14a Abs 5.
Nur dieses Auslegungsergebnis entspricht im Übrigen auch dem aktuellen Entwurf der seit langem geplanten Außerstreitrechtsreform. Dieser sieht in § 47 eine Rekursbeantwortung (jeder aktenkundigen Partei) vor, wenn ein Rekurs gegen einen Beschluss erhoben wird, mit dem "über die Sache" entschieden worden ist. In den Erläuterungen wird hiezu festgehalten, dass es ein "rechtspolitisches Allgemeingut" sei, dass Rekursbeantwortungen auch im neuen Verfahren außer Streitsachen entsprechend den Fällen der ZPO zulässig sein sollen, wobei von der Formulierung "über die Sache" nicht nur stattgebende und abweisende, sondern auch zurückweisende Entscheidungen über einen Rechtschutzantrag umfasst seien. Für die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens in solchen Fällen traten neben Fasching (Streitiges im Rechtsmittelverfahren des österreichischen Außerstreitverfahrens, Festschrift Firsching, 77 = Festgabe Fasching, 434 f) und Feitzinger (Richterwoche 1995, 88 f; Richterwoche 1997, 35), die in den Erläuterungen des Bundesministeriums für Justiz ausdrücklich zitiert werden, etwa auch Matscher (ua in: Der Einfluss der EMRK auf den Zivilprozess, Festschrift Henckel, 607 f), Klicka/Oberhammer (Außerstreitverfahren3, Rz 54), Rechberger (Gehördefizite im österreichischen Rechtsmittelverfahren, Festschrift Matscher 373), Ballon (Verfassungswidrigkeiten in der Zivilgerichtsbarkeit und ihre Anfechtung, ÖJZ 1983, 225, 229) und König (ZfRV 1974, 211; JBl 1991, 254 - zumindest dann, wenn im Rechtsmittel zulässigerweise Neuerungen vorgetragen werden) ein.
Durch die Verurteilung Österreichs durch den EGMR im Fall Beer gegen Österreich ist, wie sich aus der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Tragweite dieser Entscheidung im innerstaatlichen Bereich ergibt, eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten, die es nun nicht mehr rechtfertigt, die Entscheidungslinie fortzuführen, dass der Rekurs auch gegen Beschlüsse "über die Sache" im außerstreitigen Verfahren grundsätzlich ein einseitiges Rechtsmittel sei, zumindest wenn - wie dies insbesondere für Heiratsgutansprüche gilt - die Vorteile der Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren für den Anspruchswerber nicht durch Rechtsfürsorgeerwägungen zu rechtfertigen sind, sondern die Zuweisung einer Materie auf den außerstreitigen Rechtsweg aus heutiger Sicht eher "willkürlich" erscheint. Die in der Entscheidung vom , 4 Ob 545/87 (in der in einem Streit um das Heiratsgut die Revisionsrekursbeantwortung zurückgewiesen wurde) vertretene Ansicht, das Rechtsmittel sei auch in diesem Fall einseitig, nimmt auf die gegenteilige Rechtsprechung des EGMR nicht Bezug und ist nach der Entscheidung des EGMR Beer gegen Österreich nicht mehr aufrecht zu halten. Dies haben im Grundsätzlichen bereits die Entscheidungen Rkv 1/01 der Obersten Rückstellungskommission und 8 Ob 232/01b sowie 8 Ob 282/01f des Obersten Gerichtshofes deutlich gemacht, wenn auch in diesen beiden Entscheidungen die Rechtsmittelvorschriften der ZPO und nicht, wie hier, jene des AußStrG anzuwenden waren und nicht die Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahren in zweiter Instanz, sondern des Revisionsrekursverfahrens zu prüfen war. Dass der in Art 6 Abs 1 EMRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch im außerstreitigen Verfahren gilt, ist in Lehre (Schoibl in Festschrift Matscher 40 f mwN; Klicka/Oberhammer aaO Rz 44) und Rechtsprechung (SZ 69/20; 6 Ob 121/00p mwN) ohnehin unstrittig. Die Auswirkungen des Urteiles des EGMR Beer gegen Österreich sind keineswegs auf das in der ZPO geregelte Verfahren beschränkt, weil es aus der Sicht der EMRK keine Rolle spielt, in welchem Verfahren ein streitiger zivilrechtlicher Anspruch nach nationalem Recht zu verfolgen ist. Für die Bejahung der Zweiseitigkeit des Rechtsmittels erst im Stadium des Revisionsrekurses bietet sich keine Grundlage. Im Hinblick auf das das Revisionsrekursverfahren beherrschende Zulassungssystem ist für den Rechtsmittelgegner bei Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht sicher, ob er im Fall des Unterliegens in zweiter Instanz noch mit seinen Gegenargumenten in dritter Instanz Beachtung finden wird. Liegt nämlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG vor, ist der Revisionsrekurs unzulässig und es entscheidet somit das Rekursgericht als letzte Instanz, in der, wie in den zitierten Entscheidungen betont wurde, der Möglichkeit zur allfälligen Widerlegung der Ausführung des Rechtsmittelwerbers besonderes Gewicht zukommt.
Dadurch, dass das Rekursgericht im vorliegenden Fall die Rekursbeantwortung der Antragstellerin ausdrücklich zurückgewiesen hat, ist jedenfalls klargestellt, dass es die darin enthaltenen Ausführungen der Antragstellerin nicht beachtet hat. Es kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass das Rekursgericht nicht doch zu einer anderen, für die Antragstellerin günstigeren Entscheidung findet, wenn es sich mit der Stellungnahme der Antragstellerin zum Rechtsmittel des Antragsgegners auseinanderzusetzen hat. Es ist daher insgesamt nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung unter keinen Umständen einen Nachteil im Verfahren zu gewärtigen habe.
Der Antragstellerin wurde daher das rechtliche Gehör im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK und des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen. Diese Verletzung begründet auch im außerstreitigen Verfahren Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0005915). Der davon betroffene Beschluss des Rekursgerichtes ist daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung als nichtig aufzuheben. Ein Kostenersatz ist im außerstreitigen Verfahren - von hier nicht relevanten Ausnahmen wie etwa dem nur in Eheangelegenheiten geltenden § 234 AußStrG abgesehen - nicht vorgesehen, sodass die Parteien die Kosten ihrer Revisionsrekurse jeweils selbst zu tragen haben.