OGH vom 09.10.2002, 7Ob218/02p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Franz H*****, und 2.) Juliane H*****, beide vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagten Parteien 1.) Margit G*****, und 2.) Iris S*****, beide vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 1.235,44 und Unterlassung, über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 17 R 46/02p-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom , GZ 2 C 562/01a-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Beklagten auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind je zur Hälfte bücherliche Eigentümer einer Liegenschaft, deren "südlichste Ecke" an die "nördlichste Ecke" der - höher gelegenen - Liegenschaft angrenzt, die den beiden Beklagten je zur Hälfte gehört. Entlang der östlichen Grenze der Liegenschaft der Beklagten verläuft ein kleiner Bach (der sogenannte Wildbach), der in seinem weiteren Verlauf im Bereich der Liegenschaft der Kläger verrohrt wurde und dort also unterirdisch weiter geführt wird. Die Kläger haben auf ihrem Grundstück ein rund 6 m x 3,5 m großes Betonbecken errichtet, das als Fischteich genutzt und unter anderem (neben mehreren Quellen) auch durch den Wildbach gespeist wird. Mit der Klage begehrten die Kläger, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihnen S 17.000,-- (= EUR 1.235,44) samt 4 % Zinsen ab zu bezahlen und eine Beeinträchtigung ihrer Liegenschaft durch Schlamm, durch Eindringen von Holzresten und Hausunrat zu unterlassen. Dazu brachten die Kläger im Wesentlichen vor, die Beklagten hätten im März 2000 durch Grabungs-, Rodungs- und Planierarbeiten den Verlauf des Wildbaches verändert und Erdmaterial aufgewirbelt, sodass Schlamm, aber auch Holzstücke und Unrat in den Wildbach gelangt seien und die Rohrleitungen, die ihren Fischteich mit Wasser versorgten, verlegt sowie ihren Fischteich verunreinigt hätten. Am seien deshalb 106 Forellen verendet. Am sei zufolge der von den Beklagten verursachten Verschlammungen ein Schacht verstopft und dadurch der Weg auf ihrer Liegenschaft überflutet worden. Die Beklagten hafteten nach schadenersatzrechtlichen und nachbarschaftsrechtlichen Grundsätzen für die ihnen bereits entstandenen Schäden und seien weiters gemäß § 364 Abs 2 ABGB verpflichtet, Beeinträchtigungen ihrer Grundstücke (die auch auf die Errichtung eines Fischteiches durch die Beklagten zurückzuführen seien) durch das gewöhnliche Maß übersteigende Immissionen zu unterlassen.
Die Beklagten beantragten die Klage abzuweisen. Sie hätten, wie auch eine Überprüfung durch die von den Klägern eingeschaltete Gendarmerie, Wasseraufsichtsbehörde und Umweltamt ergeben habe, weder das Wasser verunreinigt, noch irgendwelche Tätigkeiten gesetzt, die das Klagebegehren rechtfertigen würden. Die Kläger hätten sich die Schäden selbst zuzuschreiben, weil sie den Wildbach eigenmächtig und widerrechtlich verrohrt hätten.
Das Erstgericht wies sowohl das Leistungs- als auch das Unterlassungsbegehren ab. Nach seinen Feststellungen erstattete der Erstkläger am am Gendarmerieposten V***** Anzeige, dass am sein Fischteich verunreinigt worden und es daher zu einem Fischsterben gekommen sei. Die einschreitenden Gendarmeriebeamten stellten fest, dass auf dem Grundstück der Beklagten bzw im angrenzenden Wald keine Grabungsarbeiten im Bereich des Wildbaches durchgeführt worden waren. Es konnten auch keinerlei Schlammablagerungen im Bereich des Wildbachgerinnes festgestellt werden, das Wasser war klar. Erdplanierungsarbeiten waren mit behördlicher Genehmigung zuletzt im März 2000 auf dem Grundstück der Beklagten durchgeführt worden. Am hat es weder geregnet, noch wurde aufgeschüttetes Erdreich in den Wildbach geschwemmt. Im Fischbecken der Beklagten war der Wasserstand 0,5 m unterhalb des Überlaufrohres. Am Abend teilte der Erstkläger dem Gendarmerieposten V***** noch mit, dass insgesamt 106 Stück Fische verendet seien. Durch ein Unwetter am wurde ein Teilbereich der Grenzstraße sowie der Fischteich der Kläger überschwemmt und beschädigt. Die Beklagten haben den Wildbach weder verunreinigt, noch durch Grabungsarbeiten Erdmaterial in den Bach geschüttet oder Holzstücke oder ähnliches Material in den Bach geworfen und damit den Aufspeisungsschacht des Erstklägers verstopft bzw verunreinigt. Auch haben sie am nicht ihren Fischteich abgelassen und dadurch das Verenden der Fische des Klägers bewirkt. Auch haben die Beklagten die klägerische Liegenschaft nicht durch Schlamm oä beeinträchtigt. Es kann nicht festgestellt werden, warum die Fische im Fischteich der Kläger verendet sind. Bei stärkeren Unwettern kommt es immer wieder zu Überspülungen der Straße, da der Schacht auf den Weg der Kläger überläuft. Auch vor drei bis vier Jahren kam es zur Überspülung der Straße, da durch den Wildbach immer wieder Material vom Wald mitgeschwemmt wird.
Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesen Feststellungen, dass das Klagebegehren abzuweisen sei, da die Beklagten keinerlei Handlung gesetzt hätten, die das Wasser des Wildbaches bzw die Grundstücke der Kläger beeinträchtigt hätte.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 4.000,-- übersteige.
Das Berufungsgericht verneinte eine von den Klägern wegen des Unterbleibens der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Bodenmechanik bzw Geologie behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und erachtete auch die Feststellungs- und Beweisrüge der Kläger für nicht berechtigt.
Ausgehend daher von den erstgerichtlichen Feststellungen komme auch der Rechtsrüge keine Berechtigung zu. Von den Klägern werde übersehen, dass die Beklagten keine Handlungen gesetzt hätten, die das Wasser des Wildbaches beeinträchtigt hätten. Sie hätten den Bach weder verunreinigt, noch durch Grabungsarbeiten Erdmaterial in den Bach geschüttet oder Holzstücke oder ähnliches mit Material in den Bach geworfen und dadurch den Aufspeisungsschacht der Kläger verstopft bzw verunreinigt. Da es demnach bereits an einem ursächlichen Verhalten der Beklagten für die Immissionen fehle, erübrige sich eine weitere Auseinandersetzung mit den Immissionen iSd § 364 ABGB.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei; es änderte diesen Ausspruch über Antrag der Kläger gemäß § 508 Abs 3 ZPO aber dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die rechtliche Folgerung, im Hinblick darauf, dass die Beklagten keine Handlungen gesetzt haben, die zu einer Beeinträchtigung der klägerischen Liegenschaft iSd § 364 Abs 2 ABGB geführt hätten, erübrige sich eine weitere Auseinandersetzung mit Immissionen iSd § 364 ABGB, "auch anders beurteilt werden kann".
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Kläger mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:
Zunächst ist zu konstatieren, dass die Kläger mit ihren Ausführungen zu den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen vermögen. Die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsbeschluss ohnehin ausdrücklich eingeräumte, von den Revisionswerbern als Aktenwidrigkeit gerügte Verwechslung der Parteien bei der Wiedergabe der Erörterungen des Erstgerichtes zur Frage der von den Klägern beantragten Beiziehung eines Sachverständigen, stellt - nach den betreffenden Ausführungen des Berufungsurteiles unzweifelhaft - lediglich einen Schreib- oder Übertragungsfehler dar, dessen Korrektur an der Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint, nichts ändert. Damit muss der Vorwurf der Revisionswerber, das Berufungsgericht habe die das Unterbleiben des Sachverständigen-Beweises betreffende Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (nämlich dass durch ein Sachverständigengutachten nur bewiesen werden hätte können, dass der Schlamm vom Grundstück der Kläger [statt richtig der Beklagten] stamme), ins Leere gehen. Auf die betreffende, auch in der Revision wiederholte Mängelrüge ist daher nicht mehr einzugehen, da nach stRsp ein Mangel erster Instanz, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, in der Revision nicht mehr gerügt werden kann (Kodek in Rechberger2, Rz 3 zu § 503 ZPO mwN; RIS-Justiz RS0042963).
Soweit die Revisionswerber eine Aktenwidrigkeit oder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens weiters auch im Zusammenhang mit den Ausführungen des Berufungsgerichtes monieren, es lägen keine Beweisergebnisse dafür vor, dass auf Grund von Grabearbeiten im März 2000 Schlamm in den Wildbach und in der Folge in den Fischteich der Kläger gelangt sei, weil sich das Berufungsgericht damit über die Aussage des Erstklägers hinweggesetzt habe, wird lediglich in unzulässiger Weise versucht, die irrevisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.
In ihrer Rechtsrüge weisen die Revisionswerber auf die oberstgerichtliche Judikatur hin, wonach ein auf § 364 Abs 2 ABGB gestütztes Unterlassungsbegehren kein Handlungs- sondern ein "Erfolgsverbot" darstellt: Der Verpflichtete hat dafür zu sorgen, dass sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird; die Art, wie dies zu geschehen hat, bleibt dem Verpflichteten überlassen (8 Ob 635/92, SZ 65/145 = RdU 1994, 24; 1 Ob 144/97a, SZ 70/199; RIS-Justiz RS0010566; vgl dazu ausführlich Welinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 35 ff). Die Revisionswerber missverstehen diese Judikatur offenbar dahin, dass dem Nachbarn in jedem Fall ein durch im Zusammenhang mit seinem Grundstück stehende Immissionen bewirkter schädlicher Erfolg untersagt werden könne. Diese Ansicht ist rechtsirrig: Nach von der Lehre gebilligter, gesicherter oberstgerichtlicher Judikatur können nämlich natürlich vorhandene Einwirkungen (also Einwirkungen, die nicht auf menschliches Handeln, sondern auf Naturvorgänge zurückzuführen sind) nicht mittels auf § 364 Abs 2 ABGB gestützter Eigentumsfreiheitsklage abgewehrt werden (SZ 57/187; Oberhammer in Schwimann2 II, Rz 4 zu § 364 mwN). So sind Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstückes, insbesondere etwa der Wasserablauf (SZ 41/74; vgl auch SZ 24/267 und SZ 53/11 = EvBl 1981/9), oder auch die Auswirkungen von Elementarereignissen hinzunehmen (Spielbüchler in Rummel3 Rz 11 zu § 364 ABGB mwN). Mit dieser Judikatur (vgl auch SZ 59/47 = JBl 1986, 719; 7 Ob 327/98h, RIS-Justiz RS0010448 [T2] ABGB) stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang: Da die gegenständlichen Beeinträchtigungen durch Schlamm etc nach den erstgerichtlichen Feststellungen eben nicht auf Bauarbeiten oder sonstige Handlungen der Beklagten zurückzuführen sind, sondern offenbar durch den Wildbach im Zuge von Hochwässern oder durch andere natürlich vorhandene Einwirkungen bzw Elementarereignisse bewirkt wurden, können sie den Beklagten nicht nach Immissionsrecht zugerechnet werden, mag das Erdreich, das den Fischteich der Kläger verschlammte (teilweise) auch von deren Grundstück stammen. Eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage stellt sich damit in diesem Zusammenhang nicht.
Auch der von den Revisionswerbern noch erhobene Einwand, die Vorinstanzen seien insofern von stRsp des Obersten Gerichtshofes abgewichen, als ein Ausgleichsanspruch bzw ein Unterlassungsanspruch gegen einen Liegenschaftseigentümer nach § 364 ABGB auch dann erhoben werden könne, wenn die Einwirkung nicht durch den Liegenschaftseigentümer selbst, sondern durch Personen verursacht wurde, von denen er die Unterlassung des die Beeinträchtigung verursachenden schädigenden Verhaltens erwirken hätte können, verfängt nicht. Keine Rede kann nämlich davon sein, dass die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen haben, weil die Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten nicht von diesen selbst, sondern durch eine Fachfirma durchgeführt wurden, sondern deshalb, weil nicht erwiesen werden konnte, dass die Bauarbeiten für die gegenständlichen Immissionen ursächlich gewesen wären.
Insgesamt vermögen die Revisionswerber daher einen tauglichen Zulassungsgrund nicht aufzuzeigen. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war ihr Rechtsmittel daher zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung lediglich ausgeführt, dass die Revision unberechtigt sei; auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Kläger haben sie nicht hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung notwendig angesehen werden und ist deshalb nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).