OGH vom 27.01.2021, 7Ob217/20t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch die Stapf Neuhauser Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei „L*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Rechtsanwalt in Wien, wegen 499.303,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 81/20v-143, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Frage der Schlüssigkeit eines Klagebegehrens ist eine typische Einzelfallbeurteilung, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0037780; RS0116144).
[2] Dass die Vorinstanzen das auf Schadenersatz gegründete Klagebegehren für schlüssig erachteten, ist nicht korrekturbedürftig. Setzt sich – wie im vorliegenden Fall – das auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestützte Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, würde das Gebot nach einer Präzisierung des Vorbringens überspannt, würde man für jeden einzelnen – von unter Umständen hunderten Fällen – ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern; eine mangelnde Aufgliederung in einzelne Posten oder Zeiträume nimmt dem diesbezüglichen Vorbringen nicht die Schlüssigkeit (RS0037907; 8 Ob 135/03s; 6 Ob 92/15w). Die Ansicht des Berufungsgerichts, es schade der Schlüssigkeit nicht, wenn die Klägerin nach Abschluss der durchgeführten Sanierung das Klagebegehren nicht um die tatsächlich aufgewendeten höheren Kosten ausgedehnt, sondern die Klageforderung laut (aufgeschlüsseltem) Kostenvoranschlag beibehalten und darauf einen höheren Betrag aus dem Haftrücklass der Beklagten angerechnet habe, als der Beklagten tatsächlich zugestanden sei, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
[3] 2. Abgesehen davon, dass die Klägerin Vertragspartnerin der mit der beklagten Generalunternehmerin geschlossenen Vereinbarung ist und die Kosten für die Sanierung der mangelhaften Fassade und Fenster trug, verstößt der von der Beklagten erstmals in der Revision erhobene Einwand ihrer mangelnden Aktivlegitimation gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO; RS0042040 [T1]; 1 Ob 180/75 = RS0043554).
[4] 3. Nach den Feststellungen wiesen die von der Beklagten hergestellten Fenster der Reihenhäuser (abgesehen von der fehlenden, aber vereinbarten CE-Zertifizierung), wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, Fehler auf. Im Zeitpunkt der von der Klägerin in Auftrag gegebenen Sanierung waren bei zumindest 21 von 58 Fenstern bereits die Gehrungen offen. Bei den Gehrungsrissen handelt es sich um einen systematischen Ausführungsmangel, der „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ bei sämtlichen Fenstern vorliegt. Wenn die Beklagte die Mangelhaftigkeit der Fenster anlässlich der Übergabe im Oktober 2010 bestreitet, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen aus.
[5] Ihre Behauptung, dass die Schäden an den Fenstern auf die (bloß vereinzelte) Anbringung von Außenjalousien durch Dritte zurückzuführen seien, konnte sie nicht beweisen, traf doch das Erstgericht dazu eine Negativfeststellung. Wenn sie dennoch behauptet, durch das Anbringen der Rollläden seien die Fenster mangelhaft geworden, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen aus und ist die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [insb T 2]).
[6] 4. Die Zurückweisung eines Vorbringens durch das Erstgericht wegen offenbarer Verschleppungsabsicht kann in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden. Die Frage, ob § 179 ZPO richtig angewendet wurde, hat das Berufungsgericht abschließend zu beurteilen. Wenn es sie – wie hier in Bezug auf die erhobene Gegenforderung – bejaht, ist darin kein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensmangel zu erblicken (RS0036878; RS0036890; RS0036897).
[7] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00217.20T.0127.000 |
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Fundstelle(n):
PAAAD-49495