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OGH vom 26.01.1999, 4Ob345/98h

OGH vom 26.01.1999, 4Ob345/98h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Tittel, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, in eventu Abschluß eines Werknutzungsbewilligungsvertrages (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 5/98v-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 24 Cg 174/98p-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 21.375 S (darin 3.562,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin wurde mit Bescheid der Regionalradiobehörde vom , GZ 611.150/1-RRB/95, die Zulassung zur Veranstaltung eines regionalen Hörfunkprogrammes für die Regionalradiokette Salzburg gemäß § 17 iVm den §§ 19 und 20 Abs 2 des Regionalradiogesetzes BGBl 1993/506 für die Zeit vom bis erteilt.

Die Beklagte ist eine unter die Bestimmungen des VerwGesG fallende Verwertungsgesellschaft und verfügt gemäß Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom , GZ 24.307/13-IV/1/94, ua über die Genehmigung für die Wahrnehmung der Rechte der Vervielfältigung auf Mitteln zur wiederholbaren Wiedergabe für das Gehör (Schallträger), ausgenommen jedoch jede Festhaltung auf Schallträgern zu Werbezwecken.

Im Rahmen ihres Sendebetriebes digitalisiert die Klägerin in ihrem betriebsinternen Studio unter Zuhilfenahme elektronischer Datenverarbeitung Musikstücke in der Weise, daß sie die Musikstücke von einem Schallträger in ein Datenverarbeitungssystem einspeichert, aus dem die Stücke sodann - auch wiederholt - abgerufen und vollautomatisch gesendet werden. Bei diesem Vorgang der Digitalisierung werden analoge Signale in digitale, aus Zahlenkolonnen bestehende, Signale umgewandelt. Dabei wird zuerst das Analogsignal abgetastet, sodann "quantisiert" und mit einem spezifischen Code verschlüsselt. Die dabei entstehende Symbolfolge wird sodann entweder mit einem binären oder mit einem mehrstufigen elektrischen Signalverlauf übertragen; die bei der Klägerin verwendete Technik entspricht dem binären Signalverlauf. Bei der Digitalisierung von herkömmlichen Schallplatten werden elektromagnetische Schwingungen über den Vorverstärker des Plattenspielers in die Soundkarte einer Datenverarbeitungsanlage geführt. Bei der Digitalisierung einer CD-ROM werden bei der Klägerin über den Digital/Analogwandler des CD-Players ebenfalls analoge Signale der Soundkarte des Rechners zugeführt, wo sie sodann in digitale Signale umgesetzt werden. Im Zuge dieser Umsetzung kommt es zu einer Datenreduktion; der Soundprozessor der Karte komprimiert nämlich das Signal im Verhältnis 6/1 (Verfahren Musicam Layer 2, 128 KB bei 48 kHz). Die ursprünglich elektromagnetischen Signale werden sodann in Form von Computerdaten (Audiofiles) auf einem Festplattensystem (RAID 5) abgelegt. Beim Abrufen dieser Audiofiles aus dem digitalen Speicher (also beim Abspielen der abgelegten Daten) decodiert der Soundkompressor der Karte des Senderechners das 6/1-Signal vorerst wieder in ein lineares Signal, das (über den Digital/Analogwandler der Soundkarte) sodann wieder in ein analoges Signal zurückverwandelt wird. Durch diese zweifache Umwandlung beim Digitalisieren und Rückanalogisieren einer CD-ROM tritt ein gewisser Datenverlust auf, sodaß der (vor Digitalisierung bestehende) analoge Signalzustand bei Sendung nicht mehr zur Gänze erreicht wird.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Digitalisierung von auf CD-ROM und Schallplatten gespeicherten Musikstücken in ihrer betriebsinternen Studio-EDV zu Zwecken der Sendung in dem von ihr betriebenen Rundfunk nicht in die (in den Wahrnehmungsbereich der Beklagten fallenden) Vervielfältigungsrechte gemäß § 15 UrhG eingreife. Hilfsweise, begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der nicht ausschließlichen Bewilligung zur Digitalisierung von Werken der Tonkunst und mit Werken der Tonkunst verbundener Sprachwerke in ihrer betriebsinternen Studio-EDV und zur Ausstrahlung der in ihrer betriebsinternen Studio-EDV digitalisierten Werke der Tonkunst und mit Werken der Tonkunst verbundene Sprachwerke, soweit diese je vom Repertoire der Beklagten und von dem von der Beklagten wahrgenommenen Repertoire von deren Schwestergesellschaften umfaßt sind, je für Zwecke des Hörfunkprogrammes der Klägerin gegen Bezahlung einer Vergütung in Höhe von 1,05% p.A. der Nettowerbeeinnahmen der Klägerin aus der Hörfunkwerbung zuzüglich USt. Nach dem Standpunkt der Beklagten falle die Digitalisierung von Musikstücken unter den Begriff der "Vervielfältigung" im Sinne des § 15 UrhG, weshalb sie für die Digitalisierung von Musikstücken, an denen sie die Wahrnehmung dieser Rechte übernommen habe, ein Entgelt fordere. Die Klägerin teile diese Auffassung nicht und erachte sich nicht für entgeltpflichtig. Die Beklagte habe wider die Klägerin strafrechtliche Schritte wegen angeblicher Rechtsverletzung ergriffen und weitere Maßnahmen angedroht.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die von der Klägerin vorgenommenen Digitalisierungen bedeuteten Vervielfältigungen im Sinne des § 15 UrhG. Auch das Eventualbegehren sei verfehlt.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen (unstrittigen) Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, daß gemäß § 15 UrhG das Recht auf Vervielfältigung - von den Ausnahmen des § 42 UrhG abgesehen - ausschließlich dem Urheber zustehe. Wesentlich für den Begriff der Vervielfältigung sei das Herstellen eines Mittels, das der wiederholbaren Wiedergabe diene. § 15 UrhG führe die Speicherung von Daten in der Form, daß ein Musikstück durch deren Abruf wiedergegeben werden könne, nur deswegen nicht an, weil die technischen Grundlagen für einen solchen Vorgang im Zeitpunkt der Fassung des § 15 UrhG noch nicht vorhanden gewesen seien. Es sei aber sowohl nach dem Zweck dieser Vorschrift als auch aus der Formulierung ihres dritten Absatzes klar, daß vom Begriff des Schallträgers nicht nur das Festhalten auf Schallplatten oder diesen technisch vergleichbaren Objekten, sondern auch die elektronische Speicherung auf einer Festplatte umfaßt sei, womit dasselbe Ergebnis bewirkt werde. Nicht maßgeblich sei, in welcher Form die Tonschwingungen für die Speicherung technisch verändert würden, und ob dabei eine Veränderung im Sinne eines Qualitätsverlustes auftrete (was etwa auch bei technisch minderwertigem Schallträgermaterial der Fall sei). Entscheidend bleibe, daß das Tonstück durch die Digitalisierung auf einem Trägermaterial zum Zweck einer wiederholten Wiedergabe festgehalten werde. Es ändere auch nichts, daß es sich bei der Digitalisierung der Klägerin um die Vorbereitung eines Rundfunkprogrammes handle, liege doch nicht nur eine vorübergehende Umwandlung aus technischen Gründen vor, die notwendig sei, um das Tonstück vom vorhandenen Schallträger in den Äther zu befördern; das Stück werde vielmehr auf eine Art gespeichert und festgehalten, daß es auch in künftigen Sendungen ohne weitere Digitalisierung abgerufen und unmittelbar ausgestrahlt werden könne. Auch die Festlegung auf einem Schallträger zum Zwecke einer einzigen Rundfunksendung sei als Vervielfältigung zu werten, sofern dieser eine wiederholte Wiedergabe gestatte; dasselbe gelte für das Überspielen von einem Tonträger auf einen anderen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und die (gemeint: ordentliche) Revision zulässig sei. Für die Qualifikation als Schallträger komme es nicht auf das technische Verfahren, sondern auf das Festhalten der Aufführung eines Werkes auf Mitteln zur wiederholbaren Wiedergabe an. Auch bei auf Schallplatten oder Tonbändern festgehaltenen Musikstücken bedürfe es der Verwendung technischer Geräte, um das Musikstück wahrnehmbar zu machen. Die beispielsweise auf einem Tonband festgehaltenen Magnetschwingungen seien ebensowenig unmittelbar als Musikstück wahrnehmbar und körperlich wie digitale Signale. Daher begründe die Notwendigkeit einer neuerlichen Decodierung durch Umwandlung in ein analoges Signal keinen rechtlich erheblivhen Unterschied zu herkömmlichen Vervielfältigungsvorgängen. Maßgeblich sei allein die Eignung zur wiederholbaren Wiedergabe. Die in der betriebsinternen Studio-EDV der Klägerin digital eingespeicherten Musikstücke könnten nicht nur ein einziges Mal gesendet werden. Daß sie tatsächlich wiederholt gespielt würden, sei nicht erforderlich, es genüge die Möglichkeit dazu. Die Digitalisierung ausschließlich als Vorbereitungshandlung und damit Bestandteil des Sendens zu sehen, wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn es sich dabei um eine unabdingbare Notwendigkeit handelte, um die Musikstücke überhaupt senden zu können. Das Senden könne aber auch unmittelbar aufgrund der verwendeten Tonträger erfolgen. Die Fixierung in der betriebsinternen Studio-EDV nach vorhergehender Digitalisierung berge eine Reihe offenkundiger Vorteile, die zusammengefaßt als wesentliche Vereinfachung des Zugriffs und der Handhabung zu bezeichnen seien. Die Digitalisierung könne daher nicht als Bestandteil des Sendens gewertet werden. Auch im Bereich des Leistungsschutzes sei die Vervielfältigung für Zwecke der Sendung keineswegs freigestellt. Der Vergütungsanspruch des § 76 Abs 3 UrhG unterscheide nicht, ob die vergütungspflichtige Benützung durch unmittelbare Verwendung eines zu Handelszwecken hergestellten Schallträgers oder mittelbar nach vorhergehender Digitalisierung erfolge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ein bestimmter Sachverhalt könne nur dann dem urheberrechtlichen Vervielfältigungstatbestand unterstellt werden, wenn es dabei zu einer körperlichen Fixierung des geschützten Werkes komme. Dies sei aber bei der Digitalisierung nicht der Fall, weil ein digitalisiertes Musikstück sinnlich nicht wahrnehmbar, sondern (bei entsprechender Wiedergabe) nur eine unverständliche Anhäufung von Zeichen und Zahlen sei. Die von der Klägerin durchgeführte Digitalisierung könne dem Festhalten von Musik auf Schallplatte oder Tonband nicht gleichgehalten werden, weil letztere als Verkörperlichung eines Vervielfältigungsstückes anzusehen seien und mittels in jedem Haushalt vorhandene Geräte verwendet werden könnten; die Verwendung ihrer digitalisierter Daten sei hingegen außerhalb der Studio-EDV der Klägerin undenkbar und stehe stets in betriebsnotwendigem Zusammenhang mit dem Senden. Das Digitalisieren sei daher bloße Vorbereitungshandlung für das Senden, damit dessen Bestandteil und mit Bezahlung der Vergütung für das Senderecht abgegolten. Die Klägerin bewirke mit der Digitalisierung keine Vervielfältigung, weil sie damit keinen (dem Urheber abzugeltenden) erhöhten Nutzen aus dem Musikwerk ziehe, das sie (nach Digitalisierung) nicht etwa häufiger oder zu gleicher Zeit mehrfach abspielen könne. Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden.

§ 15 UrhG ordnet dem Urheber das ausschließliche Recht zu, das Werk - gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Menge - zu vervielfältigen. Die EB zum UrhG führen zum Begriff "Vervielfältigen" näher aus: "Ein Werk vervielfältigen heißt, es derart in der Fläche oder im Raum festlegen, daß das Festlegungsstück geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen" (abgedruckt bei Röttinger, Gedanken zum urheberrechtlichen Vervielfältigungsbegriff, in FS 50 Jahre Urheberrechtsgesetz, 203ff, 206 mwN zur deutschen Lehre und Judikatur). Zutreffend wird daraus der Schluß gezogen, daß erst dann von einem Vervielfältigungsstück gesprochen werden kann, wenn das Werk eine Verkörperung in einer konkreten Formgestaltung erfahren hat. Diese (körperliche) Festlegung ist nur in Verbindung mit einem Trägermaterial möglich (Röttinger aaO 207; Ertl/Wolf, Die Software im österreichischen Zivilrecht 179f); auf Art und Beschaffenheit des Trägermaterials (Speichermediums) kommt es hingegen nicht an.

Die österreichische Lehre vertritt dazu einhellig die Meinung, daß auch die Einspeicherung eines Werkes in eine Datenbank (auf die Festplatte einer Datenverarbeitungsanlage) als Vervielfältigung iS des § 15 Abs 1 UrhG anzusehen ist (Walter, Werkververwertung in körperlicher Form I, Vervielfältigung und Verbreitung des Werks, MR 1990, 112f; Zanger, Urheberrecht und Leistungsschutz im digitalen Zeitalter, 91 ff; Mahr, Die digitale Speicherung von Werken der Tonkunst zum Zwecke der Rundfunksendung, MR 1998, 333 ff, 337; Blocher in Koppensteiner (Hrsg), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht Teil 2: Geistiges Eigentum, 423 ff, 571 (FN 443); Dittrich in Dittrich/Matzka/Wittmann, Rechtsprobleme des Bildschirmbetriebes in Österreich, Teil VII Urheberrechtliche Fragen 90; Röttinger aaO 207, 211 und Ertl/Wolf aaO 180 für den Fall der Fixierung eines Computerprogrammes auf der Festplatte eines Computers). Gleiches vertritt - bei vergleichbarer Rechtslage in Deutschland - auch die deutsche Lehre zu § 16 dUrhG (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht3, 232; Moritz/Tybusseck, Computersoftware**2 Rz 238; Haberstumpf, Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen Rz 116, in Lehmann**2, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen; ders., Zur urheberrechtlichen Beurteilung von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen, GRUR 1982, 142ff, 148; weitere Nachweise bei Zanger aaO 93 in FN 174).

Die österreichische Rechtsprechung hat zu diesem Problemkreis ganz allgemein ausgesprochen, daß eine Vervielfältigung iSd § 15 UrhG dann vorliegt, wenn die Aufführung eines Werkes auf Mitteln zur wiederholbaren Widergabe festgehalten wird (SZ 23/207 im Falle von Schallplatten; SZ 33/45 im Falle eines Tonbandes).

Wird ein Musikstück digitalisiert, werden also analoge Signale in einen binären Zahlencode umgesetzt, und wird dieser Zahlencode sodann (abrufbar) gespeichert, liegt auch in diesem Vorgang eine Festlegung des Werkes, die es mittelbar -, nämlich nach Rückverwandlung des digitalen Signals in Schallwellen unter Zuhilfenahme technischer Einrichtungen - gestattet, das Musikstück sinnlich wahrzunehmen. Es ist dabei ebenso gleichgültig, ob der binäre Zahlencode auf Diskette, Magnetband, Bildplatte, CD-ROM oder (wie bei der Klägerin) auf einem Festplattensystem gespeichert wird, wie es auch keine Rolle spielt, ob es sich dabei um eine Erstspeicherung (Digitalisierung) oder die Übertragung der digitalen Daten von einem Speicher in einen anderern handelt. Auch ein solcher technischer Vorgang ist daher mit den Vorinstanzen und der einhelligen Lehre in Deutschland (Fromm/Nordemann, Urheberrecht9 Rz 2 zu § 16 mwN; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rz 378; Loewenheim, Urheberrechtliche Probleme bei Multimediaanwendungen, GRUR 1996, 830ff, 834) als Vervielfältigung iS des § 15 Abs 1 UrhG zu beurteilen.

Die von der Klägerin zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung angeführten Lehrmeinungen sind - worauf die Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist - nicht einschlägig, beschäftigen sie sich doch ausschließlich mit dem Problem, ob allein der Ablauf eines Computerprogramms auf einer EDV-Anlage, in dessen Verlauf es zu einer bloß vorübergehenden (oft nur Bruchteile von Sekunden dauernden) Speicherung des Programmes im Arbeitsspeicher (RAM) der Datenverarbeitungsanlage mit anschließender automatischer Löschung kommt ("browsing"), bereits eine urheberrechtliche Verwertungshandlung im Sinne einer Vervielfältigung bildet. Diese kontrovers diskutierte Frage (vgl zum Meinungsstand etwa Haberstumpf, Grundsätzliches zum Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen nach dem Urteil des BGH vom , GRUR 1986, 222f, 234 mwN in FN 94 und 95; Fromm/Nordemann aaO mwN) spielt aber dann keine Rolle, wenn - wie bei der Klägerin - die digitale Festlegung des Werks dauerhaft zur wiederholten Abrufbarkeit im Festplattensystem einer EDV-Anlage gespeichert wird. Allein der von der Klägerin betonte Umstand, daß zwar Plattenspieler und Tonbandgerät, nicht aber Datenverarbeitungsanlagen in nahezu jedem Haushalt anzutreffen seien, vermag keinen urheberrechtlich maßgeblichen, Unterschied in der Verkörperlichung eines Musikstückes zu begründen, und ebensowenig wie eine digitale Zahlenfolge auf einer Festplatte ist auch ein als Schallplatte oder Tonband aufgezeichnetes Tonstück ohne entsprechende technische Rückverwandlung unmittelbar sinnlich wahrnehmbar.

Zutreffend wird in der literarischen Diskussion der Interpretation des Vervielfältigungsbegriffes nicht ausschließlich auf die mechanisch-technischen Zusammenhänge der Vervielfältigung abgestellt, sondern auch Sinn und Zweck des Vervielfältigungsrechts nicht aus den Augen verloren. Durch das Vervielfältigungsrecht soll dem Urheber ein Entgelt für diejenigen Nutzungshandlungen gesichert werden, die darin bestehen, daß ein Werkgenuß durch Vervielfältigungen des Originals erfolgt. Während das Original die Werknutzung nur durch einen relativ beschränkten Personenkreis ermöglicht, tritt durch die Vervielfältigung des Werkes ein Multiplikationseffekt ein, werden doch zusätzliche Werknutzungsmöglichkeiten für einen sehr viel größeren Personenkreis eröffnet. Die Interessen des Urhebers werden dadurch gewahrt, daß Vervielfältigungen von seiner Zustimmung abhängig sind und er sie gegen Entgelt gestatten kann. Es können daher nur solche Handlungen eine Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinn bedeuten, die in irgendeiner Form die Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers beeinträchtigen (Loewenheim aaO 834; König, Das Computerprogramm im Recht, Rz 499). Es ist nun nicht zweifelhaft, daß durch die Speicherung eines Musikstückes auf der Festplatte einer Computeranlage (sei es auch nach dessen digitaler Umwandlung) die Nutzungsmöglichkeiten dieses Stückes (gegenüber der Nutzungsmöglichkeit nur der ursprünglichen Tonquelle) quantitativ erweitert werden. Dazu kommt aber auch noch eine qualitativ erweiterte Nutzungsmöglichkeit.

Die Besonderheit der Digitalisierung liegt nämlich darin, daß sämtliche in digitaler Form verpackte Informationen (Sprache, Ton, Bild) das gleiche Datenformat haben und damit nicht nur auf dem gleichen Datenträger gespeichert, über das gleiche Datennetz verbreitet und mit ein- und demselben Gerät wieder für die menschlichen Sinne wahrnehmbar gemacht werden können. Dazu kommt, daß digitale Datenträger eine vorher nicht gekannte Speicherkapazität sowie Geschwindigkeit der Datenübertragung erlauben. Zuletzt ermöglicht diese Technik auch Interaktivität, indem der Benutzer digitaler Dateien nicht bloß passiv empfangen, sondern aktiv mit der Datenquelle kommunizieren kann, also etwa Informationen auswählen, bestimmte Fragen stellen, Aufträge erteilen und unter Umständen sogar Informationsinhalte ändern kann (Loewenheim aaO 831; vgl auch Katzenberger, Elektronisches Publizieren und Urheber- und Wettbewerbsrecht, 39f in Fiedler, Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens). Es ist zu erwarten, daß diese Technik mit ihren veränderten Nutzungsmöglichkeiten eigene Märkte (zB online-Nutzung digitaler Datenbanken im Internet uä) entstehen lassen wird (vgl dazu Reber, Digitale Verwertungstechniken - neue Nutzungsarten: Hält das Urheberrecht der technischen Entwicklung noch stand? GRUR 1998, 792ff, 797). Nach Sinn und Zweck des Vervielfältigungsrechtes soll der Urheber auch an dieser durch Übertragung seines Werkes in ein digitales Format erreichten qualitativen Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten des Werkes teilhaben. Dem Argument der Klägerin, das Digitalisieren sei eine bloße Vorbereitungshandlung für das Senden, die Verwendung der digitalisierten Daten stehe stets in betriebsnotwendigem Zusammenhang mit der Sendetätigkeit, die Klägerin ziehe keinen erhöhten Nutzen aus dem Musikwerk, ist damit der Boden entzogen.

Die Klägerin vertritt zuletzt die Auffassung, die Vervielfältigung eines Werks iS des § 15 Abs 1 UrhG habe im Fall der von ihr durchgeführten Digitalisierungen die Vervielfältigung eines Schallträgers iS des § 76 Abs 1 UrhG zur Voraussetzung; mangels leistungsschutzrechtlicher Vervielfältigung liege aber mit dem Senden eines zu Handelszwecken hergestellten Schallträgers (nach Digitalisierung) kein Eingriff in ein urheberrechtliches Vervielfältigungsrecht vor. Die Digitalisierung von zu Handelszwecken hergestellten Schallträgern sei vielmehr (nur) eine betriebsinterne Organisationsmaßnahme im Zuge der Sendung dieser Schallträger und "stelle eine Einschränkung des Begriffes der Vervielfältigung iS des § 76 Abs 1 UrhG dar". Auch dieses systematisch-teleologische Argument überzeugt nicht.

Die einzelnen dem Urheber gesetzlich garantierten Verwertungsrechte (Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Senderecht ua) sind selbständige, voneinander unabhängige Rechte; die Vervielfältigung eines Werkes wird daher nicht allein deshalb rechtlich unerheblich, weil die danach erfolgte (weitere) Benutzung des vervielfältigten Werks gesonderten Ausschlußrechten (hier: etwa nach § 76 Abs 1 UrhG) unterliegt. Die Klägerin ist in diesem Zusammenhang neuerlich darauf zu verweisen, daß ihr mit dem von ihr angelegten Archiv digitalisierter Musikstücke vielfältige Nutzungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres eigentlichen Sendebetriebes offenstehen (etwa die schon erwähnte online-Verbreitung dieser Datenbank nach ihrer Einspeicherung im Internet oder die Abspeicherung der Daten auf andere Trägermaterialien). Ob eine Vervielfältigung iS des § 15 Abs 1 UrhG vorliegt oder nicht, hängt auch nicht davon ab, zu welchem Zweck die Vervielfältigung hergestellt worden ist; eine Digitalisierung und Speicherung "zu Zwecken einer Rundfunksendung" unterliegt daher keinen anderen Regeln, als wenn derselbe Vorgang aus anderen Motiven erfolgt ist. Dies ergibt sich auch aus § 33 Abs 1 UrhG, wonach sich das Senderecht (§ 17 UrhG) nicht auch auf das Recht erstreckt, das Werk während der Sendung oder zum Zwecke der Sendung auf Bild- oder Schallträgern festzuhalten.

Der Revision war deshalb keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.