OGH vom 09.11.2004, 4Ob174/04y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** AG, *****, vertreten durch Dr. Lothar Stix, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Abfallbeseitigungsverband *****, vertreten durch Dr. Josef Thaler und Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, 2. E***** AG *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Klägerin und der Zweitbeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 129/04v-18, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 15 Cg 58/04p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Revisionsrekursbeantwortung der Zweitbeklagten wird zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs der Zweitbeklagten wird Folge gegeben; dem Revisionsrekurs der Klägerin wird nicht Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„Der Antrag der Klägerin, den Beklagten zur Sicherung des mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs zu verbieten, Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle aus dem Einzugsbereich der Verbandsgemeinden S*****, R*****, L***** und Sch***** zum Zweck der Entsorgung außerhalb der Deponie 'Ahrental' zu übergeben oder zu übernehmen, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten die mit jeweils 1.171,08 EUR (darin 195,18 EUR USt) bestimmten Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten die mit jeweils 3.217,86 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 536,31 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Gemeinden S*****, L*****, Sch***** und R***** haben sich gemäß § 14 Abs 1 TGO 1966 zum „Abfallbeseitigungsverband *****, dem Erstbeklagten, zusammengeschlossen. Aufgabe dieses Gemeindeverbands ist (ua) „die gemeinsame Besorgung der Aufgabe der Entsorgung von Abfällen bzw kompostierfähigen Abfällen allenfalls im Wege der Beauftragung durch geeignete Unternehmen". Die Bildung des Abfallbeseitigungsverbands wurde mit Verordnung der Tiroler Landesregierung vom bewilligt.
Die Klägerin hat ihren Sitz in I*****. Sie besitzt eine Gewerbeberechtigung für (ua) das Gewerbe der Abfallsammlung. Die Klägerin hält neben der A***** GmbH einen Geschäftsanteil von 50 % an der A***** Betriebsführungs GmbH.
Mit Bescheid vom setzte die Tiroler Landesregierung gemäß § 23 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG) das Entgelt für die Ablagerung von Abfällen auf der Deponie A***** mit 132,20 EUR pro Tonne fest. Die Genehmigung ist mit befristet.
Die E***** AG ***** hat ihren Sitz in L*****. Am wurde sie mit der W***** GmbH verschmolzen. In Form eines Teilbetriebs führt die E***** AG ***** verschiedene Gesellschaften, die sich - wie die Zweitbeklagte - mit Abfallverwertung beschäftigen.
Mit Schreiben vom teilte der Erstbeklagte dem Landeshauptmannstellvertreter von Tirol mit, dass das von der Klägerin vorgestellte Konzept einer mechanisch biologischen Bearbeitung des Abfalls für die Erstbeklagte nicht überzeugend und zu teuer sei. Der Erstbeklagte werde den Restmüll seiner Mitgliedsgemeinden daher beginnend mit zur Verbrennungsanlage der Zweitbeklagten nach W***** bringen.
In seinem Antwortschreiben vom vertrat der Landeshauptmannstellvertreter von Tirol die Auffassung, dass die geplante Vorgangsweise nicht durch § 9 Abs 3 TAWG gedeckt sei und § 14 Abs 2 lit c TAWG widerspreche. Danach sei der im Rahmen der öffentlichen Müllabfuhr gesammelte Hausmüll zu jener Behandlungsanlage oder Deponie zu bringen, in deren Einzugsbereich die Gemeinde liege, widrigenfalls eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1 lit a TAWG begangen werde.
Am schloss der Erstbeklagte mit der Zweitbeklagten eine Vereinbarung, in der sich die Zweitbeklagte verpflichtete, Hausabfälle, Sperrmüll und hausabfallähnliche Gewerbeabfälle des Erstbeklagten gegen ein Entgelt von 127 EUR je Tonne Abfall zur Entsorgung zu übernehmen. Die Vereinbarung wurde auf die Dauer von 10 Jahren beiderseits unkündbar geschlossen.
Aufgrund dieser Vereinbarung bringt der Erstbeklagte den in seinem Bereich anfallenden Müll nunmehr zur Zweitbeklagten nach Oberösterreich zur Verbrennung.
Mit Bescheid vom stellte der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol auf Antrag der Klägerin fest, dass die Direktvergabe der Entsorgung von Hausabfällen, Sperrmüll und hausabfallähnlichen Gewerbeabfällen durch den Erstbeklagten nicht zu Recht erfolgt sei. Es handle sich um einen Dienstleistungsauftrag eines öffentlichen Auftraggebers mit einem geschätzten Nettoauftragsvolumen von mehr als 200.000 EUR. Direktvergaben nach § 27 Abs 1 Z 2 BVergG 2002 seien nur bis zu einem geschätzten Auftragswert von 20.000 EUR möglich.
Der Erstbeklagte brachte gegen den Bescheid einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde ein.
Am forderte der Klagevertreter die Zweitbeklagte auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der mit dem Erstbeklagten geschlossene Vertrag sei ein verbotenes, sittenwidriges und gegen § 1 UWG verstoßendes Geschäft. Am richtete der Klagevertreter ein weitgehend inhaltsgleiches Schreiben an den Obmann des Erstbeklagten. Mit Schreiben vom bestritten die Vertreter des Erstbeklagten den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung.
Es steht nicht fest, ob die Organe des Erstbeklagten in der Absicht handeln, den Wettbewerb der Zweitbeklagten zu fördern.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle aus dem Einzugsbereich der Verbandsgemeinden S*****, R*****, L***** und Sch***** zum Zweck der Entsorgung außerhalb der Deponie A***** zu übergeben oder zu übernehmen. Die Klägerin sei eine Konzerngesellschaft mit Sitz in I*****. Zu den verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten der Klägerin gehöre die Abfallbehandlung und Abfallbeseitigung, die, soweit sie nicht gefährliche Abfälle betreffe, am Standort der Gewerbeberechtigung I*****, betrieben werde. An diesem Standort werde die Deponie A***** auf der Grundlage zahlreicher Bewilligungsbescheide des Landeshauptmanns von Tirol betrieben. Der Erstbeklagte erfülle seine Aufgaben entgeltlich auf demselben Markt wie die Klägerin. Die Tätigkeiten des Erstbeklagten fielen in den Gewerbegegenstand der Klägerin. Soweit der Erstbeklagte seine Aufgaben nicht selbst erfülle, beauftrage er geeignete Unternehmen, deren Wettbewerb er damit fördere. Die Zweitbeklagte sei ein gewerbliches Unternehmen, das ebenso wie die Klägerin Abfälle sammle und entsorge. Die Zweitbeklagte stehe in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin. Der Erstbeklagte verstoße gemeinsam mit der Zweitbeklagten absichtlich zu Zwecken des Wettbewerbs gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen, um den Wettbewerb der Zweitbeklagten zu fördern und um sich, entgegen den gesetzlichen Vorschriften und gegen die guten Sitten, den behördlich genehmigten Deponiepreis der Deponie A***** und die Altlastensanierungsabgabe zu ersparen. Darüber hinaus hätten die Beklagten gegen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 verstoßen. Als öffentlicher Auftraggeber hätte der Erstbeklagte den Auftrag ausschreiben müssen. Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol sei der qualifizierte Verstoß der Beklagten gegen das Bundesvergabegesetz 2002 manifestiert. Der Verstoß mache die Beklagten der Klägerin gegenüber jedenfalls schadenersatzpflichtig. Die Klägerin wäre schon wegen der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes iVm dem Tiroler Abfallwirtschaftskonzept in einem Vergabeverfahren Best- oder Billigstbieterin gewesen. Der Klägerin entstehe ein beträchtlicher, ständig anwachsender Vermögensschaden.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.
Der Erstbeklagte machte geltend, dass die Klägerin nicht Betreiberin der Deponie A***** sei. Betreiberin sei die A***** Betriebsführungs GmbH. Der Erstbeklagte habe sich aus Umwelt- und Kostengründen entschlossen, den Müll thermisch zu entsorgen. Das Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz sehe in Verbindung mit dem Tiroler Abfallwirtschaftskonzept in verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidriger Weise einen Andienungszwang der Gemeinden vor. Durch die derzeitige Abfallbeseitigung entstünden geringere Kosten, die Transporte würden mittelfristig mit der Bahn durchgeführt, der Bevölkerung würden hohe Müllgebühren erspart und es sei eine dauerhafte umweltschonende Lösung gefunden. Bei einer Verbringung des Mülls auf die Deponie A***** wäre dies alles nicht der Fall. In Sachen Abfall gebe es keinen Wettbewerb, da die Klägerin selbst behaupte, dass der Erstbeklagte den Müll seiner Verbandsgemeinden ausschließlich in die Deponie A***** abzuführen und die Deponierung zu den festgesetzten Tarifen abzugelten habe. Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil in Tirol keine Müllverbrennung angeboten werde. Das höchst zulässige Gesamtkontingent der Deponie A***** sei jedenfalls seit Anfang Dezember 2003 erschöpft. Die - die Deponierung nicht vorbehandelter Abfälle auch nach dem gestattende - Erstreckungsverordnung sei im Ergebnis als verfassungswidrig aufgehoben worden. Der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats vom sei in einem nicht gesetzmäßig geführten Verfahren ergangen und daher nicht bindend.
Die Zweitbeklagte machte geltend, als bloßer Teilbetrieb nicht passiv legitimiert zu sein. Die im nicht rechtskräftigen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol festgestellte Rechtswidrigkeit der Direktvergabe wirke sich auf die zivilrechtliche Gültigkeit der zwischen den Beklagten zustande gekommenen Entsorgungsvereinbarung nicht aus. Im Tiroler Abfallwirtschaftskonzept werde als Entsorgungsbereich des Erstbeklagten die „Mülldeponie A***** der Stadtgemeinde I*****" festgelegt. Die Klägerin sei daher nicht Betreiberin der Deponie. Der im Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz und dem Tiroler Abfallwirtschaftskonzept festgelegte „Ablieferungs- und Andienungszwang" sei verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Die Deponie A***** könne seit dem nicht mehr rechtmäßig betrieben werden. Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten bestehe daher auch kein Wettbewerbsverhältnis.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung gegen die Zweitbeklagte und wies den Sicherungsantrag gegen den Erstbeklagten ab. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Erstgericht fest, dass die Klägerin zum Zweck der Abfallsammlung "im Wege des Tochterunternehmens A***** Betriebsführung GmbH" die Deponie A***** betreibe. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Erstbeklagte in der Absicht handle, den Wettbewerb der Zweitbeklagten zu fördern. Allein aus dem Abschluss eines Vertrags mit der Zweitbeklagten könne noch nicht auf die Absicht geschlossen werden, deren Wettbewerb zu fördern. Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Die Zweitbeklagte sei passiv legitimiert, weil das Begehren nicht gegen einen Teilbetrieb allein gerichtet sei. Die Zweitbeklagte verstoße mit dem von ihr mit dem Erstbeklagten geschlossenen Vertrag gegen das Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz und das Tiroler Abfallwirtschaftskonzept. Danach sei der Hausmüll im Entsorgungsbereich 4 in der „Mülldeponie A***** der Stadtgemeinde I*****" zu entsorgen. Die Organe der Zweitbeklagten nähmen den Gesetzesverstoß bewusst in Kauf. Es könne offen bleiben, ob die Tiroler Erstreckungsverordnung tatsächlich aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom „automatisch" als aufgehoben gelte und ob die Behörde die Deponie aufgrund einer Überschreitung der zugelassenen Jahrensablagerungsmengen schließen müsste. Maßgebend sei die Gesetzeslage; die verfassungsrechtlichen Bedenken könnten im derzeitigen Verfahrensstadium nicht aufgegriffen werden. Offen könne auch bleiben, ob die behördliche Festsetzung des Deponieentgelts eine unzulässige Beihilfe sei. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung des Beihilfenverbots lägen nicht vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin und dem der Zweitbeklagten nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Beim Erstbeklagten komme nur eine Förderung fremden Wettbewerbs in Frage. Die Klägerin hätte eine entsprechende Absicht bescheinigen müssen, da keine typischerweise auf Förderung des Wettbewerbs der Zweitbeklagten gerichtete Handlung vorliege. Die Negativfeststellung des Erstgerichts wirke daher zu Lasten der Klägerin. Zum Rekurs der Zweitbeklagten führte das Erstgericht aus, es sei richtig, dass die Deponie nicht von der Klägerin selbst, sondern von einer Betriebsgesellschaft betrieben werde. Die Klägerin habe selbst behauptet, eine Konzerngesellschaft zu sein. Da dies nicht substantiiert bestritten worden sei, sei zumindest im Provisorialverfahren davon auszugehen, dass die Klägerin die Konzernmutter, die Betriebsgesellschaft hingegen als deren Konzerntochter anzusehen sei. anzusehen; die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin als Konzernmutter würden jedoch durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Zweitbeklagten nachhaltig berührt. Ihre Aktivlegitimation sei daher zumindest im Provisorialverfahren ebenso zu bejahen wie das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses. Der Unternehmenszweck beider Streitteile sei (ua) auf Abfallsammlung und Abfallbeseitigung gerichtet; sie träten daher mit den von ihnen angebotenen Leistungen zueinander in Konkurrenz. Zwischen ihnen bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Zweitbeklagte nütze den Gesetzesbruch des Erstbeklagten aus. Die gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Bedenken der Zweitbeklagten seien nicht berechtigt. Der Verfassungsgerichtshof habe entschieden, dass die Festsetzung verpflichtender Entsorgungsbereiche nach dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz und dem Tiroler Abfallwirtschaftskonzept im öffentlichen Interesse liege, adäquat und daher auch sachlich gerechtfertigt sei. Auch nach dem Gemeinschaftsrecht sei das „Ursprungsprinzip", die Beseitigung von Abfällen möglichst nahe am Ort ihrer Entstehung, maßgebend. Es bestünden daher keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der verletzten Bestimmungen mit dem Verfassungsrecht und dem Gemeinschaftsrecht. Eine unzulässige Beihilfe liege schon deshalb nicht vor, weil die Zweitbeklagte gar nicht behauptet habe, dass mit der Festsetzung verpflichtender Entsorgungsbereiche finanzielle Einbußen des Landes Tirol als Teilstaat verbunden seien.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichteten Revisionsrekurse der Klägerin und der Zweitbeklagten sind zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Aktivlegitimation bei Ausgliederung eines Geschäftszweigs in eine Betriebsführungsgesellschaft besteht; der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt, jener der Zweitbeklagten ist berechtigt. Die Revisionsrekursbeantwortung der Zweitbeklagten zum Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.
I. Zur Unzulässigkeit der Revisionsrekursbeantwortung der Zweitbeklagten
Die Zweitbeklagte ist nicht Partei des Verfahrens zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten. Dass sie wirtschaftlich an der Erfüllung des Vertrags und damit am Ausgang des Verfahrens interessiert ist, reicht nicht aus, um ihre Rechtsmittellegitimation zu begründen.
Die Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.
II. Zur Aktivlegitimation der Klägerin
Die Klägerin stützt ihre Aktivlegitimation darauf, dass sie vom (behaupteten) Wettbewerbsverstoß der Beklagten direkt betroffen sei. Das Rekursgericht hat dies unter Hinweis auf die Stellung der Klägerin als Konzernmutter bejaht.
Die Zweitbeklagte bekämpft diese Auffassung. Als Konzernmutter der Betreibergesellschaft sei die Klägerin nicht unmittelbar betroffen und daher auch nicht aktiv legitimiert.
Die Klägerin hält dem entgegen, sie habe bescheinigt, die Deponie auf der Grundlage zahlreicher Bewilligungsbescheide des Landeshauptmanns von Tirol zu betreiben. Sie bediene sich der Betriebsführungsgesellschaft ausschließlich zu Zwecken der Betriebsführung des Deponiebetriebs. Im rechtlichen Sinn sei die Betriebsführungsgesellschaft eine Gehilfin der Klägerin, die ausschließlich mit der Betriebsführung der Deponie betraut sei.
Die Klägerin gesteht damit selbst zu, dass sie den Deponiebetrieb ausgegliedert und einer Betriebsführungsgesellschaft übertragen hat. Wird ein Geschäftszweig ausgegliedert, so ist er nicht mehr Teil des Unternehmens der ausgliedernden Gesellschaft. Er bildet ein eigenes Unternehmen, dessen Geschäftsergebnisse sich auf das Unternehmen der ausgliedernden Gesellschaft nur über deren allfällige Gesellschafterstellung auswirken.
Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin ist an der Betriebsführungsgesellschaft zu 50 % beteiligt. Als „Konzernmutter" ist sie daher von den Geschäftsergebnissen der Betriebsführungsgesellschaft nur insoweit betroffen, als sie als Gesellschafterin an Gewinn und Verlust beteiligt ist.
Das unterscheidet den vorliegenden Fall von dem der Entscheidung 4 Ob 310/98m (= ÖBl 2000, 25 - Pinkplus) zugrunde liegenden Sachverhalt. Gegenstand dieses Verfahrens war der Erwerb der Marke „Pinkplus" durch eine Mitbewerberin der österreichischen Konzerngesellschaft eines internationalen Konzerns, der als weltweit führender Erzeuger von Insoliermaterialien durch die rosa Einfärbung seiner Erzeugnisse und durch die Eintragung und Verwendung von Markennamen mit dem Bestandteil „Pink" eine einheitliche Markenstrategie entwickelt hatte. Der Oberste Gerichtshof bejahte neben der Aktivlegitimation der Konzerngesellschaft auch die der Konzernmutter, weil deren Interesse verletzt war, ihre Marketingstrategie in allen Ländern der Welt anzuwenden. Im Gegensatz dazu wird das Interesse der Klägerin durch die Verbrennung des Mülls der zum Erstbeklagten zusammengeschlossenen Verbandsgemeinden statt dessen Deponierung nur insoweit betroffen, als ein geschäftlicher Nachteil der Betriebsführungsgesellschaft deren Gewinn und damit ihren Gewinnanteil schmälert. Die Klägerin ist damit - bezogen auf den Betrieb der Deponie - Kapitalgeberin und nicht Unternehmerin, weil nicht sie es ist, die das Unternehmen Deponiebetrieb führt.
Als bloße Kapitalgeberin ist die Klägerin nicht aktiv legitimiert (4 Ob 137/91 = ÖBl 1992, 35 - Haus K.). An der fehlenden Aktivlegitimation muss ihr Anspruch gegen beide Beklagte unabhängig davon scheitern, ob die Beklagten mit dem Verstoß gegen das Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz und das Tiroler Abfallwirtschaftskonzept sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handeln. Auf die von den Parteien weiters aufgeworfenen Fragen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Dem Revisionsrekurs der Zweitbeklagten war Folge zu geben; der Revisionsrekurs der Klägerin musste erfolglos bleiben. Die Revisionsrekursbeantwortung der Zweitbeklagten zum Revisionsrekurs der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Für die Äußerung, für den Rekurs und den Revisionsrekurs gebührt nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 5 RATG). Pauschalgebühr ist im Sicherungsverfahren nicht zu entrichten (s TP 4 GGG).