OGH vom 29.08.2013, 2Ob147/12z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** W*****, vertreten durch Dr. Kurt Kozák, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. K***** H***** und 2. W***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung und Unterlassung (Streitinteresse insgesamt 4.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 80/12m 14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 13 C 110/11a 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die W*****gesellschaft mbH war zu 394/1900 Anteilen, mit denen Wohnungseigentum an der „Tiefgarage 10“ verbunden war, Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs *****. Die über die Abstellplätze in dieser Tiefgarage mit Wohnungseigentümern, aber auch Anlagenfremden abgeschlossenen Bestandverträge wurden verbüchert. Von der Tiefgarageneinfahrt aus gesehen befinden sich zur rechten Hand neun Abstellplätze mit den Nummern 9 bis 17, beginnend mit der Nummer 9 „rechts vorne“. Der Abstellplatz Nummer 17 ist daher „der letzte ganz rechts hinten“. Dies stimmt auch mit dem beim Grundbuch erliegenden Prospektplan überein. Die Nummern sind seit 1979 in unveränderter Reihenfolge an der Garagenwand angebracht.
Am vermietete die eingangs erwähnte Gesellschaft den Abstellplatz Nummer 17 für die Dauer von 99 Jahren an G***** P*****. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen dieses Mieters übertrug der Masseverwalter im Jahr 1994 die Bestandrechte an R***** H*****. Dieser veräußerte mit Kaufvertrag vom eine Wohnung an den Kläger, dem er (laut Punkt III des Vertrags) gegen ein Entgelt von 15.000 EUR gleichzeitig die Bestandrechte an dem Abstellplatz Nummer 17 abtrat. Dabei erklärte R***** H*****, der die Wohnung zuvor vermietet gehabt hatte, dass seine letzte Mieterin auf dem Abstellplatz Nummer 9 gestanden sei, dem Abstellplatz „ganz rechts neben der Tiefgarageneinfahrt“. Die Übertragungsvorgänge aus den Jahren 1994 und 2009 wurden jeweils (unter C-LNR 8) im Grundbuch eingetragen.
Der Kläger vermietete die gekaufte Wohnung, nicht aber den Abstellplatz. Ab Anfang des Jahres 2010 stellte er sein Fahrzeug selbst in der Tiefgarage ab, allerdings auf dem Abstellplatz Nummer 9. Den Abstellplatz Nummer 17 hat er bisher noch nie benützt.
Die Beklagten, die ebenfalls Eigentümer einer Wohnung sind, hatten im Jahr 2000 von R***** H***** den Abstellplatz Nummer 9 gemietet, den sie in der Folge auch benützten. Während dieser Zeit fiel ihnen auf, dass der Abstellplatz Nummer 17 immer frei blieb. Als R***** H***** den Abstellplatz Nummer 9 dann für eine Mieterin seiner Wohnung benötigte, traten die Beklagten an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der mittlerweile insolventen Eigentümerin der Tiefgarage heran. Dieser begab sich mit dem Erstbeklagten in die Tiefgarage, meinte, dass der Abstellplatz Nummer 17 frei sei und erlaubte den Beklagten die Benützung dieses Abstellplatzes, solange von niemandem ein Rechtsanspruch erhoben wird. Bevor er eine Regelung treffen könne, müsse erst abgeklärt werden, ob ein solcher Rechtsanspruch besteht. Nach eineinhalb Jahren der Benützung des Abstellplatzes Nummer 17 schlossen die Beklagten mit dem Masseverwalter am einen unbefristeten Bestandvertrag, worin der Beginn des Bestandverhältnisses rückwirkend mit , ein Kündigungsverzicht für die Dauer von 80 Jahren und ein Bestandzins von 7.200 EUR brutto bis festgelegt wurden. Der Vertrag wurde in der Kanzlei des Masseverwalters unterschrieben, „es war immer die Rede vom Abstellplatz Nummer 17.“ In Punkt II des Vertrags wird als Mietgegenstand allerdings der Abstellplatz Nummer 9 genannt. Auch dieses Bestandrecht (den Abstellplatz Nummer 9 betreffend) wurde (unter C-LNR 41) verbüchert.
Gegen Ende des Jahres 2010 wandte sich der Kläger an die Beklagten. Er erklärte ihnen, dass der Abstellplatz Nummer 17 „sein“ Abstellplatz sei und forderte sie zur Räumung auf. Auf diesem Abstellplatz sind das Auto des Erstbeklagten, eine Golfausrüstung sowie Fahrräder abgestellt. Die Beklagten zahlten für den Abstellplatz Nummer 17 die Betriebskosten. Im Jänner 2011 wurde die Vorschreibung seitens der Liegenschaftsverwaltung auf Abstellplatz Nummer 9 geändert.
Auf dem Abstellplatz Nummer 9 (rechts neben der Tiefgarageneinfahrt) standen mit ihren Fahrzeugen im Laufe der Jahre zunächst G***** P*****, dann R***** H*****, danach dessen Mieter (darunter der Erstbeklagte) und schließlich der Kläger.
Der Kläger begehrte mit der am beim Erstgericht eingebrachten Klage die Beklagten zu verpflichten, 1. ihm den in der näher bezeichneten Tiefgarage gelegenen Abstellplatz Nummer 17, „sohin jenen, der sich von der Tiefgarageneinfahrt aus ganz rechts hinten befindet“, geräumt von ihren Fahrnissen oder Fahrzeugen zu übergeben und 2. es hinkünftig zu unterlassen, diesen Abstellplatz mit Fahrnissen oder Fahrzeugen zu verstellen. Er brachte vor, dass die Beklagten den von ihm gemieteten Abstellplatz Nummer 17 titellos benützen würden. Es fehle ihnen auch am guten Glauben, sei doch aus der Nummerierung eindeutig ersichtlich, dass der von ihnen benützte Abstellplatz nicht mit jenem ihres Bestandvertrags identisch sei. Der Kläger selbst habe durch die Eintragung im Grundbuch Besitz erlangt.
Die Beklagten wandten ein, sie hätten den rechts hinten gelegenen Abstellplatz gemietet, während der Kläger wie bereits die Voreigentümer seiner Wohnung Bestandnehmer des rechts vorne gelegenen Abstellplatzes sei. Der Kläger habe von seinem Rechtsvorgänger diesen Abstellplatz übergeben erhalten, ihn übernommen und ein Jahr lang genützt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Übergabe des Tiefgaragenabstellplatzes Nummer 17 von R***** H***** an den Kläger sei nicht erfolgt. Der laut Kläger erfolgte Hinweis auf den „Platz da unten“ stelle keine sinnfällige Übergabe des Abstellplatzes dar. Der Kläger habe sich nie im Besitz des Abstellplatzes Nummer 17 befunden, weshalb ihm die Klage nach § 372 ABGB nicht zustehe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst aus, der Einverleibung des Bestandrechts komme keine dingliche Wirkung gegenüber anderen Personen zu. R***** H***** habe dem Kläger die physische Verfügungsmacht über den Abstellplatz Nummer 17 nicht eingeräumt, was aufgrund der Nutzung durch die Beklagten gar nicht möglich gewesen wäre. Auch die vom Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung festgestellte Äußerung des R***** H*****, dass dies „der Platz da unten“ sei, bewirke unabhängig davon, ob beide Vertragsteile überhaupt denselben Platz gemeint hätten keine Übergabe des Abstellplatzes. Dem Kläger fehle es daher an der Aktivlegitimation.
Über Antrag des Klägers ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich doch zu. Es existiere keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen, ob die Einverleibung eines Bestandrechts dingliche Wirkung habe und ob auch dann auf die physische Übergabe abzustellen sei, wenn das Bestandrecht auf ungewöhnlich lange Zeit (99 Jahre) begründet worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
I. In der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht dargetan:
1. Nach ständiger und gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der Eintragung des Bestandrechts iSd § 1095 ABGB keine allgemein dingliche Wirkung gegenüber dritten Personen zu (SZ 23/121; 5 Ob 157/07k; 5 Ob 269/08g; RIS-Justiz RS0020428, RS0122463). Die Wirkung der Eintragung des Bestandrechts beschränkt sich im Wesentlichen auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen. Sie beseitigt also insbesondere das Kündigungsrecht des Erwerbers der Liegenschaft nach § 1120 ABGB (5 Ob 157/07k mwN; 5 Ob 258/08i; 5 Ob 269/08k; RIS-Justiz RS0020428 [T1 und T 2]). Dies entspricht auch der herrschenden Auffassung der Lehre ( Iro in KBB³ § 1095 Rz 2; Würth in Rummel , ABGB³ § 1095 Rz 1; Binder in Schwimann , ABGB³ V § 1095 Rz 12; Riss in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 1095 Rz 1; Nademleinsky in Schwimann , ABGB-TaKomm² § 1095 Rz 5; Hoyer in wobl 1991/75 [Glosse zu 6 Ob 554/90] und NZ 2008/698 [Glosse zu 5 Ob 157/07k]).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine neuerliche Befassung mit dieser Rechtsfrage nicht schon deshalb geboten, weil wie er meint in der auf die Entscheidung SZ 23/121 folgenden Rechtsprechung und auch von „namhaften Literaten“ der Rechtssatz von der Verneinung einer allgemeinen dinglichen Wirkung der Eintragung eines Bestandrechts nicht noch einmal „inhaltlich“ bzw „im Detail“ begründet worden ist. Für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung kann schon eine einzige ausführlich begründete, in Rechtsprechung und Schrifttum unwidersprochene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ausreichen (RIS-Justiz RS0103384), wovon hier jedenfalls auszugehen ist.
2. Für eine abweichende Beurteilung gibt auch der Umstand, dass einem Bestandnehmer durch die Vereinbarung einer 99-jährigen Bestanddauer ein besonders weitreichendes und gesichertes Nutzungsrecht eingeräumt wurde, keinen Anlass. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 554/90 bereits klarstellte, beruht auch bei einem solchen Bestandvertrag die Nutzungsbefugnis lediglich auf einer mietvertraglichen Duldung des Sacheigentümers und nicht auf einer unmittelbaren eigenen Sachherrschaft.
Dem Bestandnehmer als Rechtsbesitzer wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch petitorischer Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter zuerkannt, wobei als Rechtsgrundlage zumeist eine analoge Anwendung des § 372 ABGB herangezogen wird (SZ 21/32; 1 Ob 515/77; vgl auch 7 Ob 654/89 [verst Senat]; 7 Ob 251/03i; RIS-Justiz RS0011008, RS0106815; dazu kritisch etwa Spielbüchler in Rummel , ABGB³ § 372 Rz 5; Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 372 Rz 39 ff und Rz 47 sowie § 373 Rz 9; ders in FS 200 Jahre ABGB, Die heutige Bedeutung der actio publiciana, 1139 [1152 ff]; Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 372 Rz 3). Damit soll auch der zuweilen angenommenen quasi-dinglichen Rechtsposition des Bestandnehmers Rechnung getragen werden (vgl 7 Ob 654/89; 6 Ob 1599/94; auch 2 Ob 12/08s; RIS-Justiz RS0106815). Für eine zusätzliche Erweiterung des Rechtsschutzes des Bestandnehmers gegenüber dem dritten Störer wurde hingegen weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre ein Bedarf erkannt.
Der gegenteilige Standpunkt des Klägers wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Es begründet insbesondere keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage, wenn das Berufungsgericht dem Kläger nicht im Wege einer (weiteren) Analogie den dem Eigentümer vorbehaltenen Anspruch nach § 366 ABGB zugebilligt hat.
II. Der Kläger zeigt in seiner Revision aber auch keine sonstige Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Der Bestandnehmer erwirbt Rechtsbesitz, den er durch den Gebrauch des Rechts im eigenen Namen erlangt (§ 313 ABGB; RIS-Justiz RS0010125; Eccher in KBB³ § 313 Rz 1). Dies setzt die Übergabe des Bestandgegenstands an den Bestandnehmer voraus. Einem Bestandnehmer, der nie solcherart Besitzer seines Bestandrechts wurde, wird deshalb die Klage nach § 372 ABGB versagt, mag er auch über einen gültigen Titel verfügen (SZ 21/32; 1 Ob 515/77; 7 Ob 623/88; 6 Ob 1599/94; 5 Ob 128/03i; 7 Ob 251/03t; RIS-Justiz RS0011020, RS0012078; vgl auch Kodek in Klang ³ § 373 Rz 9; ders in FS 200 Jahre ABGB 1155; Klicka/Reidinger in Schwimann , ABGB 4 § 372 Rz 9).
2. Im vorliegenden Fall ist schon der Rechtsbesitz der Rechtsvorgänger des Klägers am Abstellplatz Nummer 17 nicht erwiesen, haben diese doch nach den Feststellungen aus welchen Gründen immer den Abstellplatz Nummer 9 benützt. Der Kläger stellt zudem die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht in Frage, wonach es bei der Abtretung von Bestandrechten als Fall der Vertragsübernahme (vgl 1 Ob 152/02p; RIS-Justiz RS0033492; Würth aaO § 1098 Rz 14) der Übergabe des Bestandobjekts durch den früheren an den neuen Mieter zur Begründung von dessen Sachinnehabung bedarf. Nach den Feststellungen wurde der Kläger von seinem Rechtsvorgänger anlässlich des Vertragsabschlusses darauf verwiesen, dass seine frühere Mieterin den Abstellplatz Nummer 9 benützte. Dementsprechend hat auch der Kläger den Abstellplatz Nummer 9 benützt, ehe er nach einem Jahr Ansprüche auf den Abstellplatz Nummer 17 erhob. Dieser wird seit Anfang 2006 ausschließlich von den Beklagten benützt. Von einem Bestandrecht am Abstellplatz Nummer 17 hat der Kläger jedenfalls nie Gebrauch gemacht.
Es oblag dem Kläger, seinen aktuellen oder früheren Rechtsbesitz unter Beweis zu stellen (vgl SZ 21/32; 5 Ob 128/03i; Klicka/Reidinger aaO § 372 Rz 9). Indem das Berufungsgericht eine den Rechtsbesitz begründende Übergabe des Abstellplatzes an ihn und damit (implizit) das Gelingen dieses Beweises verneinte, ist ihm unter den festgestellten Umständen des konkreten Einzelfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen. Eine solche vermag der Kläger auch mit seinen auf eine „Übergabe durch Zeichen“ (vgl §§ 315, 427 ABGB) abzielenden Argumenten nicht aufzuzeigen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es dem Kläger an der Sachlegitimation für eine Klage nach § 372 ABGB mangle, steht mit der erörterten Rechtsprechung im Einklang. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher auch insoweit nicht vor.
III. Aus den dargelegten Gründen beruht die angefochtene Entscheidung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen.