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OGH vom 20.10.1964, 4Ob342/64

OGH vom 20.10.1964, 4Ob342/64

Norm

Urheberrechtsgesetz § 78;

Kopf

SZ 37/148

Spruch

Der Bildnisschutz nach § 78 UrhG. besteht auch dann, wenn die Gesichtszüge des Abgebildeten aus dem Bild nicht erkennbar sind, die Identität aber aus sonstigen Umständen, insbesondere aus dem Begleittext, hervorgeht.

Entscheidung vom , 4 Ob 342/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

In der Nr. 10 einer Wochenzeitung vom , deren Herausgeber und Verleger der Beklagte ist, ist unter dem Titel "K.s Exgemeindearzt verhaftet: Abtreibung und Scherze mit gezückter Pistole" und dem Titel: "Nach Verhaftung des Exgemeindearztes: in zwei Lager gespalten - Abtreibung und Scherze mit der gezückten Pistole" ein seitenlanger Artikel erschienen, in dem verschiedene gegen den Kläger gerichtete Beschuldigungen enthalten sind. Abgesehen von anderen Beschuldigungen, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, ist zu dem Artikel ein Bild veröffentlicht worden, das den Kläger - nach seiner Behauptung - auf Baumstämmen ruhend darstellt und unter dem sich der Text: "Schnappschuß eines liebevollen Freundes: Der Arzt ruht sich nach Zechgelage aus ..."

befindet.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Verbreitung von Bildnissen des Klägers auf eine Art, durch die sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, insofern zu unterlassen, als sie den Kläger im Freien schlafend darstellen; ferner begehrt der Kläger eine Entschädigung nach § 87 (2) UrhG. in der Höhe von 20.000 S. Der Beklagte hat eingewendet, daß das inkriminierte Bild eine auf Baumstämmen liegende menschliche Person darstelle, die nicht erkennbar sei. Es liege daher nicht ein Bildnis des Klägers im Sinne des § 78 UrhG. vor. Die vom Kläger verlangte Entschädigung sei unangemessen hoch. Das Bild sei den Reportern des Beklagten von der Gattin des Klägers übergeben worden. Hiezu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärt, daß in der Behauptung, die Reporter des Beklagten hätten das Bild von der Gattin des Klägers erhalten, noch nicht das Zugeständnis enthalten sei, daß es sich tatsächlich um eine Abbildung des Klägers handle.

Das Erstgericht hat ohne Aufnahme von Beweisen das Klagebegehren abgewiesen, weil der Kläger auf dem Bild nicht identifizierbar sei, somit die Voraussetzungen des § 78 UrhG. nicht gegeben seien.

Die Berufung des Klägers gegen das Ersturteil hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Richtig sei, daß es sich bei dem vorliegenden Bild um ein solches handle, bei dem die Gesichtszüge des Klägers nicht erkennbar seien, weil nur ein auf Baumstämmen liegender männlicher Körper dargestellt sei, doch sei aus dem Zusammenhang des Bildes mit der Unterschrift und dem übrigen Inhalt des Artikels klar, daß das Bild den Kläger darstellen solle. Es sei richtig, daß den Bildnisschutz grundsätzlich nur derjenige in Anspruch nehmen könne, der auf dem Bild erkennbar sei. Allein der Oberste Gerichtshof vertrete in ständiger Judikatur die Rechtsansicht, daß bei der Frage des Bildnisschutzes das Bild nicht allein zu betrachten sei, sondern die ganze Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Rahmen, in dem das Bild erscheine, wobei insbesondere auch der dem Bild beigegebene Text berücksichtigt werden müsse. Allerdings behandle keine der vom Berufungsgericht angeführten oberstgerichtlichen Entscheidungen einen Fall, daß der Abgebildete nicht erkennbar sei, doch sei dies für die Beurteilung der hier maßgeblichen Frage ohne Belang. Der Grundsatz, daß nicht allein das Bild, sondern auch der ihm beigegebene Text zu berücksichtigen sei, müsse erst recht bei der Auslegung des Begriffes Bild oder Bildnis im Sinne des § 78 UrhG. angewendet werden. Im vorliegenden Fall ergebe der begleitende Text eindeutig, daß mit dem Bild der Kläger dargestellt werden solle. Die Identifizierung sei aus dem Begleittext eindeutig möglich. Voraussetzung des Schutzes des § 78 UrhG. sei aber auch, daß die im Bild dargestellte Person nicht nur identifizierbar sei, sondern daß es sich tatsächlich um ein Bild des Klägers handle. Wenn es sich also um ein Bild des Klägers handle, also wirklich sein Körper aufgenommen wurde, sei nicht nur die Voraussetzung des § 78 UrhG., daß ein Bildnis einer Person vorliege, gegeben, sondern auch die weitere, daß berechtigte Interessen des Abgebildeten durch die Darstellung verletzt würden. Der Kläger werde auf Baumstämmen im Freien liegend dargestellt und im Begleittext angeführt, daß er sich nach einem Zechgelage ausruhe. Das Bildnis werde also auf eine Art benützt, die insbesondere für einen Arzt entwürdigend und herabsetzend wirke. Stelle das Bild den Kläger dar, so habe er einen Unterlassungsanspruch, aber auch einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 87 (2) UrhG., weil sich ein Verschulden des Beklagten schon eindeutig aus der Tathandlung ergebe. Der Beklagte habe nicht damit rechnen können, daß der Kläger mit der Veröffentlichung dieses Bildes und dem beigegebenen Text einverstanden sei, dies selbst dann nicht, wenn das inkriminierte Bild den Reportern des Beklagten von der Gattin des Klägers übergeben worden sein sollte. Da aber nicht feststehe, ob das Bild tatsächlich den Kläger darstelle, sei das Ersturteil zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung aufzuheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 78 (1) UrhG. muß es sich um ein Bildnis einer Person handeln. Den Begriff "Bildnis" einem "Porträt" gleichzusetzen, wie der Beklagte es wünscht, geht schon deshalb nicht an, weil der Gesetzgeber von dem noch im § 13 des UrhG. 1895, RGBl. Nr. 197, gebrauchten Ausdruck "Porträt" abgegangen ist. Auch der Auffassung des Beklagten, daß ein Bildnis im Sinne des § 78 UrhG. nur dann vorliege, wenn die Gesichtszüge des Abgebildeten erkennbar seien, entspricht weder dem Sprachgebrauch, noch ist sie im Gesetz begrundet. Auch die Abbildung eines Menschen, die ihn von rückwärts zeigt oder dessen Gesichtszüge durch irgendetwas verdeckt sind, ist deshalb noch immer ein Bild, ein Bildnis dieser Person. Dadurch aber, daß das Gesetz von "berechtigten Interessen des Abgebildeten" spricht, ist Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 78 UrhG., daß erkennbar ist, wer der Abgebildete ist, weil sonst ja nicht geprüft werden kann, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden. Daß die Person des Abgebildeten dem Bild selbst entnommen werden muß und daß nicht genügt, daß aus sonstigen Umständen, etwa dem beigegebenen Begleittext, entnommen werden kann, um wen es sich handelt, verlangt das Gesetz nicht. Der Oberste Gerichtshof tritt daher der zutreffenden Begründung des Berufungsgerichtes bei, daß nicht nur bei der Frage, ob durch die Verbreitung des Bildes berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (JBl. 1964 S. 423, GR 1961 S. 36, SZ. XXVIII 205), sondern auch bei der Frage, wer der Abgebildete ist, nicht nur das Bild für sich allein, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in den das Bild gestellt ist, zu berücksichtigen ist. Der Beklagte hat gegenüber den Lesern seiner Wochenzeitung unter Herabsetzung des Klägers behauptet, daß der Abgebildete der Kläger sei. Er muß daher auch im Rahmen der §§ 78 und 87 UrhG. dafür einstehen, wenn es sich tatsächlich um eine Abbildung des Klägers handeln sollte.