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OGH vom 18.12.2019, 5Ob181/19g

OGH vom 18.12.2019, 5Ob181/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Mag. Dr. A*****, wegen Bestellung eines Abwesenheitskurators, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin V***** AG, *****, vertreten durch die Themmer Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 341/19a-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Seit dem KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) ist die Bestellung eines Abwesenheitskurators gegenüber § 116 ZPO und § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG subsidiär (vgl dazu 10 Ob 9/15v). Dieser Grundsatz hat durch die Modernisierung des Kuratorenrechts mit dem 2. Erwachsenenschutzgesetz, BGBl I 2017/59, keine Änderung erfahren (RV 1461 BlgNR 25. GP 6 [Pkt 4.9], 47).

1.2 Nach § 277 Abs 1 Z 3 ABGB idF BGBl I 2017/59 ist für eine Person, die ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, weil sie abwesend ist, ein Kurator zu bestellen, wenn diese Angelegenheiten nicht durch einen anderen Vertreter wahrgenommen werden können und hierdurch die Interessen dieser Person gefährdet sind. Damit wird eine allgemeine Subsidiarität der Kuratorenbestellung angeordnet, wobei unter einem anderen Vertreter auch ein Kurator, der nach einer speziellen Rechtsgrundlage (etwa nach den Bestimmungen der ZPO oder des AußStrG) bestellt wird, zu verstehen ist (RV 1461 BlgNR 25. GP 47). Wie nach der Rechtslage vor dem 2. ErwSchG ist die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach dieser Gesetzestelle durch das Pflegschaftsgericht daher nicht zulässig, wenn etwa mit einem Zustellkurator nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG oder nach § 116 ZPO das Auslangen gefunden werden kann. Sie kommt daher nur dann in Betracht, wenn von vornherein feststeht, dass über das konkret zu führende (oder bereits anhängige) Verfahren hinaus weitere Angelegenheiten durch den Kurator zu besorgen sein werden (10 Ob 9/15v mwN).

2. Die zu § 116 ZPO ergangene Rechtsprechung gilt auch für die hier anzuwendende Bestimmung des § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG (vgl dazu RIS-Justiz RS0124758), nach der das Gericht für die Bestellung eines Kurators durch das Pflegschaftsgericht zu sorgen hat, wenn eine Partei unbekannten Aufenthalts ist und ohne einen solchen Vertreter die Partei oder ein Dritter in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt werden könnten. Grundsätzlich muss der Antragsteller auch in einem solchen Fall daher vorerst versuchen, den Aufenthalt des anderen Teils zu ermitteln, und die Vergeblichkeit dieses Versuchs, also seine unverschuldete Unkenntnis des Aufenthalts, dem Gericht bescheinigen. Eine Verpflichtung, umfangreiche Erhebungen anzustellen, kommt dabei regelmäßig jedoch nicht in Betracht (RS0036476; RS0049217 [T1]). Liegen aber die Voraussetzungen des § 277 ABGB idF BGBl I 2017/59 tatsächlich nicht vor, dann gilt weiterhin, dass die Kuratorbestellung und das in der Folge mit diesem durchgeführte Verfahren nichtig sind (RS0036484; vgl auch RS0107115).

3.1 Im vorliegenden Fall ist die Anschrift der Person, für die die Revisionsrekurswerberin (ausdrücklich) die Bestellung eines Kurators durch das Pflegschaftsgericht nach § 277 Abs 1 Z 3 ABGB anstrebt, bekannt. Die Antragstellerin verweist selbst auf deren Kenntnis von den gegen sie eingeleiteten Verfahren. Für eine Person bekannten Aufenthalts ist aber grundsätzlich kein Abwesenheitskurator zu bestellen, sofern die Zustellung an der bekannten Anschrift möglich ist (vgl RS0034200). Im Allgemeinen ist auch der Versuch zu unternehmen, an der bekannt gegebenen Adresse eine Zustellung im Rechtshilfeweg durchzuführen (vgl 1 Ob 109/17m). Das ist nach der Aktenlage bislang noch nicht erfolgt.

3.2 Nach § 277 Abs 1 Z 3 iVm Abs 3 ABGB ist im Interesse einer dritten Person ein Kurator zwar auch dann zu bestellen, wenn der Dritte ansonsten an der Durchsetzung seiner Rechte aus dem Rechtsverhältnis mit der abwesenden Person gehindert wäre. Darauf bezieht sich die Antragstellerin erkennbar, wenn sie geltend macht, dass ihrem Rechtsschutzanspruch in einem Exekutionsverfahren bzw in einem Insolvenzverfahren nicht entsprochen werde, vermag damit jedoch keine im Einzelfall (vgl dazu RS0036476 [T4]; RS0044088) aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzuzeigen.

3.3 Die Bestimmung des § 277 Abs 1 Z 3 iVm Abs 3 ABGB geht zwar insoweit über § 116 ZPO hinaus, als sie ausdrücklich auf ein „berechtigtes Interesse“ des Dritten an der Durchsetzung seiner Rechte abstellt (vgl zu § 270 ABGB aF: RS0049239 [T1]). Die Kuratorenbestellung zur Wahrung von Interessen dritter Personen soll aber grundsätzlich nur dann möglich sein, wenn dadurch ein gerechtfertigtes Interesse, nämlich die Ermöglichung der Rechtsdurchsetzung, verfolgt wird. Die Bestellung soll nicht dazu führen, dass in einem gerichtlichen Verfahren ein Titel erwirkt wird, dessen Durchsetzung von vornherein aussichtslos ist. Dies würde dem Interesse der dritten Person nicht zum Durchbruch verhelfen (RV 1461 BlgNR 25. GP 49). Inwieweit für die Durchsetzung ihrer Rechte die Einhaltung von Fristen unumgänglich wäre oder sonst mit der erforderlichen Auslandszustellung eine über die mit der Zeitverzögerung, die eine Zustellung im Rechtshilfeweg zwangsläufig mit sich bringt, hinausgehende Beeinträchtigung von berechtigten Interessen verbunden sein könnte, legt die Revisionsrekurswerberin nicht dar und ist auch nicht zu erkennen. Sie stützt sich lediglich darauf, dass ihrem Rechtsschutzanspruch nicht entsprochen werde, weil sich der „Abwesende“ an den Verfahren trotz (der auf informeller Verständigung beruhenden) Kenntnis nicht an diesen beteilige. Damit liegt auch keine im Einzelfall korrekturbedürftige Entscheidung vor, wenn das Rekursgericht die Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitskurators als (derzeit noch) nicht gegeben erachtete. Der Umstand, dass sich eine Partei, deren Anschrift bekannt ist und der Schriftstücke auch zugestellt werden könnten (was formwirksam mangels eines darauf gerichteten Antrags bislang noch nicht versucht wurde), nicht an einem Verfahren beteiligt, bietet nämlich noch keinen Anlass zur Bestellung eines Abwesenheitskurators. Eine sich nach wirksam erfolgter Zustellung passiv verhaltende Partei bedarf keines Kurators zur Wahrung ihrer Rechte; die berechtigten Interessen des Dritten sind in einem solchen Fall im Verfahrensrecht gewahrt (§ 98 ZPO iVm § 252 IO und § 98 ZPO iVm § 78 EO).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00181.19G.1218.000

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