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OGH vom 24.10.2019, 4Ob172/19a

OGH vom 24.10.2019, 4Ob172/19a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger und andere Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 48/19p-34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger sollte am in der Privatklinik der Beklagten wegen eines Zwerchfellbruchs operiert werden. Das anästhesiologische Aufklärungsgespräch fand am nach der Aufnahme gegen 7:00 Uhr statt. Die Frage nach Komplikationen bei früheren Narkosen beantwortete der Kläger mit „nein“. Er übergab der Anästhesistin jedoch seinen Anästhesiepass (aus September 2004), der folgenden Vermerk enthielt: „Intub.III. Nur fiberoptische Intub. möglich!!“. Der Kläger gab an, dass er eine Operation in Narkose wünsche, wies aber nicht darauf hin, dass eine fiberoptische Intubation im Wachzustand erfolgen solle. Ihm war bereits vor dem Aufklärungsgespräch bewusst, dass er schwer zu intubieren und daher eine Wachintubation ratsam ist.

Die Intubation des Klägers sollte in sediertem Zustand mittels Videolaryngoskopie vorgenommen werden. Dabei handelte es sich um die Methode erster Wahl bei einer schwierigen Intubation. Eine Wachintubation war objektiv nicht indiziert.

Mit der Operation wurde gegen 13:00 Uhr begonnen. Die Narkose gelang nicht; auch der nachfolgende Versuch einer fiberoptischen Intubation scheiterte. Aufgrund einer akuten Beatmungsproblematik musste eine Nottracheotomie vorgenommen werden. Wäre im Zuge der Allgemeinanästhesie anstelle des Videolaryngoskops eine flexible Fiberoptik verwendet worden, so hätte dieselbe Problematik auftreten können.

Der begehrte Schmerzengeld und stellte ein Feststellungsbegehren im Hinblick auf künftige Schäden.

Die wiesen das Klagebegehren ab. Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor. Das mit der Narkose für den Kläger konkret verbundene Risiko sei ihm vorher bewusst gewesen. Sein Vorwissen sei auch bei Beurteilung der Überlegungsfrist zu berücksichtigen. Im konkreten Anlassfall sei die Aufklärung rechtzeitig erfolgt.

In seiner steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass die ihm eingeräumte Überlegungsfrist nicht ausreichend gewesen sei. Da nicht jene Anästhesieform gewählt worden sei, die im Anästhesiepass angegeben werde, hätte ihm eine längere Überlegungsfrist eingeräumt werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Für den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist entscheidend, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung (Zustimmung zum Eingriff) maßgebenden Umstände erfährt, sodass er über eine ausreichende Entscheidungsgrundlage verfügt (8 Ob 27/17d). Die ärztliche Aufklärung hat im Allgemeinen so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, um das Für und Wider der beabsichtigten medizinischen Maßnahme abzuwägen (5 Ob 4/19b). Das Vorwissen des Patienten vor allem in Bezug auf die für ihn bestehenden besonderen Risiken ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen (vgl 1 Ob 215/11s). Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht und die Dauer der dem Patienten nach entsprechender Aufklärung durch den Arzt einzuräumenden Überlegungsfrist hängen jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab und begründen in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026529; RS0118651; 3 Ob 229/17y).

2. Der Kläger wusste über die beabsichtigte Intubation in Narkose Bescheid, äußerte hiergegen keine Einwände und bestand nicht auf einer Wachintubation. Ausgehend von den Feststellungen wurde er über die Narkosemöglichkeiten und die Auswahl der Methode objektiv richtig und ausreichend aufgeklärt. Dem für den Kläger besonderen Narkoserisiko hätte begegnet werden können, wenn er auf den ihm bekannten Umstand hingewiesen hätte, dass aufgrund seiner Vorgeschichte eine Wachintubation erfolgen solle. Dies hat der Kläger nicht nur verschwiegen, sondern die Frage nach Komplikationen bei früheren Narkosen mit „nein“ beantwortet.

Da eine Wachintubation objektiv nicht indiziert war und es sich bei der zunächst gewählten Methode um jene der ersten Wahl auch bei einer schwierigen Intubation gehandelt hat, musste der Kläger nach objektiven Gegebenheiten (ohne einen Hinweis durch ihn) nicht darüber aufgeklärt werden, dass keine Wachintubation erfolgt. Inwieweit eine in der außerordentlichen Revision argumentierte längere Überlegungsfrist zu einer Offenlegung der Notwendigkeit einer Wachintubation durch den Kläger geführt und sich daher auf die anästhesiologische Behandlung ausgewirkt hätte, legt der Kläger nicht dar.

3. Mit seinem Argument, dass mangels Wachintubation nicht jene Anästhesieform gewählt worden sei, die im Anästhesiepass angegeben werde, weicht der Kläger von den Feststellungen ab. Im Anästhesiepass war nur eine fiberoptische Intubation vermerkt, die beim Kläger (als zweiter Intubationsversuch) ebenfalls misslungen ist.

4. Die Vorinstanzen sind von den dargelegten Rechtsgrundsätzen zur ärztlichen Aufklärungspflicht nicht abgewichen. Das von ihnen erzielte Ergebnis, dass die anästhesiologische Aufklärung im konkreten Einzelfall rechtzeitig erfolgt sei, begründet keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00172.19A.1024.000

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Fundstelle(n):
KAAAD-49102