OGH vom 27.06.2002, 2Ob145/01i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Niederösterreich, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, dieser vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 107.392,91 (= S 1,477.758,67) über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 163/00b-81, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 23 Cg 126/95h-73, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die "ordentliche" Revision der klagenden Partei vom wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der "außerordentlichen" Revision der klagenden Partei Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (Abweisung des Teiles des Klagebegehrens von S 259.709,60 (= EUR 18.873,83) aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am ereignete sich ein Verkehrsunfall, an welchem Leopold H***** und ein von Ferdinand R***** gehaltener und gelenkter, bei der beklagten Partei haftpflichtversicherter PKW beteiligt waren. Das Alleinverschulden trifft den Versicherungsnehmer der beklagten Partei. Leopold H***** erlag am seinen Verletzungsfolgen. Er war psychiatrischer Krankenpfleger des NÖ Landeskrankenhauses Mauer-Amstetten und hinterlässt eine Witwe, geboren am , sowie drei Kinder.
Die klagende Partei begehrte mit ihrer am beim Erstgericht eingebrachten Klage Zahlung von S 589.496,80 als Ersatz für die an die Hinterbliebenen bis zum erbrachten Leistungen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Parte für jene Versorgungsleistungen, die die klagende Partei an die Hinterbliebenen künftig zu erbringen hat.
Mit - in dieser Beziehung - rechtskräftigem Urteil vom (ON 12) wurde die Ersatzpflicht der beklagten Partei für jene Versorgungsleistungen, die die klagende Partei den Hinterbliebenen künftig zu erbringen hat, festgestellt.
Im Übrigen wurde dieses Urteil im Umfang des Leistungsbegehrens aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen (ON 17). Nach Aufhebung einer weiteren klagestattgebenden Entscheidung des Erstgerichtes (ON 26) durch das Berufungsgericht (ON 36) dehnte die klagende Partei am ihr Begehren auf Ersatz der von ihr bis Dezember 1991 erbrachten Leistungen auf S 698.075,07 (ON 55), am weiters auf Ersatz ihrer erbrachten Leistungen bis Dezember 1995 auf S 1,218.075 (ON 60) aus. Am trat auf Grund einer an diesem Tag beim Erstgericht eingelangten Ruhensanzeige der Streitteile Ruhen des Verfahrens ein. Nach einem Fortsetzungsantrag der klagenden Partei vom (ON 67) erhob die beklagte Partei mit Schriftsatz vom (ON 69) den Einwand der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens.
Mit dem am beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz vom dehnte die klagende Partei ihr Begehren auf Ersatz der bis erbrachten Leistungen in Höhe von S 1,477.785,67 aus. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab.
Es stellte fest, dass die beklagte Partei im Zuge der Ruhensanzeige und auch in der Folge einen Verjährungsverzicht bis zum abgegeben habe. Danach seien keine Vergleichsgespräche geführt und auch kein weiterer Verjährungsverzicht geäußert worden. Der am bei Gericht eingelangte Fortsetzungsantrag bedeute keine gehörige Fortsetzung des Verfahrens, weshalb die bis dahin geltend gemachten Ansprüche (bis ) verjährt seien. Der Getötete wäre spätestens am in Pension gegangen. Ab diesem Zeitpunkt liege ein regressfähiger Schadenersatzanspruch der Witwe nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang eines Betrages von S 259.709,60, hob das Ersturteil im Umfang der Abweisung eines weiteren Betrages von S 1,218.075,07 auf und trug dem Erstgericht darüber eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Einen Ausspruch, dass der Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zulässig sei, nahm das Berufungsgericht nicht vor; allerdings fehlte ein Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gegen das Teilurteil.
Rechtlich erörterte das Berufungsgericht - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - unter Bezugnahme auf die unstrittigen Urkunden, der von der beklagten Partei letztlich bis zum abgegebene Verjährungsverzicht habe sich nur auf die ursprünglich geltend gemachte Forderung von S 1,218.075,07, nicht aber auch auf die mit Schriftsatz vom um S 259.709,60 ausgedehnte Forderung von S 1,477.785,67 bezogen. Das Verfahren sei hinsichtlich der ursprünglichen Forderung gehörig fortgesetzt worden. Was den Betrag von S 259.709,60 betreffe, sei zu berücksichtigen, dass die beklagte Partei diesbezüglich nur einen Verjährungsverzicht bis zum abgegeben habe. Wenn die klagende Partei den Anspruch auf Ausdehnung des Klagebegehrens ernsthaft hätte verfolgen wollen, hätte sie mit der beklagten Partei über diesen auszudehnenden Anspruch konkrete Vergleichsgespräche führen oder doch das Verfahren fortsetzen müssen. Ihre Untätigkeit vom bis zum sei als ungewöhnlich lange anzusehen, weswegen hinsichtlich dieses Anspruches durch das Ruhen des Verfahrens Verjährung eingetreten sei.
Nach Zustellung des Berufungsurteils am erhob die klagende Partei am "außerordentliche" Revision mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht sprach - nach dem Auftrag des Obersten Gerichtshofes vom - aus, dass die ordentliche Revision (gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung) zulässig sei, weil der Frage, ob die Geltendmachung weiterer wiederkehrender Leistungen nach einem Feststellungsurteil dadurch beeinflusst werde, dass die Parteien in der Verhandlung über das Gesamtausmaß des Schadens einen befristeten Verjährungsverzicht vereinbart hätten und die weiteren Ansprüche von der klagenden Partei erst verhältnismäßig spät geltend gemacht worden seien, erhebliche Bedeutung zukomme. Dieser Beschluss wurde den Streitteilen am zugestellt, worauf die klagende Partei am neuerlich eine inhaltsgleiche, als ordentliche Revision bezeichnete Revision erhob. Die von der klagenden Partei erhobene zweite "ordentliche Revision" ist unzulässig, weil sie dem Gebot der Einmaligkeit des Rechtsmittels widerspricht, zumal die klagende Partei ohnehin bereits eine Revision erhoben hatte und der Auftrag des Obersten Gerichtshofs zur Nachholung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision nur der Klarstellung diente, ob das bereits eingebrachte Rechtsmittel als ordentliches oder außerordentliches zu behandeln ist. Die ursprüngliche als "außerordentliche" bezeichnete, zufolge des nachfolgenden Zulassungsausspruchs als ordentliche Revision zu behandelnde Revision ist im Sinne des primär gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem im Revisionsverfahren geltend gemachten Betrag verfolgt die klagende Partei den Regress von ihr in der Zeit vom bis den Hinterbliebenen erbrachter Versorgungsleistungen, somit wiederkehrender Leistungen im Sinne des § 1480 ABGB. Zuvor ist festzuhalten, dass mit Schreiben der beklagten Partei vom auf den Einwand der Verjährung bis zum (später verlängert bis zum ) verzichtet wurde und am Ruhen des Verfahrens infolge einvernehmlicher Ruhensanzeige eintrat. Der Verjährungsverzicht bezog sich aber nur auf die bis dahin fälligen Forderungen der klagenden Partei, nicht aber auf die noch nicht fälligen Forderungen. Zu diesem Zeitpunkt waren Regressforderungen der klagenden Partei aus Leistungen an die Hinterbliebenen bis einschließlich Jänner 1997 fällig. Gerichtlich geltend gemacht waren allerdings nur Forderungen der klagenden Partei bis im Gesamtbetrag von S 1,218.075,07 (AS 387). Die Ausdehnung des Klagebegehrens auch auf Leistungen der klagenden Partei ab Jänner 1996 erfolgte erst mit Schriftsatz vom (ON 70).
Zutreffend hat daher das Berufungsgericht zunächst erkannt, dass die klagende Partei verhalten gewesen wäre, ihre ab Jänner 1996 fällig gewordenen Ansprüche innerhalb der Verjährungsfrist zu verfolgen. Da der Verjährungsverzicht soweit er sich überhaupt auf die von Jänner 1996 bis Jänner 1997 fällig werdenden Forderungen bezogen hatte bis zum befristet war, und die Fortsetzung des Verfahrens erst am (ON 67) beantragt wurde, kann sich die klagende Partei in Ansehung des sich aus diesem Zeitraum ergebenden Anspruchs nicht mit Erfolg darauf berufen.
Bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts wurde aber von den Vorinstanzen offensichtlich übersehen, dass zu Gunsten der klagenden Partei ein rechtskräftiges Feststellungsurteil über die Ersatzpflicht der beklagten Partei für jene Versorgungsleistungen, die die klagende Partei den Hinterbliebenen künftig zu erbringen hat, vorliegt. Werden in einem Schadensfall Rentenbeträge begehrt, so unterbricht das gleichzeitig erhobene Feststellungsbegehren die Verjährung aller im Zeitpunkt der Klage noch nicht fälligen und daher zukünftigen Rentenansprüche, weshalb eine Ausdehnung der Klage auf während des Prozesses fällig werdende Schadensbeträge auch dann möglich ist, wenn die ursprüngliche Verjährungsfrist des § 1489 ABGB schon abgelaufen wäre (RIS-Justiz RS0034371), doch verjähren auch bei Vorliegen eines Feststellungsurteiles später fällig werdende wiederkehrende Leistungen innerhalb der kurzen Frist des § 1480 ABGB (Mader in Schwimann, ABGB2 Rz 21 zu § 1478; SZ 67/135). Bei Ausdehnung des Klagebegehrens auf S 1,477.785,67 wurden dem Schriftsatz der klagenden Partei vom (ON 70) zufolge die jährlich erbrachten Leistungen ab dem Jahre 1996 geltend gemacht. Danach sind aber die innerhalb der letzten drei Jahre vor der Ausdehnung des Klagebegehrens erbrachten und fällig gewordenen Rentenleistungen noch nicht verjährt, wohl aber die davor fällig gewordenen Leistungen, also jene, die von bis April 1997 entstanden sind. Soweit in der Berufungsentscheidung darauf abgestellt wird, anlässlich der Abgabe des Verjährungsverzichts bis zum sei nur von den damals geltend gemachten Ersatzforderungen die Rede gewesen, weshalb sich der Verzicht nur auf diese Forderung, nicht aber auch auf die später geltend gemacht bezogen haben könne, wird dabei übersehen, dass ein großer Teil der mit der Ausdehnung des Klagebegehrens geltend gemachten Ersatzforderungen erst nach diesem Zeitpunkt entstanden und fällig geworden ist.
Welcher Teil des Ausdehnungsbetrages (S 259.709,60) auf die noch nicht verjährten Forderungen, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Ausdehnung entstanden und fällig geworden sind, entfällt, kann mangels Aufschlüsselung nicht gesagt werden. Das Erstgericht wird diesen Umstand mit den Parteien zu erörtern haben und dann die bereits vorher entstandenen, jedenfalls bereits verjährten Forderungen abzuweisen haben.
Es mag zutreffen, dass zwischen den Streitteilen über die Möglichkeit einer Globalabfertigung verhandelt wurde, doch hindert dies die klagende Partei nicht, ihre später fällig werdenden wiederkehrenden Forderungen innerhalb der Verjährungsfrist gerichtlich geltend zu machen.
Zur Argumentation des Erstgerichtes, für den Zeitraum ab bestehe kein Regressanspruch der klagenden Partei, weil der Getötete ab diesem Zeitpunkt seine Alterspension angetreten hätte und auch kein regressfähiger Schadenersatzanspruch der Witwe bestehe, ist allerdings auszuführen, dass der geltend gemachte Ersatzanspruch der klagenden Partei auf dem entgangenen Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen beruht, der gemäß § 51 Abs 1 der NÖ Dienstpragmatik der Landesbeamten auf die klagende Partei übergegangen ist, soweit sie Leistungen nach dem Gesetz erbringt. Dieser - entgangene - Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen endet aber nicht mit dem fiktiven Pensionsantritt, sondern einerseits (hinsichtlich der Witwe) mit dem fiktivem Lebensende des Unterhaltspflichtigen bzw andererseits (hinsichtlich der Kinder) mit Erlöschen der Unterhaltspflicht wegen Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder. Soweit daher die klagende Partei dem Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen kongruente Leistungen zu erbringen hat, sind diese bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Getötete nach allgemeiner Lebenserwartung gestorben wäre, zu ersetzen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Fundstelle(n):
CAAAD-49080