OGH vom 08.11.2005, 4Ob172/05f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kammer der Wirtschaftstreuhänder, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Romana T*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 111/05i-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 1 Cg 33/05f-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat sie endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin wurde zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder errichtet (§ 145 Abs 1 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, WTBG). Ihr Wirkungsbereich umfasst ua die Vertretung und Förderung von Interessen, Rechten und Angelegenheiten der Gesamtheit ihrer Mitglieder (§ 146 Abs 2 Z 1 WTBG). Ordentliche Mitglieder der Klägerin sind alle jene, die durch Bestellung oder Anerkennung zur selbstständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs berechtigt sind (§ 163 Abs 2 WTBG). Wirtschaftstreuhandberufe sind die freien Berufe des Wirtschaftsprüfers, des Buchprüfers, des Steuerberaters und des Selbstständigen Buchhalters (§ 1 WTBG). Der Berechtigungsumfang dieser Berufe sowie die den zu ihrer Ausübung Berechtigten vorbehaltenen Tätigkeiten sind in den §§ 2 bis 5 WTBG geregelt.
Die Beklagte war nie Mitglied der Klägerin. Sie besitzt keine Berechtigung zur Ausübung eines der in den §§ 2 bis 5 WTBG genannten Berufe, jedoch eine Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe der Buchhaltung (§ 94 Z 9 GewO). Einer solchen Berechtigung bedarf es nach § 102 Abs 1 GewO für die pagatorische Buchhaltung (Geschäftsbuchhaltung) einschließlich der Lohnverrechnung und der Erstellung der Saldenlisten für Betriebe sowie der Einnahmen- und Ausgabenrechnung im Sinn des § 4 Abs 3 EStG. Gewerbliche Buchhalter sind weiters zur Vertretung und zur Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen einschließlich der zusammenfassenden Meldungen, zur Akteneinsicht auf elektronischem Weg bei den Finanzbehörden und zur kalkulatorischen Buchhaltung berechtigt (§ 102 Abs 1 zweiter Satz GewO idFd Gewerberechtsnovelle 2005 BGBl I 2005/85).
In der von der Wirtschaftskammer Österreich betriebenen und von jedermann abrufbaren Firmendatenbank bietet die Beklagte unter der Überschrift „Mein Marktplatz" die Lohn- und Gehaltsverrechnung jeder Branche, Steuertipps, Arbeitnehmerveranlagungen ... an und verweist auf einen namentlich genannten Topkunden, für den sie die gesamte steuerliche Beratung übernommen habe. Auf ihrer Homepage bietet die Beklagte unter anderem Auskunft in „Fragen des Arbeitsrechts, Sozialversicherung, Lohn- und Einkommensteuer" an. Die über die Homepage abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lauten in ihrem Punkt 3. (der Präambel) wie folgt: „Der GBH ist berechtigt, den Dienstleistungs-/Beratungsauftrag durch sachverständige, unselbstständig beschäftigte Mitarbeiter oder gewerbliche/freiberufliche Kooperationspartner (ganz oder teilweise) durchführen zu lassen. Die Mitarbeit spezialisierter Kollegen ist schriftlich zu vereinbaren." Nach dem von der Wirtschaftskammer Österreich (Fachverband Unternehmensberatung und Informationstechnologie) im Mai 2004 herausgegebenen, der Beklagten bekannt gewesenen „offiziellen österreichischen Berufsbild der gewerblichen Buchhalter" ist folgende Leistung im Berechtigungsumfang gemäß § 102 GewO für gewerbliche Buchhalter noch nicht enthalten: ... Die Vertretung von Kunden in Abgabeverfahren und bei Erklärungen vor Behörden wie z. B. Finanzamt und Sozialversicherung.
Die Beklagte erstellte im Februar 2004 über Ersuchen zweier Personen deren Arbeitnehmerveranlagung bzw deren Einkommensteuererklärung, wobei sie jeweils unter der Rubrik „steuerliche Vertretung" ihren Namen samt Kanzleianschrift und Kontaktmöglichkeiten eintrug. Ferner stellte sie im April 2004 für eine der beiden Personen „namens und auftrags meines Klienten" beim Finanzamt einen Antrag auf Rückerstattung des Einkommensteuerguthabens 2003, wobei sie auf eine schriftliche Vollmacht verwies, die ihr die Antragstellerin „zur Vertretung in ... Steuerangelegenheiten beim Wohnsitz- und Betriebsfinanzamt" erteilte hätte. Dass die Klägerin oder eines ihrer Mitglieder eine der beiden von der Beklagten vertretenen Personen ersucht oder gedrängt hätte, diese zu veranlassen, für sie die Arbeitnehmerveranlagung oder Einkommensteuererklärung zu erstellen, steht nicht fest.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, solange sie nicht über die entsprechende Berechtigung verfügt, die Erstellung der Arbeitnehmerveranlagung, die Erstellung der Einkommenssteuererklärung und die Vertretung in Abgabeverfahren, also Dienstleistungen, die gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Z 3 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufen vorbehalten sind, zu erbringen sowie die Erstellung der Arbeitnehmerveranlagung und die Erteilung von Steuertipps sowie die Beantwortung von Fragen zur Lohn- und Einkommensteuer, also Dienstleistungen, die gemäß § 3 Abs 1 Z 1 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind, anzubieten. Die Beklagte biete den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltene Leistungen an und erbringe sie, indem sie Steuerpflichtigen die Erstellung der Arbeitnehmerveranlagung sowie Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts offeriere, diese Dienstleistungen auch durchführe und die Erstellung der Einkommensteuererklärung und die Vertretung vor Behörden in Abgabeverfahren übernehme. Sie habe für eine bestimmte Person die Arbeitnehmerveranlagung erstellt und sich hiebei im dafür verwendeten Formular in die Rubrik „steuerliche Vertretung" eingetragen. Sie biete die Erstellung von Arbeitnehmerveranlagungen auch in der Firmendatenbank der Wirtschaftskammer Österreich an. Weiters habe sie für eine bestimmte Person die Einkommensteuererklärung erstellt und sich hiebei wiederum in die Rubrik „steuerliche Vertretung" eingetragen, für die Genannte außerdem einen Antrag auf Rückerstattung eines Steuerguthabens an das Finanzamt gestellt und dabei auf eine ihr erteilte, bereits überreichte Vollmacht verwiesen. Sie biete „Steuertipps", also steuerliche Beratung, an. Das Verhalten der Beklagten sei wegen Verstoßes gegen das WTBG und gegen § 102 GewO als sittenwidriger Rechtsbruch nach § 1 UWG zu qualifizieren. Das Auftreten der Beklagten im geschäftlichen Verkehr sei auch geeignet, das angesprochene Publikum über ihren wahren Berechtigungsumfang zu täuschen, und damit irreführend im Sinne des § 2 Abs 1 UWG.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Klageführung basiere auf einer „Lockspitzel-Aktion". Sie habe lediglich ihre Adresse im Feld „steuerliche Vertretung" als Zustelladresse angegeben. Für die genannten Personen habe sie nur deshalb Leistungen erbracht, weil sie in sittenwidriger Weise dazu angestiftet worden sei. Im Übrigen erstelle sie - mit wenigen Ausnahmen, wie etwa für Familienangehörige - nie Arbeitnehmerveranlagungen, es komme nur vor, dass sie dabei helfe oder unterstütze. Dies sei einem gewerblichen Buchhalter nicht verboten. Sie habe auch niemanden vor Behörden im Sinn eines aktiven Auftretens für die Partei vertreten, sondern nur eine Zustelladresse bekannt gegeben. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung, der Unterlagen der Wirtschaftskammer, der Liberalisierung im Gewerberecht und der dieser zugrundeliegenden Absicht des Gesetzgebers seien die beanstandeten Leistungen von der Gewerbeberechtigung der Beklagten umfasst. Zumindest handle es sich aber bei dieser Einschätzung der Beklagten um eine vertretbare Rechtsansicht, die eine sittenwidrige Rechtsverletzung mit Wettbewerbsabsicht ausschließe.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung mit Ausnahme des Verbots des Anbietens der Beantwortung von Fragen zur Lohn- und Einkommensteuer; die Abweisung dieses Teilbegehrens blieb unbekämpft. Die Erstellung von Steuererklärungen und Arbeitnehmerveranlagungen zähle nicht zum Tätigkeitsbereich des gewerblichen Buchhalters, was der Beklagten bewusst gewesen sei. Auch zur Vertretung ihrer Auftraggeber vor Behörden sei sie nicht berechtigt. Sie biete öffentlich die Erteilung von „Steuertipps" an, was geeignet sei, von einem nicht unbeträchtlichen Teil des angesprochenen Publikums im Sinn einer die Vorschriften des Abgabenrechts wie auch die eigenen wirtschaftlichen Interessen beachtende Beratung und Unterstützung verstanden zu werden, die vom Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt als Grundlage für die Bemessung der zu entrichtenden Abgaben herangezogen werden könne. Dieses Verständnis der Dienstleistung „Steuertipps" entspreche der den Steuerberatern vorbehaltenen Tätigkeit der Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts (§ 3 Abs 1 Z 1 WTBG).
Das Rekursgericht bestätigt die einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung des Berechtigungsumfangs des gewerblichen Buchhalters von den Vorbehaltstätigkeiten der §§ 2 bis 5 WTBG bestehe. Das Anbieten und Erbringen der Tätigkeiten, die Wirtschaftstreuhandberufen vorbehalten seien, durch einen gewerblichen Buchhalter erwecke bei den angesprochenen Interessenten den Eindruck, man brauche dazu keinen Steuerberater oder sonst zur selbstständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs Berechtigten. Dass jemand, der im geschäftlichen Verkehr (gewerbsmäßig) die Erstellung von Arbeitnehmerveranlagungen und Einkommensteuererklärungen sowie die Vertretung im Abgabeverfahren und die abgabenrechtliche Beratung anbiete, über ausreichende Kenntnis verfüge, wolle der Gesetzgeber dadurch sicherstellen, dass er diese Tätigkeiten den zur Ausübung bestimmter Berufe Berechtigten vorbehalte, welche die dafür aufgestellten Zugangsvoraussetzungen erfüllten. Die mangelnde Berechtigung gewerblicher Buchhalter zur Vertretung ihrer Auftraggeber vor Behörden ergebe sich ausdrücklich und unmissverständlich aus dem Gesetz (§ 102 Abs 1 GewO). Dies gehe auch aus den vom einschlägigen Fachverband der Wirtschaftskammer Österreich herausgegebenen, der Beklagten bekannten „offiziellen österreichischen Berufsbild der gewerblichen Buchhalter" als auch aus einer 2004 von derselben Organisation herausgegebenen Rechtsinformation hervor. Zu einer Beratungstätigkeit sei der gewerbliche Buchhalter nur im Rahmen der Leistungen berechtigt, die er erbringen dürfe, also bezüglich der pagatorischen Buchhaltung (einschließlich Lohnverrechnung und Erstellung von Saldenlisten) und der Einnahmen- und Ausgabenrechnung (einschließlich der in ihrem Rahmen erfolgenden Bilanzerstellung). Aus den allgemeinen Schlagworten „historische Entwicklung" und „Liberalisierung der Gewerbeordnung" lasse sich nichts Konkretes gewinnen. Es fehle daher an einem hinreichenden Substrat, aus dem abzuleiten wäre, dass ein gewerblicher Buchhalter Arbeitnehmerveranlagungen und Einkommensteuererklärungen erstellen sowie „Steuertipps" erteilen dürfe, also Dienstleistungen erbringen, welche abgabenrechtliche Kenntnisse erfordern. Mit ihrer Argumentation, sie erstelle normalerweise weder Arbeitnehmerveranlagungen oder Einkommensteuererklärungen noch schreite sie als „steuerliche Vertretung" ein, sondern habe sich dazu nur über besonderes Drängen bereit erklärt, habe die Beklagte ihr Unrechtsbewusstsein eingestanden. Der Erwerb oder Besitz eines Fachwissens für sich allein berechtige noch nicht dazu, einschlägige Berufe auszuüben, für die spezielle Zugangsvoraussetzungen bestünden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Unterlassungsbegehren stellt nicht auf einen Verstoß gegen § 2 UWG, sondern auf die Verletzung des beruflichen Vorbehaltsbereich der Mitglieder der Klägerin ab; der Beklagten soll untersagt werden, bestimmte Leistungen zu erbringen oder anzubieten, die nach berufsrechtlichen Bestimmungen den Wirtschaftstreuhändern vorbehalten sind. Soweit das Erlangen eines sittenwidrigen Vorsprungs im Wettbewerb durch Rechtsbruch geltend gemacht wird, kommt es allein darauf an, welche Tätigkeit die Beklagte tatsächlich ausübt und nicht darauf, welchen Eindruck allenfalls das Publikum von ihrer Tätigkeit gewinnen kann (4 Ob 154/04g = ÖBl 2005/114 - Gewerberechtlicher Buchhalter).
Fest steht, dass die Beklagte nicht nur eine Arbeitnehmerveranlagung und eine Einkommensteuererklärung erstellt und Steuerpflichtige in Abgabeverfahren gegenüber dem Finanzamt vertreten hat, sondern darüber hinaus die Erstellung der Arbeitnehmerveranlagung sowie die Erteilung von „Steuertipps" im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit anbietet.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 4 Ob 154/04g festgehalten, dass die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall eine erfolgversprechende Steuerrechtsfrage oder eine solche von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt oder nicht, als „Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts" (§ 3 Abs 1 Z 1 WTBG) in den geschützten Tätigkeitsbereich der zur selbstständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufs „Steuerberater" Berechtigten fällt, und einem Verein, dessen Präsident (nur) eine Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe der Buchhaltung nach § 94 Z 9 GewO hat, verboten, mit der Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der Rechnungslegung eine Dienstleistung anzubieten, die gemäß § 3 Abs 1 Z 1 WTBG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten ist. Weiters wurde zu 4 Ob 248/04f (= MR 2005, 195 - Unternehmensberater II) einem Unternehmensberater und gewerblichen Buchhalter die Vertretung von Personen im Abgabenverfahren außerhalb der Befugnis gemäß § 36 Abs 3 GewO, also die Erbringung von Dienstleistungen, die gemäß § 3 Abs 1 Z 3 WBTG den Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe vorbehalten sind, verboten, solange er nicht über die entsprechende Berechtigung verfügt. Es ist also bereits klargestellt, dass die Befugnisse eines gewerblichen Buchhalters weder die Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der Rechnungslegung noch die Vertretung in Abgabeverfahren umfassen, weshalb die Beklagte weder zur gewerbsmäßigen (allgemeinen) Beratung in Steuerangelegenheiten (Erteilung von „Steuertipps") noch zur Vertretung von Abgabepflichtigen gegenüber dem Finanzamt berechtigt ist (Antrag auf Rückerstattung eines Steuerguthabens in Vertretung des Abgabepflichtigen). Sowohl das tatsächliche Erbringen dieser Leistungen als auch deren Anbieten, dass gemäß § 1 Abs 4 zweiter Satz GewO der Ausübung des Gewerbes gleichzuhalten ist, verstößt daher im Sinn der Erlangung eines Vorsprungs im Wettbewerb durch Rechtsbruch gegen § 1 UWG.
Es trifft zwar zu, dass auf eine Änderung der Rechtslage in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen ist, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind (4 Ob 106/94 = SZ 67/161 uva; RIS-Justiz RS0031419), und wegen des in die Zukunft wirkenden Unterlassungsbegehrens die mittlerweile eingetretene Änderung im Befugnisumfang des gewerblichen Buchhhalters (Inkrafttreten mangels anders lautender Übergangsbestimmung mit Kundmachung der Gewerberechtsnovelle 2005, BGBl I 2005/85 am ) zu berücksichtigten ist, auch nach der neuen Rechtslage kommt aber dem gewerblichen Buchhalter kein Recht der umfassenden Vertretung abgabenpflichtiger gegenüber den Abgabenbehörden zu. Lediglich in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen einschließlich der zusammenfassenden Meldungen kommt gewerblichen Buchhaltern nunmehr das Recht der Vertretung und zur Abgabe von Erklärungen zu, darüber hinaus dürfen sie auf elektronischem Weg bei den Finanzbehörden Akteneinsicht nehmen (§ 102 Abs 1 zweiter Satz GewO idgF). Die Erweiterung der Befugnisse der gewerblichen Buchhalter erfasst daher nur einen eng abgegrenzten Bereich abgabenrechtlicher Beratung und Vertretung, der mit den im vorliegenden Fall beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten (Erstellung von Arbeitnehmerveranlagungen und Einkommensteuererklärungen, Erteilung von „Steuertipps" sowie Vertretung Einkommensteuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt) nichts zu tun hat. Die Fassung des Unterlassungsbegehrens (... solange sie nicht über die entsprechende Berechtigung verfügt ...) berücksichtigt im Übrigen ohnehin eine Änderung des Berechtigungsumfangs der Beklagten als gewerbliche Buchhalterin durch Ausweitung der gesetzlichen Befugnisse (Vertretung und Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen sowie Akteneinsicht auf elektronischem Weg). Allfällige weitere Änderungen des Befugnisumfangs - sei es aufgrund gesetzlicher Änderungen, sei es aufgrund weiterer von der Beklagten erworbener Befugnisse - führen daher gleichfalls nicht dazu, dass das von der Beklagten bekämpfte Unterlassungsgebot auch Handlungen der Beklagten erfassen könne, zu deren Vornahme sie berechtigt ist.
Weder die von der Beklagten unter Berufung auf § 29 GewO zur Auslegung des Umfangs der Gewerbeberechtigung herangezogene Anschauung der beteiligten gewerblichen Kreise (Informationen des Fachverbands Unternehmensberatung und Informationstechnologie) noch die in § 32 Abs 1 Z 1 GewO genannten Nebenrechte lassen den der Beklagten vorgeworfenen Eingriff in den Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuhandberufe gerechtfertigt erscheinen. Die veröffentlichte Fragenbeantwortung (gewerbliche Buchhalter - wer kennt sie wirklich?) lässt in keiner Weise eine Auffassung des Fachverbands Unternehmensberatung und Informationstechnologie in der Wirtschaftskammer Österreich dahin erkennen, dass die der Beklagten vorgeworfenen Tätigkeiten (Beratung in Einkommensteuerfragen sowie Vertretung im Abgabeverfahren) von der Befugnis des gewerblichen Buchhalters (mit-)umfasst wären. Als zusätzliche Dienstleistung wird etwa auf Dienstleistungen aus dem Fachbereich der Informationstechnologie, Unternehmensberatung oder Schreibbüro verwiesen, keineswegs aber etwa auf allgemeine Vertretung in Abgabeverfahren. Die Befugnis, alle Vorarbeiten und Vollendungsarbeiten auf dem Gebiet anderer Gewerbe vorzunehmen, die dazu dienen, die Produkte sowie Dienstleistungen absatzfähig zu machen, sowie in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen, bezieht sich auf andere Gewerbe, nicht aber auf Tätigkeiten, die ausdrücklich freien Berufen mit besonderer fachlicher Qualifikation vorbehalten sind. Im Hinblick auf den gesetzlich geregelten Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuhandberufe kommt Inhalt und Umfang der Ausbildung der gewerblichen Buchhalter im Allgemeinen sowie der Beklagten im Besonderen solange keine Bedeutung zu, als sie die für die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die Argumentation der Beklagten mit der (zukünftigen) Absicht des Gesetzgebers, die Befugnisse der gewerblichen Buchhalter jenen der selbstständigen Buchhalter nach § 2 WTBG anzunähern, versagt angesichts des klaren Gesetzeswortlauts des § 102 Abs 1 GewO, der die Befugnisse des gewerblichen Buchhalters abgrenzt. Abgesehen davon betrifft der von der Klägerin erhobene Vorwurf, die Beklagte greife in den Vorbehaltsbereich der Wirtschaftstreuhandberufe ein, vor allem den Vorbehaltsbereich des Steuerberaters (§ 3 Abs 1 WTBG; Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts sowie die [uneingeschränkte] Vertretung in Abgabeverfahren) und nicht jenen des selbstständigen Buchhalters.
Wenn die Beklagte abschließend die ihr vorgeworfene Vertretung in Abgabeverfahren im Sinn einer aktiven Vertretung in Abrede zu stellen versucht, entfernt sie sich von dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, handelt es sich doch bei Antragstellung im Namen des Abgabepflichtigen sowie der Nennung als „steuerliche Vertretung" zweifellos um eine Vertretungstätigkeit im Sinn eines Einschreitens gegenüber der Abgabenbehörde.
Das Eingehen auf die Rüge der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung ist dem Obersten Gerichtshof im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls verwehrt.
Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.