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OGH vom 21.02.2017, 4Ob171/16z

OGH vom 21.02.2017, 4Ob171/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers W*****verband *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Beklagte H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Hudelist/Primig Rechtsanwälte OG in Feldkirchen, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.500 EUR), über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 48/16t30, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 22 Cg 37/15f26, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der klagende Verband nimmt das beklagte Unternehmen nach §§ 1 und 2 UWG auf Unterlassung und Veröffentlichung in Anspruch und begehrt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte bestreitet unter anderem die Aktivlegitimation des Klägers nach § 14 UWG.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mangels Aktivlegitimation des Klägers ab; das Rekursgericht bejahte diese, hob den erstgerichtlichen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Sicherungsantrag nach Verfahrensergänzung (Aufnahme der geführten Bescheinigungsmittel) auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es mangels gefestigter Rechtsprechung, unter welchen Umständen eine rechtsmissbräuchliche Klageführung von Verbänden (§ 14 UWG) vorliege, zu und sprach nachträglich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands je Teilbegehren 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

Dagegen richtet sich der – vom Kläger beantwortete – Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Gemäß § 14 Abs 1 UWG kann der Anspruch auf Unterlassung in den Fällen der §§ 1, 1a, 2, 2a, 3, 9c und 10 UWG auch von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern geltend gemacht werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlungen berührt werden. Voraussetzung der Aktivlegitimation ist daher, dass es sich einerseits um Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern handelt und andererseits diese Interessen der vertretenen Unternehmer durch die beanstandete unlautere Wettbewerbshandlung berührt werden. Eine konkrete Verletzung eines vertretenen Unternehmers ist hierbei nicht erforderlich, sondern es reicht die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der von der Vereinigung vertretenen Interessen aus. Es genügt für die Legitimation eines Verbands, dass unter seinen Mitgliedern überhaupt Mitbewerber des Beklagten sind oder dass der Verband die durch die Handlung berührten Interessen durch außergerichtliche Aktivitäten fördert. Der auf Unterlassung klagende Verband muss im Fall substanziierter Bestreitung seiner Klagebefugnis deren Voraussetzungen im Prozess beweisen. Die beanstandeten Wettbewerbshandlungen müssen in den satzungsgemäßen Zweck des Verbands eingreifen, also die vom Verband zu vertretenden wirtschaftlichen Interessen berühren (4 Ob 161/15b mwN).

2. Das Rekursgericht hat zu den Tätigkeiten des klagenden Verbands zur Förderung der gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder als bescheinigt erachtet, dass er über ein von ihm angestrengtes Verfahren wegen Wettbewerbsverstößen auf seiner Website informierte und dass darauf auch über ein Seminar berichtet wurde, bei welchem der Verbandsanwalt einen Vortrag über Wissenswertes und Praktisches zum Thema Lebensmittelrecht im Zusammenhang mit Wettbewerbsrecht abgehalten hat, und weiters, dass er in einer Wirtschaftszeitung inserierte, dass er einen Wettbewerbssprechtag abhalte und dort kostenlose Erstberatung in Fragen des Wettbewerbsrechts vornehme. Zu den Mitgliedern des Klägers stellte das Rekursgericht fest, dass eine Interessengemeinschaft, deren ordentliche bzw außerordentliche Mitglieder in der selben Branche wie die Beklagte tätig seien, zu seinen Mitgliedern zähle.

3. Der Kläger hat somit nicht nur eines von zwei für die Aktivlegitimation nach § 14 UWG gemäß der oben zitierten Rechtsprechung ausreichenden Kriterien (Förderung der Mitgliederinteressen durch außergerichtliche Aktivitäten oder Vertretung von Mitgliedern aus der Branche der Beklagten) bescheinigt, sondern beide. Es ist zwar zutreffend, dass die Bescheinigung zu beiden Aspekten an der Grenze des Erforderlichen liegt, zumal weder ein großer Umfang an Förderaktivitäten, noch eine größere Anzahl von branchenspezifischen Mitgliedern bescheinigt wurde. Zum letzten Punkt wurde bloß bescheinigt, dass eine Interessengemeinschaft mit (im Hinblick auf die Beklagte) branchenspezifischen Mitgliedern außerordentliches Mitglied des Klägers ist.

Die Annahme der Erfüllung dieser Mindestkriterien hält sich aber noch im Rahmen der oben zusammengefassten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die Aktivlegitimation des Klägers bescheinigt sei, ist somit nicht korrekturbedürftig. Schließlich ist dem Gesetz (§ 14 UWG) nicht zu entnehmen, dass die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der dort genannten Ansprüche des Lauterkeitsrechts nur Kammern oder sonstigen großen Organisationen – denen die Bescheinigung entsprechender Förderaktivitäten naturgemäß ein Leichtes ist – zukommt. Vielmehr sind nach § 14 Abs 1 UWG auch (andere) Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern klageberechtigt, soweit sie Interessen vertreten, die durch die beanstandeten Handlungen berührt werden. Dass das Rekursgericht diese Voraussetzung hier – mit ausführlicher Begründung – als gegeben erachtet, ist nach den Umständen des Einzelfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung.

4. Rechtsmissbräuchlich wäre die Ausnützung der Klageberechtigung, wenn der Verband vorwiegend nicht satzungsgemäße Aufgaben, sondern sachfremde Ziele verfolgte. Die Umstände, aus denen auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Klageberechtigung zu schließen ist, können entweder aus dem Vorgehen des klagenden Verbands im betreffenden Klagsfall oder ausnahmsweise auch aus dem Vorgehen in anderen Klagsfällen abgeleitet werden. Sind nämlich die Verstöße so schwerwiegend und offensichtlich, so kann die Rechtsausübung ohne Rücksicht auf die Verhältnisse im Einzelfall als missbräuchlich anzusehen sein. Auch aus einer übermäßigen Prozesstätigkeit kann bei Hinzutreten besonderer Umstände auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Klagerechts geschlossen werden, vor allem wenn sich ergibt, dass die formelle Rechtsstellung derart missbraucht wird, dass die (provozierten) Wettbewerbsverstöße zum eigenen Nutzen bzw vorwiegend zur Förderung anwaltlicher Gebühreninteressen ausgebeutet werden (4 Ob 384/85). Behauptungs- und beweispflichtig ist dafür die beklagte Partei (4 Ob 94/89).

5. Die Beklagte macht zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit im Wesentlichen geltend, der Kläger verfüge nicht über entsprechende Mittel zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben und greife vermeintliche Wettbewerbsverstöße ohne Veranlassung von Mitgliedern auf; sollte eine Zustimmung von Mitgliedern zur Prozessführung vorliegen, seien die Prozesskosten überwiegend von den entsprechenden Mitgliedern zu tragen.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass das Rekursgericht die Fördertätigkeiten des Klägers im Zusammenhang mit der Aktivlegitimation als ausreichend beurteilt hat, was – wie oben ausgeführt – zu billigen ist. Es bleibt daher kein Raum für einen Rechtsmissbrauch wegen (behauptetermaßen) zu geringer Mittel zur Aufgabenerfüllung, da es auf die tatsächliche Ausübung ankommt (vgl RIS-Justiz RS0071845). Die Frage der Kostentragung durch Verbandsmitglieder, welche die Klagsführung veranlassten, ist hier nicht relevant, weil die gegenständliche Klagsführung – wie nach der Satzung des Klägers zulässig – gerade nicht über Verlangen eines Mitglieds des Klägers erfolgte. Im Übrigen hat die Beklagte auch keine übermäßige Prozessführungstätigkeit des Klägers bescheinigt. Ob eine rechtsmissbräuchliche Klagsführung vorliegt, ist immer an Hand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dem Rekursgericht ist in dieser Frage kein korrekturbedürftiger Fehler unterlaufen.

6. Für das Verfahren relevante Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00171.16Z.0221.000
Schlagworte:
Wettbewerbsschutzverband,Gewerblicher Rechtsschutz

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