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OGH 24.08.2010, 2Ob143/10h

OGH 24.08.2010, 2Ob143/10h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helen E*****, vertreten durch Dr. Günter Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. E***** GmbH & Co KG und 2. E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Tinzl und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 28.806,04 EUR sA, über die „außerordentliche Revision“ der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 84/10k-167, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 66 Cg 41/06s-155, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das zuletzt noch auf Zahlung von 28.806,04 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil - mit einer geringfügigen Ausnahme beim Zinsenbegehren - im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die „außerordentliche Revision“ der beklagten Parteien, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage ist verfehlt.

Die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helen E*****, vertreten durch Dr. Günther Riess und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. E***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG und 2. E***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Michael Tinzl und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 28.806,04 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 84/10k-167, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 66 Cg 41/06s-155, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.771,49 EUR (darin 295,25 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin, eine britische Staatsangehörige, kam am während der Bergfahrt mit einem von der erstbeklagten Partei betriebenen Schlepplift zu Sturz. Sie erlitt bei dem Unfall einen Bruch des linken Unterschenkels. Die beklagten Parteien haben für die Schadensfolgen nach vertraglichen Grundsätzen einzustehen.

Die Klägerin war zum Unfallszeitpunkt an einer englischen Schule als Sportlehrerin tätig. Während der Zeit ihres Krankenstands (bis einschließlich Juli 2003) wurde ihr von ihrem Dienstgeber der Lohn weiterhin ausbezahlt. Im zweiten Rechtsgang ist nur noch strittig, ob der Klägerin der als „Entgeltfortzahlungsschaden“ begehrte Verdienstentgang gebührt.

Die Klägerin machte diesen Anspruch zunächst am in geringerem (ON 24) und mit dem am beim Erstgericht eingelangten (später vorgetragenen) Schriftsatz schließlich in vollem Umfang geltend, wobei sie auch Vorbringen über ihr Dienstverhältnis, ihre unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und die Lohnfortzahlung durch ihren Dienstgeber erstattete. Des Weiteren berief sie sich auf eine Inkassozession ihres Dienstgebers und brachte vor, „auf Grund der gesetzlichen Regelung und der getroffenen Vereinbarung“ zur Weiterleitung der erhaltenen Beträge an ihren Dienstgeber verpflichtet zu sein (ON 41). In ihrem (später ebenfalls vorgetragenen) Schriftsatz vom behauptete sie, nach englischer Rechtslage unabhängig von einer Zession ohnedies von vornherein zur Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen legitimiert gewesen zu sein (ON 124).

Die beklagten Parteien wandten ua Verjährung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte noch fest, dass im Dienstvertrag der Klägerin die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geregelt und das Recht des Dienstgebers verankert sei, die geleisteten Beträge zurückzuverlangen, soweit die Klägerin diese ihrerseits vom Schädiger ersetzt erhält.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, die Klägerin wäre zwar nach den Bestimmungen des Dienstvertrags tatsächlich berechtigt gewesen, den „Entgeltfortzahlungsschaden“ in eigenem Namen geltend zu machen. Dies sei allerdings erst mit dem Schriftsatz vom geschehen. Die Ansprüche seien daher bereits verjährt.

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren (mit einer geringfügigen Ausnahme im Zinsenbegehren) stattgab. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht erörterte rechtlich, die nach englischem Recht zu beurteilende Klagsforderung bestehe zu Recht, weil die Klägerin aufgrund ihres Dienstvertrags zur Geltendmachung des „Entgeltfortzahlungsschadens“ im eigenen Namen berechtigt sei und der Dienstgeber ein Recht auf Rückforderung der an die Klägerin geleisteten Beträge habe, soweit sie diese ihrerseits vom Schädiger ersetzt erhalte.

Entgegen der Annahme des Erstgerichts seien die Ansprüche auch nicht verjährt. Die Klägerin habe bereits mit dem noch innerhalb der Verjährungsfrist am eingebrachten Schriftsatz klargestellt, dass sie das darin geltend gemachte Teilbegehren aus der ihr zugekommenen Entgeltfortzahlung ableite, wobei sie die eingebrachten Beträge an den Dienstgeber weiterzuleiten habe. Diesen Rechtsgrund habe sie im weiteren Verfahrensverlauf unverändert aufrecht erhalten.

Über Antrag der beklagten Parteien änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Es sei nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass im Hinblick auf eine Klagsänderung Verjährung eingetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von den beklagten Parteien gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch im Rechtsmittel der beklagten Parteien wird eine derartige Rechtsfrage dargetan:

1. Vorauszuschicken ist, dass die auf einer Verletzung von Nebenpflichten aus dem Beförderungsvertrag beruhenden Schadenersatzansprüche der Klägerin zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt wurden (Art 4 Abs 1 und 2 EVÜ), von dem auch die Streitteile ausgegangen sind. Nach Art 10 Abs 1 lit d EVÜ unterliegt daher auch die Verjährungsfrage österreichischem Recht (vgl 1 Ob 19/11t; Verschraegen in Rummel, ABGB³ II/6 Art 10 EVÜ Rz 19).

2. Eine mittels Schriftsatz vorgenommene Klagsausdehnung unterbricht die Verjährung bereits mit dem Einlangen bei Gericht, wenn der Schriftsatz in der mündlichen Streitverhandlung später vorgetragen wird (RIS-Justiz RS0034759). Mit dem Einlangen des das Begehren auf Ersatz des „Entgeltfortzahlungsschadens“ umfassenden Schriftsatzes am beim Erstgericht wurde demnach die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterbrochen, sofern die Klägerin zur Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen berechtigt war. Die Verjährung wird nämlich gemäß § 1497 ABGB nur dann unterbrochen, wenn der Berechtigte den Schuldner belangt. Aus diesem Grund wird die Verjährung nicht unterbrochen, wenn - anders als dies hier der Fall ist - der Zessionar die Forderung zwar vor Ablauf der Verjährungsfrist einklagt, sie aber erst danach wirksam erwirbt (RIS-Justiz RS0033022; auch RS0014617).

3. Nach der in der Revision unwidersprochen gebliebenen (und auf einem Rechtsgutachten [ON 142] beruhenden) Rechtsansicht der Vorinstanzen ist aufgrund des nach englischem Recht zu beurteilenden Dienstverhältnisses der Klägerin davon auszugehen, dass durch die Lohnfortzahlung - anders als nach der herrschenden Rechtsprechung in Österreich (vgl 2 Ob 21/94; RIS-Justiz RS0043287) - keine Verlagerung des im Verdienstentgang des Geschädigten bestehenden Schadens auf den Dienstgeber eingetreten ist, die diesen zur Geltendmachung des Schadens berechtigen würde (vgl 2 Ob 170/08a). Danach blieb die Klägerin ungeachtet der Lohnfortzahlung (allein) zur Klage aktiv legitimiert.

Bei dieser in dritter Instanz nicht mehr strittigen materiellen Rechtslage war die Klägerin von Anfang an „Berechtigte“ iSd § 1497 ABGB. Daran vermag nichts zu ändern, dass sie ihre Anspruchsberechtigung zunächst rechtsirrig auf eine Inkassozession ihres Dienstgebers stützte, weil es für die Unterbrechungswirkung nicht darauf ankommt, aus welchem Grund sich die Forderung in ihrer Rechtszuständigkeit befand (vgl 5 Ob 1/85).

4. Die beklagten Parteien vertreten die Auffassung, die Klägerin habe zunächst eine (nicht existente) fremde und erstmals im Schriftsatz vom eine eigene Forderung geltend gemacht. Darin liege eine Änderung des Rechtsgrundes, somit eine Änderung des Streitgegenstands.

Sie beziehen sich damit auf jene Rechtsprechung, wonach die Klage nur die Verjährung der in ihr geltend gemachten Ansprüche unterbricht. Wird hingegen ein Anspruch mit Klagsänderung oder -ausdehnung geltend gemacht, tritt die Unterbrechungswirkung erst ab diesem Zeitpunkt ein (7 Ob 156/10g; RIS-Justiz RS0034740, RS0034556). Eine Klagsänderung liegt auch dann vor, wenn andere rechtserzeugende Tatsachen behauptet werden (6 Ob 234/04m; RIS-Justiz RS0039417) und damit der Klagegrund geändert wird. Dieser umfasst nur das tatsächliche Vorbringen, nicht aber auch dessen rechtliche Beurteilung (RIS-Justiz RS0037551). Die Frage, ob nach diesen Kriterien von einer für die Verjährungsunterbrechung maßgeblichen bloßen Sachverhaltsergänzung, Änderung der rechtlichen Qualifikation eines Vorbringens oder doch von einer Klagsänderung auszugehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 6 Ob 234/04m) und begründet daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

5. Im vorliegenden Fall enthielt bereits der am eingelangte Schriftsatz der Klägerin Tatsachenvorbringen über ihr Dienstverhältnis, die Dauer ihrer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit, die Lohnfortzahlung und ihre Verpflichtung, vom Schädiger empfangene Zahlungen an den Dienstgeber abzuführen. Dieses (unverändert gebliebene) Vorbringen hätte zur Prüfung ihres Anspruchs ausgereicht. Indem sie unter der weiteren (unnötigen) Behauptung einer Inkassozession den „Entgeltfortzahlungsschaden“ ihres Dienstgebers begehrte, ging sie unter Verkennung der englischen Rechtslage aber von einer Schadensverlagerung (nach österreichischem Vorbild) aus. Die darin liegende unrichtige Beurteilung der Rechtszuständigkeit für diese Forderung wurde mit dem Vorbringen vom richtiggestellt. Anders als in den Fällen der Zession nach Ablauf der Verjährungsfrist (vgl RIS-Justiz RS0033022) war die Klägerin hier - trotz ihres Rechtsirrtums - immer rechtszuständig. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es handle sich weiterhin um ein und dieselbe Forderung, deren Rechtsgrund im Kern nicht verändert worden sei, hält sich unter diesen besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls im Rahmen des ihm bei der Auslegung des Prozessvorbringens der Klägerin zur Verfügung stehenden Beurteilungspielraums (vgl RIS-Justiz RS0042828) und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

6. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00143.10H.0824.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAD-48862

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