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OGH vom 20.06.2018, 7Ob212/17b

OGH vom 20.06.2018, 7Ob212/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** L*****, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 21.707,39 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 92/17m-28, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 41 Cg 53/16m-23, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Zwischen dem Kläger, einem plastischen Chirurgen, und der Beklagten bestand ein Ärztehaftpflichtversicherungsvertrag. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB und EHVB 2004) zugrunde. Die AHVB lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1

Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?

1. Versicherungsfall

1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspricht und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Punkt 2) erwachsen oder erwachsen könnten. ...

2. Versicherungsschutz

2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen (in der Folge kurz

2.1.2 die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art. 5, Pkt. 5.

Artikel 5

Bis zu welcher Höhe und bis zu welchem Umfang leistet der Versicherer?

...

5. Rettungskosten; Kosten

5.1 Die Versicherung umfasst den Ersatz von Rettungskosten.

5.2 Die Versicherung umfasst ferner die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unberechtigt erweist.

Artikel 7

Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)?

1. Unter die Versicherung gemäß Art. 1 fallen insbesondere nicht

1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

...

1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.“

Der Kläger hatte C***** G***** (folgend: Patientin) insgesamt viermal an den Brüsten operiert, wobei Implantate eingesetzt wurden. Die Patientin begehrte vom nunmehrigen Kläger in einem noch nicht abgeschlossenen Haftpflichtprozess – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – die Kosten einer Folgeoperation.

Das Berufungsgericht stellte über Berufung des Klägers – unbekämpft – fest, dass die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz für die Kosten von Operationen zur Beseitigung der Folgen eines Aufklärungsfehlers zu gewähren habe. Das Feststellungsmehrbegehren betreffend die Deckungspflicht für weitere Operationskosten und darauf entfallende Prozesskosten wies es ab. Rechtlich führte das Berufungsgericht zum allein noch strittigen abweislichen Entscheidungsteil aus, dass eine Operation, soweit sie dazu diene, die vom Kläger gesetzten Implantate zu wechseln, einen Erfüllungsanspruch darstellte bzw der Beseitigung eines Behandlungsfehlers diente, wofür zufolge Art 7.1.3 AHVB 2004 keine Deckung bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend die Patientin 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die Revision hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zulässig sei, weil insbesondere zur Frage, ob und inwieweit die Kosten von Korrekturoperationen unter den Risikoausschluss des Art 7.1.3 AHVB 2004 fallen, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt in seiner gegen den das Feststellungsbegehren abweisenden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung gerichteten Revision die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die Haftpflichtversicherung dient nach ständiger Rechtsprechung zu insofern wortgleichen Fassungen der AHVB nicht dazu, das Unternehmerrisiko auf den Haftpflichtversicherer zu übertragen. Das Unternehmerrisiko soll grundsätzlich nicht versicherungsfähig sein (vgl RIS-Justiz RS0081518). Zur Absicherung dieses Grundsatzes dienen die Haftungsausschlüsse des Art 7.1. AHVB 2004 (7 Ob 262/02h mwN zur Fassung 1995). Nach Art 7.1.1 AHVB 2004 fallen unter die Versicherung gemäß Art 1. insbesondere nicht Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel. Art 7.1.3 AHVB 2004 schließt Versicherungsschutz für die Erfüllung von Verträgen und für die an deren Stelle tretenden Ersatzleistungen aus (7 Ob 143/14a zur Fassung 2009).

2. Das von der Deckungspflicht ausgeschlossene Erfüllungssurrogat ist eine eigene versicherungsrechtliche Rechtsfigur, die nicht mit dem Schadenersatz wegen Nichterfüllung übereinstimmt. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen (7 Ob 177/06i; 7 Ob 147/07d; 7 Ob 143/14a).

3. Aus der – keinen versicherungsrechtlichen Fall betreffenden – Entscheidung 6 Ob 558/91 vermag der Kläger nichts zu gewinnen, wurde dort doch nur ausgesprochen, dass die Anwendung der gewährleistungsrechtlichen Preisminderung auf das Ergebnis einer Schönheitsoperation nicht in Frage komme. Dem gegenüber hat der Fachsenat bereits erkannt, dass im Fall einer dem vorliegenden Vertragsverhältnis durchaus ähnlichen Herstellung einer Zahnregulierung eine weiterführende Zahnbehandlung ein Erfüllungssurrogat ist, wenn sie den Kläger in den Genuss der vom Zahnarzt ursprünglich versprochenen Leistung bringen soll (7 Ob 143/14a).

4. Auch hier strebt die Patientin einen aufgrund der Fehlbehandlung notwendigen Austausch der Implantate an, der den schmerzfreien Zustand herstellen soll, wie er bei ursprünglich ordnungsgemäßer kunstfehlerfreier Behandlung durch den Kläger gegeben gewesen wäre. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Patientin mache insoweit einen nach Art 7.1.3 AHVB 2004 nicht gedeckten Anspruch (Erfüllungssurrogat) geltend, hält sich daher im Rahmen bereits vorliegender Rechtsprechung und ist demnach nicht korrekturbedürftig.

4.1. Die Revision des Klägers erweist sich demnach mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig und ist daher zurückzuweisen.

4.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00212.17B.0620.000

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