OGH vom 11.12.2013, 7Ob212/13x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen E***** R***** K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Enkelkinder 1. A***** K*****, 2. F***** K*****, beide vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 252/13y 40, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der vorverstorbene Vater der Rekurswerber und Sohn der am ohne Hinterlassung eines Testaments verstorbenen Erblasserin hatte mit Notariatsakt vom für sich und seine Nachkommen einen Erb und Pflichtteilsverzicht abgegeben.
Auf Grund widersprechender Erbantrittserklärungen des erblasserischen Witwers, der erblasserischen Tochter und der erblasserischen Enkelkinder fand in der Folge ein Verfahren über das Erbrecht gemäß der §§ 160 ff AußStrG statt. Letztlich wurden die unbedenklichen Erbantrittserklärungen des erblasserischen Witwers und der erblasserischen Tochter angenommen und ihr Erbrecht festgestellt, die von den Rekurswerbern abgegebenen Erbantrittserklärungen wurden abgewiesen.
Danach wurden sie dem weiteren Verlassenschaftsverfahren nicht mehr beigezogen, es unterblieb auch die von ihnen beantragte Errichtung des Inventars.
Das Erstgericht antwortete die Verlassenschaft auf Grund des Gesetzes in Verbindung mit dem Erbverzichtsvertrag des vorverstorbenen erblasserischen Sohnes dem erblasserischen Witwer und der erblasserischen Tochter ein, traf diverse Verfügungen über nachlasszugehörige Gegenstände und Forderungen, bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs und bestätigte in weiterer Folge die Rechtskraft dieses Beschlusses.
Das Rekursgericht wies den dagegen von den erblasserischen Enkelkindern erhobenen Rekurs wegen Fehlens der Rekurslegitimation zurück.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Enkelkinder erweist sich aus den folgenden Gründen als nicht zulässig:
1. Mit Rücksicht auf seine Rechte nach §§ 784, 804, 812 ABGB ist der Noterbe dem Abhandlungsverfahren beizuziehen. Die Pflichtteilsberechtigten haben Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis (RIS Justiz RS0006519, RS0050435).
2. Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit Entscheidungen über den Antrag der Noterben auf Inventar und Schätzung des Nachlasses ausgesprochen, dass nur deren Eigenschaft als Noterben zu prüfen sei, nicht aber, ob die Pflichtteilsforderung, etwa durch Verjährung, erloschen ist. Diese Prüfung bleibe dem Prozess über den Pflichtteilsanspruch vorbehalten. Das Gericht habe daher nicht zu beurteilen, ob die Forderung materiell zu Recht besteht (RIS Justiz RS0013007, 6 Ob 205/12h).
Die Eigenschaft als Noterbe ist demnach losgelöst von der Frage des tatsächlichen materiellen Bestands des Pflichtteilanspruchs zu prüfen. Dabei sind nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung unter den pflichtteilsberechtigten Personen des § 764 ABGB aber nur jene zu verstehen, die auch im konkreten Fall tatsächlich Pflichtteilsberechtigte (Noterben) sind (vgl RIS Justiz RS0012855). Daher hat sich die Prüfung der Eigenschaft als Noterbe nicht auf die Frage zu beschränken, ob die betreffende Person an sich zu den im Gesetz genannten Noterben gehört, sondern ob sie darüber hinaus im konkreten Fall auch als Pflichtteilsberechtigte tatsächlich in Betracht kommt.
3.1. Wer auf das Erbrecht verzichtet, hat auf einen Pflichtteil keinen Anspruch (§ 767 Abs 1 ABGB).
Gemäß § 551 ABGB ist, wer über sein Erbrecht gültig verfügen kann, auch befugt, durch Vertrag mit dem Erblasser im Voraus darauf Verzicht zu tun. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts oder Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. Der Erbverzicht folgt grundsätzlich den Regeln über lebzeitige Verträge. Der Erbverzicht ohne Abfindung ist ein unentgeltlicher Vertrag, jener gegen Abfindung ein entgeltlicher Vertrag mit glücksvertraglichen Elementen, bei denen der Verzichtende das Risiko einer allfälligen Vermögensvermehrung, der Erblasser jenes seiner Vermögensverminderung in Kauf nimmt. Eine solche Verzichtsleistung wirkt, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch auf die Nachkommen. Diese Gesetzesstelle gilt entsprechend für den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht. Ein solcher Verzicht auf den Pflichtteil hat insbesondere den Zweck, dem Erblasser die unbeschränkte letztwillige Verfügung über seinen Nachlass zu verschaffen, schließt aber nicht aus, dass er von der dadurch erlangten Freiheit keinen Gebrauch macht. Es kann auch auf einen Teil des Pflichtteilsrechts in der in § 551 Abs 2 ABGB vorgesehenen Form verzichtet werden (RIS Justiz RS0012320; RS0013794, 4 Ob 128/12w). Den gegen den Erbverzichtsvertrag bestehenden verschiedenen Bedenken wurde durch die Einführung der Formvorschrift (Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll) durch die dritte Teilnovelle zum ABGB Rechnung getragen. Damit wird nun die besondere Bedeutung dieses Rechtsgeschäfts für den Verzichtenden hervorgehoben. Wer unter den vorgeschriebenen Formen dennoch auf sein Erbrecht verzichtet, kann nur noch auf die allgemeinen Möglichkeiten der Vertragsanfechtung (§§ 865 ff ABGB) verwiesen werden (RIS Justiz RS0012323, 2 Ob 202/73, 8 Ob 103/11x, 4 Ob 128/12w).
3.2. Der vorverstorbene Vater der Rechtsmittelwerber hat formgerecht und ausdrücklich für sich und seine Nachkommen auf das Erb und Pflichtteilsrecht verzichtet, die darüber erstellte Urkunde lag dem Verlassenschaftsgericht vor.
Im Sinn der obigen Ausführungen fehlt es den Rekurswerbern auf Grund des ausdrücklichen Pflichteilsverzichts ihres Vaters an der Eigenschaft als Noterben (vgl 2 Ob 229/09d mwN).
3.3. Auch in diesem Fall muss aber nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung den Noterben die Möglichkeit gewährt werden zu bescheinigen, dass der Verzicht unwirksam sei (2 Ob 229/09d mwN).
Die Rechtsmittelwerber argumentieren hier im Wesentlichen damit, dass ein unentgeltlicher Pflichtteilsverzicht im Namen ungeborener Nachkommen unwirksam sei, weil in diesem Fall eine Einschränkung der Auslegung des § 551 Satz 3 ABGB dahin geboten sei, dass der Erbverzicht nicht den Pflichtteil der Nachkommen berühren dürfe.
Die Frage der Auslegung der Zweifelsregel des § 551 Satz 3 ABGB stellt sich aber im Hinblick auf den ausdrücklichen Verzicht des Vaters im Verzichtsvertrag gar nicht. Im Übrigen wurde auch bereits eine teleologische Reduktion auf das Erbrecht der Nachkommen unter Aufrechterhaltung des Pflichtteilsrechts abgelehnt (5 Ob 512/90).
4. Für das vorliegende Verlassenschaftsverfahren bedeutet dies, dass es den erblasserischen Enkeln an der Eigenschaft als Noterben und damit an ihrer Rekurslegitimation fehlt.