OGH vom 23.01.2013, 7Ob212/12w

OGH vom 23.01.2013, 7Ob212/12w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, und die Nebenintervenientinnen 1. D***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 200.059,62 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 228/11x 132, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 1 Cg 231/01a 116, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte zeigt in ihrem Rechtsmittel keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Ausführungen können sich daher auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Geltendmachung eines vom Berufungsgericht verneinten (angeblichen) Mangels des Verfahrens erster Instanz ist nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht zulässig (RIS Justiz RS0042963, RS0106371). Dies gilt auch im Hinblick auf die Verneinung der von der Beklagten bereits mit ihrer Berufung gerügten Verletzung der Bindungswirkung nach § 499 Abs 2 ZPO im Zusammenhang mit einer im dritten Rechtsgang unverändert zugrundegelegten Feststellung. Die Frage der Bindungswirkung ist eine rein prozessuale (7 Ob 234/08z, 1 Ob 41/08y, 7 Ob 191/12g).

3. § 122 Abs 1 Bundesvergabegesetz (BVergG) 1997, aber auch § 181 Abs 1 BVergG 2002 und § 338 Abs 1 BVergG 2006 idF BGBl I Nr 17/2006 sahen Schadenersatzpflichten der Auftraggeber bei schuldhafter Verletzung des Bundesvergabegesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen vor. In § 337 Abs 1 und 3 BVergG 2006 idF BGBl I Nr 10/2012, der mit in Kraft trat, werden Schadenersatzpflichten der Auftraggeber nicht mehr bei schuldhafter Verletzung, sondern bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen das Bundesvergabegesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen normiert.

Die Rückwirkung von Gesetzen, das heißt die Anwendung auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht waren, wird durch § 5 ABGB verwehrt. Gesetze haben daher auf vorhergehende Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. Eine Änderung der materiellen Rechtslage nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Rechtsmittelverfahren ist nur dann maßgebend, wenn die neuen Bestimmungen nach dem bedeutsamen Übergangsrecht schon auf die im anhängigen Rechtsstreit zu klärende materiell rechtliche Frage anwendbar wäre (SZ 69/238, SZ 68/6, 1 Ob 261/01s, RIS Justiz RS0031419).

Eine entsprechende Übergangsbestimmung fehlt. Demnach sind die neuen Bestimmungen, die geänderte zum Schadenersatz führende Voraussetzungen vorsehen, auf den bereits früher verwirklichten schadenersatzbegründenden Sachverhalt nicht anwendbar.

4. Die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die den Schadenersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, auch dann entgegensteht, wenn bei der Anwendung dieser Regelung ein Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet wird und er sich nicht auf das Fehlen individueller Fähigkeiten und damit auf mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit des behaupteten Verstoßes berufen kann ( Stadt Graz).

Nach dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 208/10x im Zusammenhang mit § 115 Abs 1 Steirisches VergG ausgesprochen, dass nach der Entscheidung des EuGH Rs C 15/04 ( Koppensteiner gegen BIG ) Gerichte nationale Vorschriften unangewendet zu lassen haben, die sie daran hindern, die Verpflichtungen aus den Bestimmungen der Richtlinie 89/665/EWG zu beachten. Damit sei § 115 Abs 1 Steirisches VergG so zu lesen, dass bei Verletzung dieses Gesetzes oder der hiezu ergangenen Verordnungen durch Organe der vergebenden Stellen ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe der vergebenden Stelle zuzurechnen sei, Anspruch auf Ersatz (dort der Kosten der Angebotsstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen Kosten) habe. Auf ein schuldhaftes Verhalten komme es hingegen nicht an.

Damit hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es auch im vorliegenden Fall nicht auf ein schuldhaftes Verhalten ankomme, im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs.