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OGH vom 01.12.2005, 6Ob269/05k

OGH vom 01.12.2005, 6Ob269/05k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Kurt B*****, als Masseverwalter im Konkurs der A***** Gesellschaft mbH, mit dem Sitz in Wien, vertreten durch Dr. Josef Ebner und Mag. Andrea Eisner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Heinz Peter R*****, vertreten durch Eckert & Partner Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 100.000 EUR, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 245/04b-19, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 13 Cg 13/04w-12, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war Alleingeschäftsführer der Gesellschaft mbH, über deren Vermögen am das Ausgleichsverfahren und am der Anschlusskonkurs eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Mit seiner auf § 22 Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) gestützten Klage begehrt er die Zahlung von 100.000 EUR mit der wesentlichen Begründung, dass für die prüfpflichtige mittelgroße Gesellschaft zuletzt für das Geschäftsjahr 1998/1999 eine Abschlussprüfung durchgeführt worden sei. Der beklagte Geschäftsführer habe für die Folgejahre keine Jahresabschlüsse aufgestellt und (demgemäß) zu deren Prüfung auch keine Abschlussprüfer beauftragt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Für die Geschäftsjahre 2000/2001 und 2001/2002 sei kein Abschlussprüfer bestellt worden, weil nur vorläufige Jahresabschlüsse erstellt worden seien. Die mit der Ausarbeitung der Bilanz der Gemeinschuldnerin betrauten Wirtschaftsprüfer hätten am einen sogenannten „URG-Warnbrief" an den Beklagten übermittelt, in dem aufmerksam gemacht worden sei, dass die Eigenkapitalquote unter 8 % liege und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre betrage. Der Beklagte hätte für die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens zwei Jahre Zeit gehabt, aber schon nach zehn Monaten einen Ausgleichsantrag gestellt. Nach Erhalt des Warnbriefs habe er sich bemüht, einen außergerichtlichen Ausgleich herbeizuführen. Es seien Zahlungspläne erarbeitet und Umschuldungsmaßnahmen mit dem Hauptgläubiger eingeleitet worden. In einem gerichtlichen Reorganisationsverfahren hätte ein bestellter Reorganisationsprüfer keine anderen Reorganisationsmaßnahmen vorgeschlagen. Die Insolvenz sei auf das treuwidrige Verhalten eines Vertragspartners der Gemeinschuldnerin, der Firma H*****, zurückzuführen. In seiner in der Folge zum Parteivorbringen „erhobenen" Aussage als Partei führte der Beklagte aus, dass die Gesellschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 erstmals in Liquiditätsschwierigkeiten gekommen sei. Der Beklagte habe Verhandlungen mit der Bank über Umschuldungsmöglichkeiten aufgenommen. Die Bank habe einen Nachlass von 5 Mio S zugesagt. Die Verhandlungen seien im Februar 2002 abgeschlossen worden. Der Beklagte habe eine persönliche Haftung für einen zusätzlichen Kreditrahmen von 5 Mio S übernommen. Auch für eine Forderung der Firma H***** von 2,8 Mio EUR habe der Beklagte die Haftung übernommen. In der Folge habe dieses Unternehmen aber den Vertrag gekündigt, wodurch der Gemeinschuldnerin die Abwicklung eines Auftrags über 6,8 Mio EUR entgangen sei. Dies habe den endgültigen Einbruch im Juli 2002 bewirkt. Zuvor habe für die Gesellschaft eine positive Fortbestehensprognose bestanden. Der Beklagte beantragte zum Beweis seines Vorbringens ua auch die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Wirtschaftsprüfung zum Thema des § 27 URG, dass die Insolvenz nicht wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, ohne den beantragten Sachverständigenbeweis durchzuführen. Von seinen Feststellungen ist Folgendes als wesentlich hervorzuheben:

Mit der Führung des Rechnungswesens der Gesellschaft sei ein Wirtschaftsprüfer betraut gewesen. Für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 habe es zunächst nur vorläufige Versionen des Jahresabschlusses gegeben. Der Jahresabschluss zum sei schließlich Anfang des Jahres 2001 fertiggestellt gewesen. Für das Geschäftsjahr 2000 sei mit Gesellschafterbeschluss ein Wirtschaftsprüfer zum Abschlussprüfer bestellt worden. Zu Beginn des Jahres 2001 habe der Beklagte den Abschlussprüfer auch mit der Prüfung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1999/2000 beauftragt. Diesem sei der erst im April 2001 fertiggestellte Jahresabschluss für das Jahr 2000 übermittelt worden. Die Abschlussprüfung sei zwar begonnen, aber aus nicht näher feststellbaren Gründen nicht abgeschlossen worden. Mit der Aufstellung des Jahresabschlusses zum Bilanzstichtag auf der Basis des noch nicht geprüften Jahresabschlusses für das Jahr 2000 sei vom Steuerberater der Gesellschaft im August 2001 begonnen worden. Entwürfe zu einem vorläufigen Jahresabschluss hätte es ab Februar 2002 gegeben. Einer dieser Entwürfe sei dem Abschlussprüfer zugemittelt worden. Im Februar 2002 habe der Steuerprüfer den Warnbrief dem Beklagten übermittelt. Der vorläufige Jahresabschluss zum sei nach dem Februar 2002 noch wesentlich verändert worden. Der Abschlussprüfer habe infolge schleppender Honorarzahlungen seine Prüfung immer wieder ausgesetzt. Der Beklagte habe keinen Nachdruck auf die Fertigstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2001 gesetzt. Die letzte Version des vorläufigen Jahresabschlusses 2001 sei vom Steuerberater Ende Jänner 2003 erstellt worden. In der ersten Version sei noch von einem negativen Jahresergebnis von lediglich 1,8 Mio S die Rede gewesen, in der letzten Version aber in der Höhe von 40 Mio S. Mangels Vorliegens eines prüffähigen Jahresabschlusses für das Jahr 2001 sei auch kein Auftrag zur Prüfung durch einen Rechnungsprüfer erteilt worden. Die Arbeiten zur Aufstellung des Jahresabschlusses für 2002 seien in der Kanzlei des Steuerberaters im November 2002 begonnen worden. Über Urgenz des Ausgleichsverwalters sei für das Jahr 2002 Ende Jänner 2003 ein vorläufiger Jahresabschluss erstellt worden. Ein Auftrag zur Prüfung des Jahresabschlusses 2002 sei nicht erteilt worden. Der Jahresabschluss zum und die vorläufigen Jahresabschlüsse zum und zum seien vom Beklagten nicht unterfertigt worden. Im Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft seien vom Masseverwalter Gläubigerforderungen in der Gesamthöhe von 5,5 Mio EUR anerkannt worden. Diesen Forderungen sei zum ein Masseguthaben von 77.000 EUR gegenüber gestanden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Insolvenz der Gesellschaft aus anderen Gründen als wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass keine Haftung des Beklagten nach § 22 Abs 1 Z 1 URG bestehe, weil der „URG-Warnbrief" vom Steuerberater der Gesellschaft und nicht vom Abschlussprüfer stamme. Der Beklagte hafte aber nach § 22 Abs 1 Z 2 URG. Der Jahresabschluss zum sei mangels Unterfertigung durch den Beklagten nicht aufgestellt worden. Jedenfalls sei der Prüfauftrag verspätet erteilt worden. Für die Folgejahre sei kein Jahresabschluss aufgestellt und auch kein Abschlussprüfer bestellt worden. Die Voraussetzungen für den Nichteintritt der Haftung gemäß § 26 Abs 1 URG lägen nicht vor. Der Versuch eines außergerichtlichen Ausgleichs entlaste nicht. Die behaupteten außergerichtlichen Anstrengungen des Beklagten seien irrelevant. Die Haftung des Geschäftsführers bestehe auch dann, wenn das Organ ex ante vernünftige Sanierungsschritte versucht, auf die Einschaltung des Gerichts und damit eines Reorganisationsprüfers aber verzichtet habe. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des Entfalls der Haftung gemäß § 27 URG habe der behauptungs- und beweispflichtige Beklagte kein ausreichend präzises Vorbringen erstattet. Das beantragte Sachverständigengutachten laufe auf einen Erkundungsbeweis hinaus. Der Beklagte habe entgegen §§ 178 f ZPO verspätet ein Vorbringen erstattet und den Beweisantrag gestellt. Ihm sei der Entlastungsbeweis nicht gelungen. Worin das treuwidrige Verhalten, das die Insolvenz ausgelöst habe, bestehen sollte, sei nicht präzisiert worden.

Das Berufungsgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es behandelte zunächst die Rechtsrüge des Beklagten. Die Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses einer Kapitalgesellschaft betrage gemäß § 222 Abs 1 HGB fünf Monate. Der Jahresabschluss müsse gemäß § 194 HGB vom Kaufmann unterzeichnet werden. Es sei zwischen Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses zu unterscheiden. Die Aufstellung obliege dem Geschäftsführer. Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolge durch Beschluss der Gesellschafter (§ 35 Abs 1 Z 1 GmbHG). Den erstinstanzlichen Feststellungen sei zu entnehmen, dass der Jahresabschluss zum nicht rechtzeitig aufgestellt worden sein könne, weil er erst Anfang des Jahres 2001 fertiggestellt worden sei und die Frist hiefür am geendet habe. Auch zu den Jahresabschlüssen zum und zum habe das Erstgericht nur Feststellungen darüber getroffen, wann die Arbeiten des Steuerberaters beendet worden seien, nicht aber die Geschäftsführungsakte des Beklagten bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse. Diese Feststellungen seien aber entbehrlich, weil die formellen Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Z 2 URG jedenfalls erfüllt seien. Es sei unstrittig, dass ein Abschlussprüfer mit der Prüfung der Jahresabschlüsse nicht beauftragt worden sei. Vorläufige Jahresabschlüsse kenne das Gesetz nicht. Die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und seine Prüfung entfalle nicht deshalb, weil eine Vorjahresbilanz noch nicht geprüft und festgestellt worden sei. Auch ein noch nicht festgestellter bzw ein noch nicht geprüfter Jahresabschluss könne beim Firmenbuchgericht eingereicht werden. Dann seien die fehlenden Unterlagen unverzüglich nachzureichen.

Nach dem Gesetzeswortlaut trete die Haftung des Geschäftsführers nach § 22 Abs 1 Z 2 URG bei einer Verzögerung der Rechnungslegung ohne weitere Voraussetzungen ein. Mit der Normierung der Haftung solle ein Tätigwerden des Geschäftsführers bei Vorliegen der Vermutung eines Reorganisationsbedarfs (bei einer Eigenmittelquote von weniger als 8 % und einer fiktiven Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren) erreicht werden. Das Gesellschaftsorgan solle gezwungen werden, die Alarmsignale im Sinne der Kennzahlen zu beachten und darauf unverzüglich zu reagieren, indem ein Reorganisationsverfahren eingeleitet werde. Gemäß § 1 Abs 2 URG sei die Reorganisation eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Maßnahme zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines im Bestand gefährdeten Unternehmens, die dessen nachhaltige Weiterführung ermögliche. Ziel der Reorganisation sei die Sanierung des Unternehmens. Reorganisationsmaßnahmen könnten schon vor Eintritt der materiellen Insolvenz, aber auch noch danach gesetzt werden. Aus dem Regelungszweck ergebe sich, dass die Haftung nicht eine Strafe für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften sei. Hier sei es zwar zu Verzögerungen bei der Rechnungslegung gekommen, der Reorganisationsbedarf sei aber schon vor Eintritt der Verzögerungen bekannt gewesen, weil der Steuerberater der Gesellschaft auf die maßgeblichen Kennzahlen hingewiesen habe. Wenn ein bekannter Reorganisationsbedarf vorliege, dann sei die Verzögerung der Rechnungslegung nicht mehr kausal für eine Verzögerung von Reorganisationsmaßnahmen. Der Gesetzgeber habe den Fall im Auge, dass der Reorganisationsbedarf erst durch einen Hinweis des Abschlussprüfers erkannt werde (§ 22 Abs 1 Z 1 URG) oder wegen Verschleppung der Rechnungslegung unerkannt bleibe oder verspätet erkannt werde (Z 2). Der vorliegende Fall sei demnach im Gesetz nicht geregelt. Die planwidrige Lücke könne aber im Wege der Analogie geschlossen werden. Wenn ein Reorganisationsbedarf tatsächlich vorliege, sei davon auszugehen, dass ein Abschlussprüfer auch rechtzeitig darauf hingewiesen hätte. Ab diesem fiktiven Zeitpunkt sei das Organ zu Maßnahmen iSd Z 1 des § 22 Abs 1 URG verpflichtet. Auch ohne Analogie gelange man zum selben Ergebnis, wenn man den vorliegenden Sachverhalt dem Haftungsfall der Z 2 unterstelle, weil auch dieser Haftungsgrund in der Unterlassung der Einleitung des Reorganisationsverfahrens liege. Nach einer Ansicht im Schrifttum (Mohr URG Anm 4 zu § 27) bestehe die Haftung des Organs auch dann, wenn es, ex ante gesehen, vernünftige Reorganisationsschritte versucht, jedoch auf die Einschaltung des Gerichts und eines Reorganisationsprüfers verzichtet habe. Dieser Ansicht seien Dellinger (ZIK 1997, 214) und Wagner (Geschäftsführerhaftung und URG) mit überzeugenden Gründen entgegengetreten. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers, einen gewissen Druck auf die verantwortlichen Organe auszuüben, um auf Alarmsignale zu reagieren, sei auch dann erreicht, wenn nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen der Geschäftsführer Maßnahmen zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des im Bestand gefährdeten Unternehmens ergreife, auch wenn dies bloß außergerichtlich geschehe. Der Gesetzgeber überlasse es dem pflichtgemäßen Ermessen des Organs, zwischen einem gerichtlichen und einem außergerichtlichen Reorganisationsversuch zu wählen. Die einzige Sanktion bleibe die Beweislastumkehr (des § 27 URG). Das Organ müsse nachweisen, dass es nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vorgegangen sei. Diesen Ausführungen schließe sich das Berufungsgericht an. Es sei daher der Haftungstatbestand des § 22 URG nicht gegeben, wenn ausreichende außergerichtliche Reorganisationsmaßnahmen ergriffen worden seien. Nach Mohr (Anm 1 zu § 27) könne sich der Geschäftsführer nur entlasten, wenn die Insolvenz auf außergewöhnliche, nicht zu erwartende Umstände zurückführen lasse, beispielsweise auf einen „Folgekonkurs". Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne sich der Geschäftsführer gemäß § 27 URG aber auch aus anderen Gründen entlasten, insbesondere dann, wenn er nachweise, dass auch die Einleitung von Reorganisationsmaßnahmen nicht geeignet gewesen wäre, die Insolvenz zu verhindern. Dies sei etwa dann der Fall, wenn eine Überschuldung vorliege und eine negative Fortbestehensprognose bestanden hätte. Mangels Kausalität könne eine Haftung des Geschäftsführers für die Unterlassung von Reorganisationsmaßnahmen nicht bestehen. Dem Beklagten stehe der Beweis offen, dass er wirtschaftlich vernünftige außergerichtliche Reorganisationsmaßnahmen rechtzeitig ergriffen habe oder aber, dass weitere Maßnahmen nicht geeignet gewesen wären, die Insolvenz zu verhindern, dass also die Unterlassung der Einleitung eines Reorganisationsverfahrens nicht schadenskausal gewesen sei. Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht habe das Erstgericht den beantragten Sachverständigenbeweis nicht zugelassen. Ob die vom Beklagten behaupteten Maßnahmen rechtzeitig und wirtschaftlich vernünftig gewesen seien, könne ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beurteilt werden. Es sei zwar richtig, dass der Beklagte das treuwidrige Verhalten eines Geschäftspartners nicht näher bezeichnet habe. Entscheidend sei aber allein, ob der behauptete Umstand, dass das Unternehmen nicht bereit gewesen sei, einen Nachlass zu gewähren und in der Folge die Vertragsbeziehung aufgekündigt habe, die ausschlaggebende Ursache für die Insolvenz gewesen sei. Da insoweit konkrete Tatsachen vorgebracht worden seien, könne von einem bloßen Erkundungsbeweis nicht die Rede sein. Der Beweisantrag hätte zwar schon früher gestellt werden können. Das Gesetz normiere die Zurückweisung eines verspäteten Vorbringens (§ 178 ZPO) aber nicht allein wegen eines Parteienfehlers. Es müsse auch die gerichtliche Pflicht zur Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens beachtet werden. Hier sei besonders zu berücksichtigen, dass noch keinerlei oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Haftungsvoraussetzungen des URG vorliege. Der Beklagte sei für das Erstgericht erkennbar von völlig anderer rechtlicher Beurteilung ausgegangen. Das Erstgericht seinerseits sei in einem wesentlichen Punkt von der nach Ansicht des Berufungsgerichts zutreffenden Rechtsansicht abgewichen. Es sei sachgerecht, die Parteien nicht schlechter zu stellen, wenn auch bei sorgfältigerem Vorgehen insgesamt keine ins Gewicht fallende Beschleunigung des Verfahrens erreicht hätte werden können. Hier sei gar nicht sicher, ob das Erstgericht auch bei einem früher gestellten Beweisantrag den Sachverständigenbeweis durchgeführt hätte. In einem solchen Fall bestehe kein Grund für eine Zurückweisung eines verspäteten Beweisanbots. Im fortgesetzten Verfahren werde das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Wirtschaftsprüfung darüber einzuholen sein, ob die vom Beklagten behaupteten Maßnahmen ex ante betrachtet betriebswirtschaftlich vernünftig gewesen seien und als ausreichende Maßnahmen angesehen werden könnten. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, werde der Sachverständige auch dazu Stellung zu nehmen haben, ob Reorganisationsmaßnahmen überhaupt noch geeignet gewesen wären, die Insolvenz zu verhindern. Es komme darauf an, ob das Unternehmen bereits „unrettbar verloren" gewesen sei. Es werde zu prüfen sein, ob eine positive Fortbestehensprognose bestanden habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Auslegung der Haftungsbestimmungen des URG noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Mit seinem Rekurs beantragt der Masseverwalter die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Im Rekursverfahren ist unstrittig, dass jedenfalls einer der im § 22 Abs 1 URG angeführten Haftungstatbestände für die Haftung eines Geschäftsführers einer prüfpflichtigen Gesellschaft mbH, über deren Vermögen der Anschlusskonkurs eröffnet wurde, vorliegt. Dazu kann auf die nicht bekämpften Rechtsausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Es stehen sowohl die Verstöße des prüfpflichtigen Unternehmens gegen Rechnungslegungsvorschriften als auch die fehlende Bestellung eines Abschlussprüfers fest, sodass grundsätzlich von einer Haftung des beklagten Geschäftsführers ausgegangen werden kann.

Im Rekursverfahren strittig ist die Auslegung des § 27 URG über den Entlastungsbeweis. Der Rekurswerber vertritt dazu die Auffassung, dass sich der Geschäftsführer weder durch den Nachweis entlasten könne, dass auch ein gerichtliches Reorganisationsverfahren die Insolvenz nicht verhindern hätte können, noch durch den Nachweis, dass er ohnehin einen nach betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgversprechenden außergerichtlichen Reorganisationsversuch unternommen habe. Der Kläger führt für seinen Standpunkt die vom Berufungsgericht abgelehnte Meinung Mohrs (URG Rz 1 zu § 27) ins Treffen. Für eine Entlastung des Geschäftsführers müsse verlangt werden, dass der außergerichtliche Reorganisationsversuch zumindest „den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie im § 10 URG aufgezeigt" entspreche. Dazu habe der Beklagte aber kein ausreichendes Parteivorbringen erstattet, weil er nur Verhandlungen mit der Hausbank und mit einem Hauptgläubiger behauptet habe. Dem Beklagtenvorbringen sei auch nicht zu entnehmen, worin das angeblich die Insolvenz auslösende treuwidrige Verhalten des genannten Gläubigers gelegen sein sollte. Mangels ausreichenden Parteivorbringens habe das Erstgericht den Sachverständigenbeweis zu Recht nicht durchgeführt. Zu diesem Rekursvorbringen ist Folgendes auszuführen:

II. Das mit dem IRÄG 1997 eingeführte Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) will Unternehmen eine Hilfestellung in der Krise bieten, ist aber kein Schutzgesetz im Interesse der Gläubiger. Das Gesetz bietet noch solventen, aber gefährdeten Unternehmen eine besondere Hilfestellung durch Reorganisationsmaßnahmen zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (§ 1 URG). Das Unternehmen ist zur Einleitung der gerichtlichen Reorganisation nicht verpflichtet. § 1 URG hat nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage keinen Schutzgesetzcharakter (6 Ob 162/00t). Der Unternehmer kann die Einleitung des gerichtlichen Reorganisationsverfahrens beantragen, er muss dies aber nicht tun.

Obwohl also keine Verpflichtung zur Verfahrenseinleitung besteht, normiert das Gesetz eine Haftung des Organs (hier des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH) wegen Unterlassung der Antragstellung (§ 22 Abs 1 Z 1 URG). Die Haftungsbestimmung setzt kein Verschulden des Geschäftsführers voraus (ErlBem RV 734 BlgNR 20. GP 83). Die Haftung hängt daher weder von der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers noch von einem Verschulden ab, sie ist eine reine Erfolgshaftung. Die Regierungsvorlage erläutert den Normzweck (aaO) dahin, dass durch den Druck, den die Haftung des § 22 erzeugen soll, ein Tätigwerden der organschaftlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft erreicht werden soll.

§ 27 URG reduziert die auf den ersten Blick aufkommenden Bedenken gegen eine verschuldensunabhängige Haftung, die als repressive Strafe angesehen werden könnte. Dem Organ steht der Beweis der fehlenden Kausalität offen. Die Haftung entfällt, wenn die Insolvenz aus anderen Gründen als wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten ist. Nach der RV (aaO 86) sei die Entlastung dann möglich, „wenn die Insolvenz auf außergewöhnliche, nicht zu erwartende Umstände zurückzuführen war und die Warnfunktion des bilanziellen Reorganisationsbedarfs keineswegs auf einen tatsächlichen Reorganisationsbedarf oder gar auf eine bevorstehende Insolvenz hingewiesen hat" (zitiert bei Schumacher Unternehmensreorganisationsgesetz, ÖBA 1997, 855 [866 f]).

III. Art und Umfang des Entlastungsbeweises des § 27 URG werden im Schrifttum unterschiedlich beurteilt:

Mohr (URG § 27 Anm 1 ff) vertritt die oben zitierte Auffassung der RV. Auf diese Weise werde die typische schadenersatzrechtliche Verknüpfung zwischen dem Vorliegen der Kennzahlen des § 22 Abs 1 Z 1 URG und dem Eintritt der Insolvenz des Unternehmens hergestellt. Der Beweis, dass bei Erhalt des Berichts des Abschlussprüfers tatsächlich kein Reorganisationsbedarf bestanden habe oder dass die Insolvenz wegen eines Forderungsausfalls („Folgekonkurs") eingetreten sei, entlaste. Die Haftung entfalle aber nicht, wenn bewiesen werde, dass eine Reorganisation im Rahmen des Reorganisationsverfahrens nicht möglich gewesen wäre, etwa weil eine Herabsetzung der Forderungen erforderlich gewesen wäre und die Gläubiger dem Reorganisationsplan nicht zugestimmt hätten. Die Haftung bestehe auch dann, wenn das Organ ex ante vernünftige Sanierungsschritte versucht, jedoch auf die Einschaltung des Gerichts und damit eines Reorganisationsprüfers verzichtet habe. Dessen Einschaltung hätte den Sanierungserfolg fördern können, weil der Reorganisationsprüfer den Reorganisationsplan objektiv prüfe und daher eher eine Zustimmung der einbezogenen Personen zu erwarten sei.

Im Gegensatz dazu halten andere Autoren den Entlastungsbeweis in einem viel weiteren Umfang für möglich:

Schumacher (aaO ÖBA 1997, 867) vertritt trotz des für eine restriktive Auslegung sprechenden, in der RV angeführten Anwendungsfalls der „außergewöhnlichen Umstände" die Auffassung, dass durchaus auch keineswegs ungewöhnliche, möglicherweise auch innerhalb des Erwartungshorizonts gelegene Vorkommnisse zum rechtlichen Schluss führen könnten, dass die Insolvenz letztlich aus „anderen Gründen" als wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten ist. Mögliche Beweisthemen des Entlastungsbeweises könnten daher zum Beispiel sein: dass auch ein rechtzeitig eingeleitetes Reorganisationsverfahren am Eintritt der Insolvenz nichts geändert hätte; dass die Insolvenz auf außergewöhnliche - vor allem exogene - Umstände (etwa eine Kundeninsolvenz) zurückzuführen sei; dass die vom Abschlussprüfer dargelegten Kennzahlen in Wirklichkeit keinen tatsächlichen Reorganisationsbedarf dargestellt hätten oder dass die Insolvenz schon vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Vermutung des Reorganisationsbedarfs bestanden habe.

Schumacher ist ferner der Ansicht, dass sich der Unternehmer auch dadurch entlasten könne, dass er nach Vorliegen des Berichts des Abschlussprüfers gemäß § 22 Abs 1 Z 1 URG anstelle eines Reorganisationsverfahrens ein Ausgleichsverfahren beantragt. Ein solcher Antrag sei geeignet, die Haftung gemäß § 22 URG nicht eintreten zu lassen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit veranlasse der Unternehmer mit seinem Ausgleichsantrag ein „Mehr" im Sinne des Gläubigerschutzes und regelmäßig auch für das Unternehmen selbst, als durch einen Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahrens.

Nach Dellinger (Vorstands- und Geschäftsführerhaftung nach dem URG, ZIK 1997, 207 [213]) setze der Entlastungsbeweis entgegen der engen Auffassung der RV nicht außergewöhnliche Umstände als Insolvenzursache voraus. Eine erste Entlastungsmöglichkeit liege im Nachweis, dass die Insolvenz auch eingetreten wäre, wenn das gerichtliche Reorganisationsverfahren durchgeführt worden wäre. Das Unternehmen dürfe „je nach Lage des Falles" auf die Einschaltung des Gerichts und damit eines Reorganisationsprüfers, nicht aber auf die Erstellung eines (außergerichtlichen) Reorganisationsplans mit (ex ante betrachteten) vernünftigen Sanierungsschritten verzichten, etwa wenn es seinen Kreditbedarf auch ohne die Anfechtungsprivilegien des URG und die Freistellung vom Eigenkapitalersatzrecht decken könnte. Die Kosten des Reorganisationsprüfers und des Verfahrens könnten schließlich den Eintritt der Insolvenz sogar beschleunigen. Ein zweiter Entlastungsbeweis liege im Nachweis, dass die Reorganisation gar nicht unterlassen, sondern außergerichtlich nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ohnehin versucht worden sei. Der Gesetzgeber spreche im § 1 URG nur von Reorganisation und nicht von einem gerichtlichen Reorganisationsverfahren. In den Gesetzesmaterialien sei nur vom Druck auf die Organe zum Ergreifen rechtzeitiger Gegenmaßnahmen des reorganisationsbedürftigen Unternehmens gegen die Insolvenzgefahr die Rede. Einzige Sanktion der Unterlassung der Einleitung eines gerichtlichen Reorganisationsverfahrens sei die Beweislastumkehr des § 27 URG.

Mit ähnlichen Argumenten und diese weiterführend plädiert auch Raoul Wagner, Geschäftsführerhaftung und URG (1999), für einen weiten Anwendungsbereich des Freibeweises nach § 27 URG. Der Autor hält die Einschränkung des Haftungsentfalls auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen Insolvenzursache für geradezu „unerträglich" (aaO Rz 195). Der Gesetzgeber habe sich bei seiner Wortwahl in den §§ 1 und 27 URG, wo jeweils nur von Reorganisation und nicht von Reorganisationsverfahren die Rede ist, nicht vergriffen (aaO Rz 197-199). Der Unternehmer müsse nur nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen fristgerecht Maßnamen zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens, die dessen nachhaltige Weiterführung ermöglichen, gesetzt haben, womit er zweifelsohne dartue, dass die Insolvenz aus anderen Gründen als wegen der Unterlassung der Reorganisation eingetreten ist (aaO Rz 201). Dies gehe schon daraus hervor, dass die Entscheidung zur außergerichtlichen Reorganisation nicht nur bei kleineren Unternehmen der aussichtsreichere Weg sein könne, da die im Gesetz vorgesehene, aber de facto nicht vorstellbare Diskretion des Reorganisationsverfahrens und die Kosten dieses Verfahrens dem Unternehmen in vielen Fällen weit mehr schaden, als die für das Unternehmen günstigen Anfechtungsbestimmungen und der Reorganisationsprüfer nutzen könnten (Rz 221). Grundsätzlich sei die Reorganisation außerhalb eines Reorganisationsverfahrens die schnellste und billigste Lösung. Der Vorteil der Diskretion werde in der Mehrzahl der Fälle die Vorteile des gerichtlichen Reorganisationsverfahrens mit seinem Anfechtungsschutz und der Ausklammerung von den Regeln des Eigenkapitalersatzrechts überwiegen (Rz 262). Dass das Organ eine gesellschaftsrechtliche Sanierungspflicht treffe, ergebe sich aus § 25 GmbHG bzw den §§ 70 und 84 AktG. Wenn nun das gerichtliche Reorganisationsverfahren ex ante betrachtet dem Geschäftsmann riskanter erscheine (etwa wegen der nicht erreichbaren Diskretion) als eine außergerichtliche Reorganisation, sei das Organ sogar dazu verpflichtet, kein gerichtliches Reorganisationsverfahren einzuleiten, sondern außergerichtlich zu reorganisieren (Rz 270). Zur kreditschädigenden Wirkung des gerichtlichen Reorganisationsverfahrens verweist der Autor insbesondere auf die Nichteffizienz des § 5 Abs 3 URG, wonach die Einleitung des Reorganisationsverfahrens nicht öffentlich bekanntzumachen ist. Gemäß § 7 URG sei aber die Zustimmung aller am Verfahren Beteiligten einzuholen. Es sei demnach davon auszugehen, dass sich die Einleitung des Verfahrens „wie ein Lauffeuer" unter den Geschäftspartnern des Unternehmers herumsprechen werde. Die Geschäftspartner und Gläubiger könnten dann „mit dem Schlimmsten rechnen" und versuchen, die Verbindungen zum Unternehmen zu kappen. Mit dem Bekanntwerden eines Reorganisationsverfahrens könne die Solvenz unverzüglich in eine Insolvenz umschlagen (Rz 87).

IV. Der Senat hält die wiedergegebene Begründung der im Schrifttum mehrheitlich vertretenen Meinung für stichhältig. Danach ist der im § 27 URG normierte Entlastungsbeweis über die fehlende Kausalität der Unterlassung eines Antrags auf Einleitung eines Reorganisationsverfahrens sowohl durch den Nachweis möglich, dass die Insolvenz auch bei rechtzeitiger Antragstellung nicht vermieden hätte werden können als auch durch den Nachweis, dass betriebswirtschaftlich sinnvolle außergerichtliche Reorganisationsmaßnahmen - wenn auch letztlich erfolglos - vorgenommen wurden.

1. Schon die grammatikalisch-logische Interpretation des § 27 URG weist auf einen weiten Anwendungsbereich des Haftungsentfalls hin (arg.: „...aus anderen Gründen") und spricht gegen eine nur aus der Formulierung des in der RV angeführten Beispiels abgeleitete restriktive Einschränkung auf außergewöhnliche, die Insolvenz auslösenden Umstände, wie etwa ein überraschender Forderungsausfall aufgrund der Insolvenz eines Geschäftspartners.

Es trifft auch zu, dass nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 1 und 27 URG, die jeweils nur auf den Begriff der „Reorganisation" abstellen, § 27 URG nicht im Sinne der Meinung des Rekurswerbers ausgelegt werden müsste, dass außergerichtliche Reorganisationsmaßnahmen unbeachtlich wären und nicht als Entlastungsgrund geltend gemacht werden dürften.

2. Wenn die gegenteilige Ansicht Mohrs auf die in der RV angeführte „typische schadenersatzrechtliche Verknüpfung" zwischen dem Vorliegen der Kennzahlen des § 22 Abs 1 Z 1 URG und dem Eintritt der Insolvenz des Unternehmens verweist, so spricht nach Auffassung des Senats dieser Hinweis in den Gesetzesmaterialien sogar für die Beachtlichkeit auch außergerichtlicher Reorganisationsmaßnahmen, kann doch im Bereich des Schadenersatzrechts der Entfall der Haftung regelmäßig auf den Nachweis des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens gestützt werden. Wer nach § 1311 ABGB wegen Verletzung einer Schutzvorschrift haftet, kann sich von der Haftung durch den Beweis befreien, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn sich der Gesetzesverletzer vorschriftsmäßig verhalten hätte (RIS-Justiz RS0027364). Dies muss hier umso mehr gelten, als das URG - wie ausgeführt - kein Schutzgesetz etwa zugunsten der Gläubiger ist und für die Haftung des Geschäftsführers grundsätzlich weder Rechtswidrigkeit noch Verschulden Voraussetzung ist. § 27 URG kann jedenfalls nicht die Anordnung des Gesetzgebers entnommen werden, dass die Berufung auf ein pflichtgemäßes Alternativverhalten unzulässig wäre. Demnach ist der Entlastungsbeweis durch den Nachweis, dass die Insolvenz auch bei rechtzeitiger Antragstellung auf Einleitung eines gerichtlichen Reorganisationsverfahrens eingetreten wäre, zulässig.

3. Dies gilt auch für den Entlastungseinwand der ohnehin durchgeführten außergerichtlichen Reorganisationsmaßnahmen:

Die im zitierten Schrifttum angeführten Argumente über die Sinnhaftigkeit bloß außergerichtlicher Reorganisationsmaßnahmen sind stichhältig und zu billigen. Solche Maßnahmen haben gegenüber dem gerichtlichen Reorganisationsverfahren den Vorteil der diskreten Abwicklung. Wohl ist gemäß § 5 Abs 3 URG die Einleitung des Verfahrens nicht öffentlich bekanntzumachen. Da aber im Reorganisationsplan die Zustimmung der dort einbezogenen Beteiligten nachzuweisen ist (§ 7 URG) liegt das von Wagner ins Treffen geführte Bekanntwerden der Krisensituation („wie ein Lauffeuer") auf der Hand, sodass die Einleitung des Verfahrens durchaus kontraproduktiv sein kann und dadurch die Insolvenz gerade erst recht herbeigeführt wird. Das zweite zu billigende Argument ist das der Kosten. Im gerichtlichen Verfahren fallen hohe Kosten des Reorganisationsprüfers (§ 15 URG) und der Gläubigerschutzverbände (§ 16 URG) an. Es wäre mit vernünftigen Wertungen nicht vereinbar, wenn ein Unternehmer (das Organ der Kapitalgesellschaft) die einzig sinnvolle wirtschaftliche Maßnahme einer außergerichtlichen Reorganisation nicht in Angriff nehmen darf, weil er sich ansonsten der Haftung nach § 22 URG aussetzt und ihm der Entlastungsbeweis nach § 27 URG verwehrt wird, obwohl er nachweisen kann, dass seine Maßnahmen das richtige Mittel zur Erhaltung der Solvenz waren. Bei einer solchen Gesetzesauslegung wäre es auch nicht erklärbar, weshalb § 1 URG eine Kann-Bestimmung ist. Bei der vom Rekurswerber angestrebten Auslegung mutierte die Haftungsbestimmung des § 22 URG zu einer repressiven Strafe wegen eines Formaldelikts, dessen Verwirklichung keinen Schaden auslöste. Dies kann mit dem angeführten Fürsorgezweck des URG zugunsten des gefährdeten Unternehmens ebensowenig in Einklang gebracht werden wie mit der allgemeinen Zielsetzung, dass das Organ zu wirksamen Reorganisationsmaßnahmen zu motivieren ist. Dass im Sinne der Ausführungen Wagners im Einzelfall „diskrete" außergerichtliche Maßnahmen wirksamere Mittel darstellen können als das gerichtliche Reorganisationsverfahren, ist unschwer nachzuvollziehen.

4. Aus den dargelegten Gründen hat das Berufungsgericht zutreffend den Entlastungsbeweis zu den beiden angeführten Beweisthemen für zulässig erachtet, also sowohl in Richtung eines Sachverhalts, dass zum Zeitpunkt der Kenntnis eines Reorganisationsbedarfs bereits eine so schlechte Finanzsituation des Unternehmens bestand, dass die Einleitung von Reorganisationsmaßnahmen bereits zu spät gekommen wäre, als auch (alternativ) dahin, dass wirtschaftlich vernünftige außergerichtliche Maßnahmen ex ante betrachtet noch möglich waren und tatsächlich auch ergriffen wurden.

Insoweit im Rekurs auch die verfahrensrechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts über ein ausreichendes Parteivorbringen des Beklagten als Grundlage des Entlastungsbeweises und über die Rechtzeitigkeit des gestellten Beweisantrags bekämpft wird, ist auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.