OGH vom 15.10.2009, 2Ob142/09k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.487,10 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 35 R 423/08b-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 28 C 1031/07p-8, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Am ereignete sich auf der Westautobahn ein Verkehrsunfall, bei dem ein PKW mit ungarischem Kennzeichen ins Schleudern geriet, quer über die Fahrbahn schlitterte und dadurch den Lenker eines bei der Klägerin haftpflichtversicherten Tankwagens zu einer Vollbremsung und einem Ausweichmanöver nötigte, wodurch dieser LKW mit einem dahinter fahrenden Viehtransporter kollidierte. Am überwies die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Tankwagens der Halterin des Viehtransporters für die an diesem Fahrzeug geltend gemachten Schäden aus dem Verkehrsunfall 5.087,10 EUR als Totalschadensablöse. Weiters überwies die Klägerin 400 EUR als Ersatz der dieser Halterin entstandenen Vertretungskosten. Im Verfahren 33 Cg 27/03i des Landesgerichts St. Pölten klagte die Eigentümerin und Halterin des Tankwagens den auch hier geklagten Verband (Erstbeklagter) als für den ungarischen PKW Einstandspflichtigen, den Lenker (Zweitbeklagter), die Halterin (eine Kommanditgesellschaft, Drittbeklagte), deren Komplementärgesellschafter (Viertbeklagter) und schließlich den Haftpflichtversicherer (Fünftbeklagter) des Viehtransporters auf Ersatz des bei diesem Unfall entstandenen Schadens am Tankfahrzeug. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht ging in seinem Urteil vom dem Grunde nach von einer Haftung des dort Erstbeklagten zur Gänze, der Zweit- bis Fünftbeklagten zu drei Vierteln (solidarisch mit dem Erstbeklagten) für den am Tankwagen entstandenen Schaden aus. Im Verhältnis zwischen Klägerin und Erstbeklagtem sei im Sinne der vorzunehmenden Einzelabwägung von einer Schadensverteilung von 0 : 1 zu Gunsten der Klägerin, im Verhältnis zwischen Klägerin und Zweit- bis Fünftbeklagten von 1 : 3 zu Gunsten der Klägerin auszugehen.
Die gegen dieses Urteil vom dortigen Erstbeklagten erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (2 Ob 245/05a).
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin mit der am eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 5.487,10 EUR sA und brachte vor, aufgrund der Solidarhaftung habe sie als Haftpflichtversicherer des Tankwagens die Ansprüche der Halterin des Viehtransporters in Höhe des Klagsbetrags ersetzt. Aufgrund des erwähnten Urteils des Oberlandesgerichts Wien im Vorprozess sei im Verhältnis zwischen Klags- und Beklagtenfahrzeug von einer Schadensverteilung von 0 : 1 zu Gunsten des Klagsfahrzeugs (Tankwagens) auszugehen. Aus dem Titel des Solidarregresses schulde daher der Beklagte der Klägerin den Klagsbetrag. Regressansprüche unter Solidarschuldnern unterlägen der dreißigjährigen Verjährungsfrist.
Der beklagte Verband wandte Verjährung ein, da der geltend gemachte Anspruch nicht als Schadenersatzanspruch, sondern als Anspruch auf Abgeltung von Aufwandersatz gemäß § 1042 ABGB zu beurteilen sei. Nach jüngerer Rechtsprechung gelte diesfalls die dreijährige Verjährungsfrist. Sowohl der Unfall als auch die in der Klage behaupteten Zahlungen lägen mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung. Da der Lenker des Viehtransporters auf die unklare Situation nicht angemessen reagiert habe und ihm überdies eine Reaktionsverspätung von 1,7 Sekunden vorzuwerfen sei, welche Verfehlungen unfallkausal gewesen seien, seien die Leistungen der Klägerin an die Eigentümerin des Viehtransporters ohne Rechtsgrundlage bzw ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend vom referierten Sachverhalt vertrat es in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, entgegen dem Vorbringen der Klägerin handle es sich beim geltend gemachten Anspruch nicht um eine Forderung aus dem Titel des Solidarregresses, sondern um einen Verwendungsanspruch gemäß § 1042 ABGB, der nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung aus Gründen des Schuldnerschutzes genauso wie der getilgte Anspruch verjähre. Der klagsgegenständliche Ersatzanspruch unterliege daher keiner längeren Verjährungsfrist als der ihm zugrundeliegende Schadenersatzanspruch, weshalb die dreijährige Verjährungsfrist gelte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und ging ebenfalls von einer dreijährigen Verjährungsfrist und somit von der Verjährung des Klagsanspruchs aus.
Erst über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich für zulässig. Es existiere keine oberstgerichtliche Rechtsprechung, die sich bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt mit den teilweise konträren Lehrmeinungen, insbesondere Koziols, im Zusammenhang mit § 11 Abs 1 Satz 1 EKHG und § 1042 ABGB auseinandersetze. Für die Dauer der Verjährungsfrist sei somit relevant, ob der gegenständliche Regressanspruch als Schadenersatzanspruch oder als Aufwandersatzanspruch zu qualifizieren sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Das Berufungsgericht im Vorprozess hat in Übereinstimmung mit der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung den Schleudervorgang des ungarischen PKW als außergewöhnliche Betriebsgefahr qualifiziert (vgl etwa RIS-Justiz RS0058448 [T1]; RS0058840 [T8, T 10]). Das Klagsfahrzeug hat gegenüber dem ungarischen PKW nur die gewöhnliche Betriebsgefahr zu verantworten, was zur erwähnten Haftungsteilung von 0 : 1 zu Gunsten des Klagsfahrzeugs führt (vgl Schauer in Schwimann3 § 11 EKHG Rz 39 f mwN; Apathy, EKHG § 11 Rz 121 mwN). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Vorprozess ging aber vom Tankwagen, für den nur eine Vollbremsung, aber kein instabiles Fahrverhalten, kein Verreißen durch dessen Lenker und kein Schleudern festgestellt wurde, gegenüber dem Viehtransporter keine außergewöhnliche, sondern nur die gewöhnliche Betriebsgefahr aus (vgl den Zurückweisungsbeschluss im Vorprozess 2 Ob 245/05a). Die gewöhnliche Betriebsgefahr wird durch das Verschulden des Schädigers als Unfallsursache in der Regel ganz zurückgedrängt (RIS-Justiz RS0058551).
Im Verhältnis zwischen Tankwagen (gewöhnliche Betriebsgefahr) und Viehtransporter (grobes Verschulden des Lenkers) haftete daher die Klägerin als für den Tankwagen Haftpflichtige für die Schäden am Viehtransporter überhaupt nicht, weshalb sie diese Schäden nicht hätte ersetzen müssen. Ihr hier geltend gemachter Regressanspruch besteht demnach nicht zu Recht.
Ob der beklagte Verband für die Schäden am Viehtransporter wegen der vom ungarischen PKW ausgehenden außergewöhnlichen Betriebsgefahr (teilweise) haftbar war, kann dahingestellt bleiben. Gegebenenfalls stünde der Klägerin gegen den Beklagten allenfalls ein Verwendungsanspruch gemäß § 1042 ABGB zu, den sie aber - wie sie ungeachtet der Erörterung dieser Anspruchsgrundlage durch den Beklagten und die Vorinstanzen auch noch in der Revision festhält - ausdrücklich nicht geltend macht.
Da sich bereits aus diesen Gründen die Klagsabweisung durch die Vorinstanzen im Ergebnis als zutreffend erweist, stellen sich die vom Berufungsgericht (und von der Revisionswerberin) als erheblich bezeichneten Rechtsfragen der Anspruchsqualifizierung und Verjährung nicht, weshalb die Revision zurückzuweisen war.