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OGH vom 12.04.1983, 4Ob329/83

OGH vom 12.04.1983, 4Ob329/83

Norm

UWG § 1;

Kopf

SZ 56/57

Spruch

Der Einsatz von "Testkäufern" ist zulässig, sofern sich diese Personen beim Kauf nicht anders verhalten als "gewöhnliche" Kunden in ähnlichen Fällen. Sie handeln aber rechtsmißbräuchlich, wenn sie mit unerlaubten oder verwerflichen Mitteln auf einen Gesetzesverstoß des Mitbewerbers hinwirken

(OLG Wien 3 R 257/82; HG Wien 17 Cg 134/82) ÖBl. 1983, 104 (Wiltschek)

Text

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines gleichlautenden Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, beim Detailverkauf von Elektrogeräten gesetzwidrige Rabatte, insbesondere einen 3% übersteigenden Barzahlungsnachlaß, zu gewähren.

Das Erstgericht wies diesen Sicherungsantrag ab. Es nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als bescheinigt an: Friedrich S, ein von der Firma K als "Testkäufer" beschäftigter Pensionist, erhielt von dieser Firma einen mit der Geschäftsstampiglie eines nicht existierenden Schreibbüros versehenen "Ausfolgeschein" mit folgendem wesentlichen Inhalt: "Dem Überbringer dieses Scheines wollen Sie bitte Nachstehendes ausfolgen: 1 Gerät nach eigener Wahl f. d. Eigenbedarf." Es folgt der Abdruck einer Geschäftsstampiglie ("Elisabeth B, Schreibbüro, 1120 Wien, A-Gasse 44") sowie eine unleserliche Unterschrift. Friedrich S begab sich mit diesem "Ausfolgeschein" und einem ihm von der Firma K übergebenen Geldbetrag in das Geschäft der Beklagten, wo er eine ihn bedienende, noch in der Ausbildung befindliche 17 jährige Verkäuferin fragte, ob ein (in der Auslage) ausgestellter Rasierapparat tatsächlich 996 S koste. Nachdem die Verkäuferin diese Frage bejaht hatte, zeigte ihr Friedrich S den oben erwähnten "Ausfolgeschein" und fragte, ob sich das Gerät nun verbillige. Da die Verkäuferin infolge ihrer Unerfahrenheit annahm, der Rasierapparat werde im Rahmen des Schreibbüros und somit in einem Gewerbebetrieb verwendet werden, nannte sie nach Vornahme einer Berechnung einen Preis von 830 S. Friedrich S zahlte diesen Betrag und übergab den auf diese Weise erworbenen Rasierapparat einer Angestellten der Firma K. Der Apparat wurde in der Folge von der Firma K verkauft.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß § 1 RabG die Veräußerung von Waren an einen Letztverbraucher voraussetze. Diese Voraussetzung treffe hier aber nicht zu, weil die Firma K, auf deren Rechnung Friedrich S den Apparat gekauft habe, ein Wiederverkäufer sei. Im übrigen habe es der Kläger unterlassen, andere Möglichkeiten der Feststellung eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten vor der Durchführung des gegenständlichen Testkaufes auszuschöpfen. Schließlich habe die Firma K, wie sich aus der Verwendung eines fingierten "Ausfolgescheines" ergebe, rechtsmißbräuchlich gehandelt.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es übernahm den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt mit Ausnahme der Feststellung, der von Friedrich S erworbene und der Firma K übergebene Rasierapparat sei von dieser wiederverkauft worden. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Auffassung, Friedrich S habe der Verkäuferin nicht mitgeteilt, daß er den Rasierapparat im Namen der Firma K kaufen wolle; er habe daher den Kauf nicht als Großhandelsgeschäft dargestellt. Ein "Probekauf" sei zulässig, wenn das von einem Mitbewerber entsandte Kontrollorgan keine unerlaubten Mittel anwende und nicht anstiften, sondern nur auf die Probe stellen wolle. Selbst ein sittenwidriges Vorgehen eines Lockspitzels berühre nicht das wettbewerbswidrige Verhalten des vom Lockspitzel verleiteten Mitbewerbers. Nur ein - hier nicht gegebenes - schikanöses Vorgehen des Lockspitzels könne zur Abweisung eines Unterlassungsanspruches führen. Aus dem "Ausfolgeschein" habe sich weder ergeben, daß ein Einkauf im Großhandel zum Zwecke der Weiterveräußerung vorliege noch daß eine Verwertung des Apparates im gewerblichen Unternehmen der Ausstellerin des Scheines erfolgen solle. Der im "Ausfolgeschein" erwähnte Eigenbedarf habe sich auf den Einkauf und nicht auf das Unternehmen (Schreibbüro) bezogen. Dennoch habe die Beklagte einen gegen § 2 RabG verstoßenden Barzahlungsnachlaß gewährt.

Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Auffassung der Beklagten, das Vorgehen der Firma K sei in einem Maße sittenwidrig, daß dem gegen die Beklagte in der vorliegenden Klage erhobenen Unlauterkeitsvorwurf die Grundlage entzogen sei, ist beizupflichten. Der Umstand, daß eine Wettbewerbshandlung durch einen "Lockspitzel" in der Weise veranlaßt wird, daß dieser den Unternehmer im Auftrag eines Mitbewerbers zu dieser Handlung verleitet hat, rechtfertigt die Wettbewerbshandlung vor allem dann nicht, wenn sich der Lockspitzel keiner unerlaubten Mittel bedient (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht 21; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 475; Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[13] 364; ÖBl. 1974, 104 mit weiteren Hinweisen; Arb. 9936 ua.). Ein Mitbewerber darf daher grundsätzlich Testpersonen zu Testkäufen einsetzen. Diese Testpersonen dürfen sich aber beim Kauf einer Ware nicht anders verhalten als Kunden in diesen oder ähnlichen Fällen. Sie dürfen daher fragen, ob ihnen ein - wenngleich gesetzwidriger - Rabatt gewährt werde, und dürfen hiebei auch heimlich vorgehen, dh. ohne Aufdeckung ihres Auftraggebers und ihrer Funktion als Testkäufer. Sie dürfen aber nicht mit unerlaubten oder verwerflichen Mitteln auf einen Verstoß des Mitbewerbers hinwirken (vgl. Baumbach - Hefermehl aaO). Ein solches sittenwidriges Verhalten des Testkäufers wäre ein Rechtsmißbrauch und entzöge damit dem gegen den auf eine solche Weise zu einem gesetzwidrigen Verhalten angestifteten ("hineingelegten") Mitbewerber erhobenen Vorwurf eines rabattgesetzwidrigen Verhaltens die Grundlage.

Im vorliegenden Fall hat die Firma K dem von ihr beauftragten Testkäufer Friedrich S eine als Ausfolgeschein bezeichnete, gefälschte Urkunde mitgegeben. Das auf dieser Urkunde als deren Aussteller aufscheinende gewerbliche Unternehmen existierte nicht, die Unterschrift war gefälscht. Daß sich die Firma K für den Testkauf damit eines unerlaubten und verwerflichen Mittels bediente und daß Kunden in solchen Fällen sich anders verhalten, muß nicht weiter erörtert werden. Dieses Vorgehen der Firma K ist als Rechtsmißbrauch zu qualifizieren und entzieht daher dem der Klage zugrunde liegenden Vorwurf den Boden.