OGH vom 19.09.2019, 2Ob141/19b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé, sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2016 verstorbenen Dr. W***** K*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Witwe Mag. E***** K*****, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth und Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 266/18z-66, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ausländisches Vermögen:
Der Erblasser hatte im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Zum Nachlass gehören jedoch auch in Spanien befindliche Vermögenswerte.
1.1 Nach den insoweit klaren und unmissverständlichen Bestimmungen der EuErbVO ist der Nachlass von den österreichischen Gerichten abzuhandeln (Art 4 EuErbVO). Die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt nach Art 21 Abs 1 und Art 23 EuErbVO österreichischem Recht (Erbstatut). Nach Art 39 Abs 1 EuErbVO werden die in Österreich ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.
1.2 Daher hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 59/18t ausgesprochen, dass sich der Anwendungsbereich des durch die EuErbVO zwingenden Zuständigkeitsregimes ausschließlicher Zuständigkeiten auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen erstreckt, unter der ipsoiureAnerkennung in einem Mitgliedstaat ergangener Entscheidungen nach Art 39 Abs 1 EuErbVO jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung zu verstehen ist und diese Anerkennung im Anwendungsbereich der EuErbVO eine Wirkungserstreckung bedeutet. Die Entscheidung hat daher in jedem anderen Mitgliedstaat dieselben Wirkungen wie in jenem Mitgliedstaat, in dem sie ergangen ist.
1.3 Auch Art 19 EuErbVO räumt schon nach seinem klaren Wortlaut lediglich das Recht ein, dass einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen bei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats beantragt werden können als bei dem für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gericht. Diese Bestimmung steht nach ganz einhelliger Auffassung einer solchen Entscheidung durch das in der Hauptsache zuständige Gericht daher nicht entgegen. Das Hauptsachegericht kann alle einstweiligen oder sichernden Maßnahmen setzen, die erforderlich sind und im Rahmen des mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts zur Verfügung stehen (Gitschthaler in Deixler-Hübner/Schauer EuErbVO Art 19 Rz 4 mwN; vgl ferner Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn, Erbrecht3 [2019] EuErbVO Art 19 Rn 1; Rauscher in MüKoFamFG3 [2019] EuErbVO Art 19 Rn 2; vgl auch EuGH C391/95, VanUden/Deco-Line zur entsprechenden Problematik in vermögensrechtlichen Angelegenheiten).
1.4 Diese Grundsätze gelten auch für die vom Rekursgericht angeordnete Nachlassseparation gemäß § 812 ABGB, hier idF vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87). Einer von der Revisionsrekurswerberin geforderten „Einbindung“ spanischer Behörden bedarf es somit nicht.
2. Nachlassseparation:
2.1 Mit einer Nachlassseparation nach § 812 ABGB aF soll allen denkbaren Gefahren vorgebeugt werden, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben (RS0013073; RS0105648). Die Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben ist nicht der einzige Fall einer Gefährdung, dem durch Nachlassseparation begegnet werden kann (RS0013076). An die geforderte subjektive Besorgnis der drohenden Gefährdung ist kein strenger Maßstab anzulegen (RS0013070). Es genügt jede vernünftigerweise verständliche Besorgnis, der Erbe könnte den Nachlass als Deckungsfonds für Nachlassforderungen schmälern. Dazu müssen vom Gläubiger jene Umstände angegeben werden, welche die subjektive Besorgnis begründen, wozu es schlüssiger Behauptungen über eine konkrete, nicht bloß abstrakte Gefährdung der Einbringlichkeit seiner Forderung bedarf (2 Ob 144/15f mwN).
2.2 Ob im jeweils zu beurteilenden Fall konkrete Umstände behauptet wurden, die eine subjektive Besorgnis für die Einbringlichmachung der Forderung (hier die Forderung der Antragstellerin auf den Pflichtteil) begründen können, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ihrer Beurteilung kommt keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (vgl 2 Ob 112/17k; RS0013068 [T17]).
2.3 Die Ansicht des Rekursgerichts, das schlüssig behauptete, teilweise aktenkundige Verhalten der erbantrittserklärten Erbin, die im Rahmen der Todesfallaufnahme den Erlös aus dem Verkauf des Liegeplatzes des Motorboots des Erblassers in Spanien als Aktivum nicht angeführt und außerdem angekündigt habe, eine der erblasserischen Liegenschaften verkaufen zu wollen, begründe bei vernünftiger Überlegung die subjektive Besorgnis, die Erbin könnte den Deckungsfonds für die Ansprüche der Antragstellerin schmälern, hält sich im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl 3 Ob 227/07i).
2.4 Zutreffend hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass die Nachlassseparation nach § 812 ABGB aF den gesamten Nachlass umfasst und nicht hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände bewilligt werden kann (RS0013086).
3. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00141.19B.0919.000 |
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