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OGH vom 12.02.1998, 6Ob267/97a

OGH vom 12.02.1998, 6Ob267/97a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zur Eintragung angemeldeten S***** OEG, FN 153571s des Firmenbuches beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgericht infolge Revisionsrekurses der Gesellschafterinnen Margarete S*****, und Maria L*****, beide vertreten durch Dr.Franz Leopold, öffentlicher Notar in Graz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom , GZ 4 R 162/97v-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgerichtes vom , GZ 27 Fr 7664/96v-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß dem Eintragungsgesuch stattgegeben und dem Erstgericht die Eintragung der Gesellschaft aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Margarete S*****, wohnhaft in ***** St.G*****, und Maria L*****, wohnhaft ***** K*****, beantragten als Gesellschafterinnen, die von ihnen mit Gesellschaftsvertrag vom neu gegründeten S***** OEG mit dem Sitz in der politischen Gemeinde Graz und der Geschäftsanschrift ***** St.G***** und dem Geschäftszweig "der Erwerb, der Besitz und die Verwaltung der Eigentumswohnung Nr 3, G*****gasse *****, 8020 Graz" in das Firmenbuch einzutragen.

Nach meldepolizeilichen Erhebungen, daß die beiden Gesellschafterinnen keinen Nebenwohnsitz, insbesondere nicht in Graz, haben, legte das Erstgericht in Vorerledigung des Eintragungsgesuches den Antragstellern nahe, als Sitz der Firma St.G***** anzumelden, weil vorerst keine geeigneten stichhaltigen Daten Graz als Firmensitz rechtfertigten. Der Einschreiter teilte dem Firmenbuchgericht mit, als Sitz der Gesellschaft sei die Anschrift der Eigentumswohnung, die im Sinne des Unternehmensgegenstandes besessen und verwaltet werde, bestimmt worden. Unabhängig davon stehe es den Gesellschaftern frei, eine andere Anschrift als Geschäftsanschrift zu bestimmen, es werde daher neuerlich um antragsgemäße Eintragung ersucht.

Das Erstgericht wies daraufhin das Eintragungsgesuch ab. Es stellte fest, daß im Grundbuch als Eigentümerin der Wohnung Graz, G*****gasse ***** top 3 Genoveva R*****, geboren , eingetragen, hinsichtlich des Anteiles keine offenen Plomben vorhanden und auch keine Rangordnung der beabsichtigten Veräußerung eingetragen sei. Nach § 106 Abs 2 Z 2 HGB seien die Firma der Gesellschaft und der Ort, wo sie ihren Sitz habe, zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Sitz der Gesellschaft sei der Ort (politische Gemeinde), an dem die Verwaltung bzw Hauptverwaltung geführt werde. Das Recht der Personengesellschaften enthalte keine Vorschriften über die Festlegung des Gesellschaftssitzes im Gesellschaftsvertrag. Es stehe nicht in der Kompetenz der Gesellschafter, den Sitz im Gesellschaftsvertrag unabhängig von der tatsächlichen Betriebsleitung festzulegen. Der administrative Mittelpunkt der Gesellschaft befinde sich bis auf weiteres offenbar nur in St.G*****.

In ihrem Rekurs brachten die Gesellschafterinnen vor, die durch die Gesellschaft zu erwerbende und zu verwaltende Wohnung sei nach dem Tode von Genoveva R***** im Erbweg auf Maria M***** übergegangen, die sie ihrer Tochter Margarete S***** mit Schenkungsvertrag vom mit der Verpflichtung geschenkt habe, an ihre Schwester Maria L***** eine Ausgleichszahlung zu leisten. Zur Verrechnung dieser Ausgleichsforderung sei die gegenständliche Erwerbsgesellschaft gegründet worden, in welche Margarete S***** die Eigentumswohnung, ihre Schwester Maria L***** ihre Forderung einbringen. Im Gesellschaftsvertrag habe Margarete S***** bereits in die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die S***** OEG eingewilligt, die bücherliche Durchführung sei erst nach Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch möglich. Da beide Gesellschafterinnen nicht in Graz wohnhaft seien und die Wohnung von keinem der Gesellschafter selbst benützt werde, werde die Verwaltung der Wohnung in der Vermietung in Graz bestehen. Auch die Wahl des Gerichtsstandes für die Gesellschaft in Graz sei sinnvoll.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs keine Folge. Ohne auf das neue Vorbringen (dessen Richtigkeit die Rechtsmittelwerberinnen durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages vom , der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens nach Genoveva R***** und des Schenkungsvertrages vom erst mit dem Revisionsrekurs nachgewiesen haben) einzugehen, teilte es die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es entspreche dem überwiegenden Teil der Lehre, daß bei Personengesellschaften eine Disposition über den Sitz der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen sei, weil es nicht in der Kompetenz der Gesellschafter stehe, den Sitz im Gesellschaftsvertrag unabhängig von der tatsächlichen Betriebsleitung festzulegen. Im vorliegenden Fall fehle zumindest nach dem aktuellen Grundbuchsstand jeglicher Zusammenhang des beantragten Sitzes der Gesellschaft mit der realen Organisation der OEG. Die Rechtsmittelwerberinnen hätten nicht darlegen können, warum selbst für den Fall, daß der Sitz der Gesellschaft nicht frei gewählt werden könne, dieser für ihre konkrete Erwerbsgesellschaft jedenfalls in Graz sein müßte oder auch nur sein könnte.

Mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Wahl des Firmensitzes bei Personengesellschaften und wegen widersprüchlicher Lehrmeinungen erklärte das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist auch berechtigt.

Nach § 106 Abs 2 Z 2 HGB ist anläßlich eines Eintragungsgesuches einer Personalhandelsgesellschaft in das Firmenbuch auch deren Sitz anzumelden. Unter dem Sitz der Gesellschaft wird üblicherweise jener Ort (die politische Gemeinde) verstanden, an dem sich die Verwaltung, bei mehreren in Betracht kommenden Orten die Hauptverwaltung befindet. Während die überwiegende Lehre in Deutschland (insbesondere Mertens in Schlegelberger, HGB5 Rz 12 zu § 106 mwN; Heymann, HGB2 Rz 4 zu § 106, Baumbach/Hopt, HGB, Rz 8 zu § 106) und diesen folgend in Österreich Torggler-Kucsko in Straube, HGB2 Rz 18 zu § 106 die Ansicht vertreten, der Sitz sei durch objektive Merkmale (tatsächliche Verwaltung bzw Hauptverwaltung) bestimmt und könne nicht nach dem Willen der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag beliebig gewählt werden, seine Wahl sei also der Privatautonomie der Gesellschafter entzogen, steht ein Teil der Lehre in Deutschland, insbesondere Ulmer in Großkommentar4 Rz 16 bis 18 zu § 106 und in Österreich Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht4, 138 mwN auf dem Standpunkt, auch im Recht der Personalgesellschaften sei als Sitz der Gesellschaft nicht der tatsächliche Verwaltungssitz, sondern der von den Gesellschaftern gewählte Rechtssitz anzusehen.

Die Befürworter der alleinigen Maßgeblichkeit des Ortes des tatsächlichen Schwerpunktes der geschäftlichen Tätigkeit (insbesondere Mertens aaO) führen für ihren Standpunkt ins Treffen, daß eine dem Kapitalgesellschaftsrecht entsprechende Vorschrift (§ 5 GmbHG,§ 5 AktG) für Personenhandelsgesellschaften nicht bestehe. Der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft biete keine verläßliche Grundlage für eine entsprechende Sitzregelung. Er bedürfe grundsätzlich keiner besonderen Form und sei auch bei der Anmeldung nicht vorzulegen. Er könne daher formlos, also auch ohne Eintragung in das Firmenbuch geändert werden, es bestehe daher über die an die Sitzbestimmungen anknüpfenden Rechtsfolgen im Außenverhältnis keine hinreichende Klarheit. Auch das Argument, daß der Sitz der Gesellschaft ihrer Identitätsausstattung diene, seine Festlegung im Rahmen der Privatautonomie daher grundsätzlich Sache der Gesellschafter sein müsse, "zwinge nicht zur Aufgabe der überwiegend vertretenen Ansicht", denn auch nach dieser stehe die Wahl des tatsächlichen Tätigkeitsschwerpunktes der Gesellschaft im privatautonomen Belieben der Gesellschafter. Auch andere Gesellschafterinteressen, wie etwa firmenrechtliche Aspekte, reichten für die Anerkennung einer vereinbarten Sitzfestlegung nicht aus. Es sei vor allem zu bedenken, daß die Register-(Firmenbuch-)kontrolle, insbesondere die Erreichbarkeit der Gesellschaft für das Register-(Firmenbuch-)gericht wesentlich erschwert würde, wenn man ausschließlich auf die vertragliche Satzungsregelung abstellte. Das Verbot des Rechtsmißbrauches wäre demgegenüber keine ausreichende Schranke. Zudem bilde der Tätigkeitssitz zumeist den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit, sodaß sich der Rechtsverkehr auch darauf besonders einrichten könne.

Diesen Argumenten halten die Vertreter des gegenteiligen Standpunktes (insbesondere Ulmer aaO) entgegen, der Sitz der Gesellschaft gehöre zu ihrer Identitätsausstattung. Ihre Festlegung sei grundsätzlich Sache der Gesellschafter im Rahmen der Privatautonomie. Anhaltspunkte, warum für Personenhandelsgesellschaften insoweit anderes zu gelten habe als für Kapitalgesellschaften, seien nicht ersichtlich. Ein Interesse der Gesellschafter an der Sitzwahl ergebe sich allein schon aus den damit verbundenen Rechtswirkungen und aus den aus § 30 Abs 1 HGB hieraus anknüpfenden firmenrechtlichen Folgen. Erfordernis der Registerkontrolle und das Bedürfnis nach Erreichbarkeit der Gesellschaft durch das Registergericht stünden nicht entgegen, ihnen werde ebenso wie bei Kapitalgesellschaften schon dadurch genügt, daß die Sitzwahl nicht mißbräuchlich, d.h. willkürlich, erfolge. Auch das Fehlen von Vorschriften über den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages gebe keinen Anlaß, hinsichtlich der Bestimmung des Sitzes abweichend vom Willen der Gesellschafter zur Maßgeblichkeit des tatsächlichen Sitzes zu kommen. Nur bei begründeten Zweifeln könne das Registergericht weitere Nachweise verlangen.

Jabornegg, HGB Rz 19 zu § 106 vertritt eine vermittelnde Lösung insoweit, als er die Festlegung des Sitzes in erster Linie als Sache des Gesellschaftsvertrages ansieht. Um Mißbräuche zu verhindern, sei lediglich zu fordern, daß noch ein Zusammenhang mit der realen Organisation der Gesellschaft gegeben sein müsse. Es sei aber zu beachten, daß die gesellschaftsvertragliche Festlegung des Sitzes nicht stets maßgebend sein müsse. So knüpfe zB § 10 IPRG an den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung an. Für die Zuständigkeit des Firmenbuchgerichtes sei aber ohneweiteres vom (nicht bloß fiktiv) festgelegten gesellschaftsvertraglichen Sitz auszugehen (§ 120 Abs 2 JN). Gleiches gelte für den allgemeinen Gerichtsstand der Gesellschaft nach § 75 JN, in dessen Abs 1 Satz 2 klargestellt werde, daß als Sitz nur im Zweifel der Ort, wo die Verwaltung geführt werde, anzusehen sei.

Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß der Ausschluß jeglicher Privatautonomie und die Einschränkung der Sitzbestimmung bei Personenhandelsgesellschaften ausschließlich auf den Ort der Verwaltung oder Hauptverwaltung der Gesellschaft aus dem Gesetz und auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht abgeleitet werden kann. Gerade aus der Tatsache, daß im § 5 AktG der Sitz einer AG überall dort gewählt werden kann, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird und davon aus wichtigen Gründen überdies noch abgewichen werden kann, Gesellschafter einer GmbH nach § 5 Abs 4 GmbHG in der Wahl des Sitzes überhaupt nur so weit beschränkt sind, als der Ort im Inland gelegen sein muß und für Personalgesellschaften keinerlei Vorschriften über die Wahl des Sitzes bestehen, kann doch nicht abgeleitet werden, daß die Gesellschafter von Personengesellschaften, die generell in der privatautonomen Gestaltung viel weniger durch zwingende gesetzliche Bestimmungen eingeengt sind als Kapitalgesellschaften, bei der im Interesse der Öffentlichkeit und des geschäftlichen Verkehrs doch untergeordneten Sitzbestimmung keinerlei Spielraum haben sollten. Durch die Tatsache, daß seit Inkrafttreten des Firmenbuchgesetzes jedenfalls auch die Geschäftsanschrift des Unternehmens, die nach allgemein herrschender Ansicht nicht mit dem Ort des Firmensitzes übereinstimmen muß, einzutragen ist, wird eine Irreführung des Publikums oder Erschwernis der Auffindbarkeit der Verwaltung des Unternehmens weiter minimiert. Zutreffend verweist Jabornegg (aaO) auch darauf, daß § 75 JN für die örtliche Zuständigkeit von vornherein klarstellt, daß als Sitz nur im Zweifel der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, anzusehen ist. Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften (insbesondere § 75 JN oder § 10 IPRG) gelten überdies gleichermaßen auch für Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz nicht nach dem Standort der Hauptverwaltungstätigkeit wählen müssen. Schließlich können eine erschwerte Erreichbarkeit der Gesellschaft durch das Firmenbuchgericht und die Firmenbuchkontrolle in einem fast ausschließlich schriftlichen Verfahren und im Zeitalter direkter EDV-Anschlüsse und Firmenbuchabfragemöglichkeiten wohl kein Argument für die jegliche Privatautonomie verneinende Ansicht bilden.

Im Interesse des Rechtsverkehrs und zur Vermeidung von Mißbrauch, es sei hier nur auf § 30 HGB verwiesen, ist aber eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit insoweit zu fordern, als der Sitz in einem konkreten Zusammenhang mit der tatsächlichen Organisation (Betrieb, Geschäftsleitung oder Verwaltung) stehen muß und nicht ohne solchen Zusammenhang rein willkürlich gewählt werden darf.

Der erkennende Senat gelangt daher zu der Auffassung, daß der Sitz einer Personengesellschaft (OHG, KG, OEG oder KEG) nicht ausschließlich der Ort, an dem die Verwaltung oder bei mehreren in Betracht kommenden Orten der Hauptverwaltung geführt wird, ist, sondern von den Gesellschaftern so weit frei gewählt werden kann, als ein für das Publikum erkennbarer Zusammenhang mit der tatsächlichen Organisation des Unternehmens besteht.

Im hier zu beurteilenden Fall ist ausschließlicher Unternehmensgegenstand der zur Eintragung angemeldeten OEG der Erwerb, der Besitz und die Verwaltung einer in Graz gelegenen Eigentumswohnung. Selbst wenn man das Vorbringen der Rechtsmittelwerber im Rekurs und die im Revisionsrekurs vorgelegten, dieses Vorbringen bestätigenden Urkunden unberücksichtigt läßt, ist das Begehren auf Eintragung der OEG mit dem Sitz in Graz berechtigt. Die Verbücherung des Eigentums an der Wohnung zugunsten der OEG ist erst nach deren Eintragung im Firmenbuch möglich, das Unternehmen, der "Betrieb", nämlich die Eigentumswohnung, liegt in Graz und auch wesentliche Verwaltungshandlungen (Kontakte mit Mietern, Reparaturen, Besichtigungen usw) werden an dem von den Gesellschaftern gewählten Sitz des Unternehmens in Graz erforderlich sein, mag auch die kaufmännische, administrative Tätigkeit von dem als Geschäftsadresse bestimmten Wohnort einer Gesellschafterin aus erfolgen.

Das Erstgericht wird daher die Eintragung der OEG zu vollziehen haben.