OGH vom 31.08.1989, 6Ob13/89

OGH vom 31.08.1989, 6Ob13/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Zehetner und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Handelsregistersache der L***eder- und Textil-Handelsgesellschaft m.b.H., Graz, infolge Revisionsrekurses der Brigitte B***, Angestellte, Tschachoritsch 63, 9071 Köttmannsdorf und Caroline B***, Studentin, Ziegelstraße 17, 8045 Graz, beide vertreten durch Dr.Josef List, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 140/89-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 22 HRB 2575-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der Gesellschaft enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"13. Kündigung:

13.1. Jedem Gesellschafter steht das Recht zu, die Gesellschaft unter Einbehaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines Geschäftsjahres durch eingeschriebenen Brief an die der Gesellschaft zuletzt bekanntgegebene Anschrift aller Mitgesellschafter und durch eingeschriebenen Brief an die Gesellschaft zu kündigen. Die Kündigungsfrist gilt als gewahrt, wenn die Postaufgabe der Kündigungsschreiben spätestens am letzten Tag des ersten Geschäftshalbjahres erfolgte.

14. Auflösung und Liquidation:

14.1. Liquidatoren der Gesellschaft sind die Geschäftsführer."

Die Gesellschafterinnen Brigitte und Caroline B***, die zusammen über 25 % der Stammeinlagen verfügen, beantragten mit der Begründung, sie hätten mit eingeschriebenem Brief vom die Gesellschaft zum aufgekündigt, die Löschung der Gesellschaft. Außerdem brachten sie vor, seit Eintragung der Gesellschaft am sei niemals eine Generalversammlung einberufen oder abgehalten worden, "bis heute" sei lediglich eine Bilanz für den Rest des Jahres 1986 erstellt worden, die aber so mangelhaft gewesen sei, daß dem Geschäftsführer die Entlastung nicht habe erteilt werden können. Auf die Kündigung sei nicht reagiert worden, der Geschäftsbetrieb werde offenbar weitergeführt. Es bestünden daher berechtigte Zweifel, daß der bisherige Geschäftsführer oder der Prokurist in der Lage seien, die Gesellschaft gesetzeskonform zu liquidieren, weshalb der Antrag auf Bestellung eines Liquidators aus der Liste der Steuerberater bzw Wirtschaftstreuhänder gestellt werde.

Das Erstgericht wies diese Anträge ab. Es vertrat die Ansicht, die Löschung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung könne erst nach beendeter Liquidation im Handelsregister eingetragen werden. Zum Antrag auf Bestellung eines Liquidators sei auszuführen, daß die Gesellschafter in einer Generalversammlung die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen hätten. Die Gesellschaft sei von den Gesellschaftern bisher nicht aufgelöst worden. Es sei kein im § 84 GmbHG angeführter Umstand, der eine Auflösung der Gesellschaft nach sich ziehe, eingetreten. Eine Liquidationsfirma sei daher nicht angemeldet, es fehlten somit die Voraussetzungen für die Löschung der Gesellschaft nach beendetem Liquidationsverfahren. Da die Gesellschaft nicht aufgelöst sei, fehlten die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Liquidators gemäß den §§ 88, 89 GmbHG. Im übrigen sei zu bemerken, daß die gestellten Anträge sich widersprächen. Nach Löschung der Gesellschaft im Handelsregister sei ein Liquidator nicht mehr notwendig, die gerichtliche Bestellung eines Liquidators schließe die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister aber aus.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beiden Einschreiterinnen nicht Folge. Es führte aus, dem Rekurs könne selbst dann kein Erfolg beschieden sein, wenn man in Änderung der Reihenfolge der Antragstellung davon ausgehe, daß die Bestellung eines Liquidators und dann - nach Beendigung der Liquidation - die Löschung der Gesellschaft beantragt werde. Voraussetzung der Liquidation einer Gesellschaft mbH sei die Auflösung der Gesellschaft. Der Auflösung habe die Liquidation zu folgen (§ 89 Abs 1 GmbHG). Liquidatoren könnten daher frühestens gleichzeitig mit der Auflösung der Gesellschaft bestellt werden. Dies gelte insbesondere für vom Gericht zu bestellende Liquidatoren. Voraussetzung der gerichtlichen Bestellung von Liquidatoren sei daher die Auflösung der Gesellschaft und die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister. Die Rekurswerber behaupteten zwar, daß eine Auflösung der Gesellschaft mbH erfolgt sei, der Antrag auf Eintragung der Auflösung der Gesellschaft mbH sei aber bisher jedenfalls nicht gestellt worden. Solange aber nicht auch die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werde, könne eine Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht nicht erfolgen. Die Auflösung der Gesellschaft - und zwar auch eine solche durch Aufkündigung - sei vom Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Da es an einer solchen Anmeldung mangle, seien die Voraussetzungen für die Bestellung gerichtlicher Liquidatoren nicht gegeben. Vor Durchführung der Liquidation könne auch keine Löschung erfolgen. Auf die Frage, ob der Geschäftsführer zu einer Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft mbH bereit sei und wie vorzugehen sein werde, wenn eine solche Bereitschaft nicht bestehen sollte - etwa, weil er der Auffassung sein sollte, daß die Gesellschaft bisher noch nicht ordnungsgemäß aufgelöst worden sei - sei vorläufig nicht einzugehen, weil sich ein Sachverhalt in dieser Richtung noch nicht konkretisiert habe und keine dahingehenden Stellungnahmen oder Anträge vorlägen. Brigitte und Caroline B*** bekämpfen den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Bestellung von Liquidatoren und Löschung der Gesellschaft Folge gegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Verfehlt sind die Ausführungen im Revisionsrekurs, das Rechtsmittel sei gemäß § 528 ZPO zulässig, weil das Stammkapital der Gesellschaft S 500.000 betrage und daher der Streitwert S 300.000 übersteige, jedenfalls liege aber die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor. Die Rechtsmittelzulässigkeit richtet sich nämlich nicht nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung (nach diesen wäre ein Rekurs gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO unzulässig), sondern nach jenen des Außerstreitgesetzes. Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, wäre gemäß § 16 Abs 1 AußStrG ein Revisionsrekurs daher nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität zulässig. Derartige Gründe werden aber nicht geltend gemacht. Das Vorliegen einer Nichtigkeit oder einer Aktenwidrigkeit wird im Revisionsrekurs nicht behauptet. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung wird zwar geltend gemacht, die Rechtsmittelwerberinnen zeigen jedoch eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht auf. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg 44.642, 55.638 uva). Daß Liquidatoren zu bestellen sind, wenn Gesellschafter, die im Sinne des Gesellschaftsvertrages eine Kündigung eingebracht haben, dies beantragen, normiert das Gesetz nicht. Die Ansicht des Rekursgerichtes, die Geschäftsführer hätten alle Arten der freiwilligen Auflösung anzumelden - daher auch die der Kündigung - entspricht der Lehre (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 686 mwN in FN 2; vgl auch Kostner, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung3, 146). Die im Revisionsrekurs vertretene Ansicht, die Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft werde durch den Antrag der Gesellschafter ersetzt, findet im Gesetz keine Deckung. Die Ausführungen, auf Grund der gegebenen Umstände wäre die Auflösung amtswegig durchzuführen, wobei allenfalls der Geschäftsführer faktisch als Antragsgegner amtswegig aufzufordern gewesen wäre, die Auflösung der Gesellschaft anzumelden, sind schon deshalb nicht zielführend, weil es sich hier um eine Verfahrensfrage handelt, offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG aber nur Verstöße gegen materiellrechtliche Bestimmungen, nicht aber verfahrensrechtliche Unrichtigkeiten betreffen kann (EFSlg 44.644, 52.762, 55.710 uva).

Die Frage, was die Revisionsrekurswerberinnen tun können, um die im Gesellschaftsvertrag durch Kündigung vorgesehene Auflösung der Gesellschaft zu erreichen, ist in dieser Entscheidung nicht zu erörtern.