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OGH vom 13.02.1979, 2Ob578/78

OGH vom 13.02.1979, 2Ob578/78

Norm

ABGB § 881;

ABGB § 914;

ABGB § 1346;

Kopf

SZ 52/18

Spruch

Unterscheidung zwischen Bankgarantie und Bürgschaft

OGH 13. Feber 1979, 2 Ob 578/78 (OLG Innsbruck 5 R 254/78; LG Feldkirch 4 Cg 2198/77)

Text

Die Firma Gebrüder K und eine Arbeitsgemeinschaft zwischen dieser Firma und der Firma H & R B führten im Auftrag der klagenden Partei Zimmermanns- und Bauarbeiten durch. Die klagende Partei war auf Grund ihrer mit den genannten Firmen abgeschlossenen Vereinbarungen berechtigt, für allfällige Gewährleistungsansprüche einen Haftungsrücklaß zurückzubehalten.

Die genannte Arbeitsgemeinschaft ersuchte die klagende Partei mit Schreiben vom ungeachtet gewisser noch ausstehenden Arbeiten für die schon erbrachten Leistungen gegen Zusendung eines Bankhaftbriefes in Höhe von 453 000 S 5% der bisher insgesamt erbrachten Leistungen) mit einer Laufzeit vom bis einen Restbetrag von 245 134.83 S auszuzahlen. Mit Schreiben vom ersuchte die Arbeitsgemeinschaft die beklagte Partei (Raiffeisenbank L) um Ausstellung eines Garantiebriefes für die Ausführung der Baumeisterarbeiten beim Sporthotel L in Höhe von 455 000 S und einer Laufzeit bis an die klagende Partei. Die beklagte Partei fertigte auf Grund dieses Schreibens eine mit datierte Erklärung mit folgendem Wortlaut aus:

"Betrifft: Haftungserklärung

Die Arbeitsgemeinschaft H & R B, Baugeschäft L, und Gebrüder K,Baugeschäft L, hat für geleistete Baumeisterarbeiten beim Sporthotel H einen Haftrücklaß von 455 000 S sicherzustellen.

Die gefertigte Raiffeisenbank L, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, übernimmt hiemit für die obgenannte Firma für den Betrag von 455 000 S (in Worten: vierhundertfünfundfünzigtausend Schilling) die Haftung als Bürge und Zahler im Sinne des ABGB bis zum , an welchem Tage diese Haftung ihre Gültigkeit verliert ....."

Auf ein dem erwähnten Schreiben vom ähnliches Schreiben hatte die beklagte Partei schon am eine im übrigen gleichlautende Haftungserklärung zugunsten der Firma Gebrüder K über einen Betrag von 21 000 S ausgestellt.

Die beiden Haftungserklärungen wurden der klagenden Partei zugemittelt und von dieser unbeanstandet angenommen.

Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrte die klagende Partei mit einer am eingelangten Klage von der beklagten Partei 476 000 S samt 12% Zinsen seit . Die erwähnten Haftungserklärungen der beklagten Partei seien als Bankgarantie zu werten. Die beklagte Partei könne daher die Auszahlung des Klagsbetrages nicht unter Hinweis darauf ablehnen, es stehe ihr das Recht zu, die Berechtigung der Inanspruchnahme der Haftrücklässe zu überprüfen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß sie auf Grund der von ihr abgegebenen Erklärungen nur als Bürge und Zahler hafte. Sie könne daher nur in Anspruch genommen werden, wenn feststehe, daß die beiden in der Arbeitsgemeinschaft vereinigten Firmen bzw. die Firma Gebrüder K schadenersatz- oder gewährleistungspflichtig seien.

Das Erstgericht gab der Klage mit 476 000 S samt 5% Zinsen seit statt, das Mehrbegehren wies es ab.

Es traf die Feststellungen, deren wesentlicher Inhalt eingangs wiedergegeben wurde.

In rechtlicher Hinsicht schloß es sich der Beurteilung der klagenden Partei an und legte die beiden Haftungserklärungen der beklagten Partei als Bankgarantie aus. Die beklagte Partei könne daher von der klagenden Partei ohne Angabe von Gründen auf Grund der Bankgarantie in Anspruch genommen werden. Dies sei in der Baubranche so üblich. Die beklagte Partei berufe sich selbst in ihren Erklärungen darauf, daß es sich um einen Haftrücklaß handle, sie sei auch von ihren Auftraggebern ausdrücklich angewiesen worden, einen Garantiebrief auszustellen. Wenn die beklagte Partei in ihren Erklärungen dann auch den Ausdruck "Bürge und Zahler" verwendet habe, so bedeute dies nicht, daß die beklagte Partei damit nur eine akzessorische Haftung erklärt habe. Weil die klagende Partei die beklagte Partei innerhalb der Haftzeit in Anspruch nehme, sei daher die beklagte Partei ohne Prüfung des Rechtsgrundes zur Zahlung im Umfange der Haftungssumme verpflichtet.

Auf Grund einer von der beklagten Partei erhobenen Berufung, die nur den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend machte, bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes.

Auch das Berufungsgericht kam in Auslegung der beiden Haftungserklärungen in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, daß eine vom Bestand der gesicherten Hauptschuld unabhängige Bankgarantie vorliege. Auf die von der beklagten Partei gewählte Bezeichnung komme es nicht an. Der Gebrauch der Worte, es werde die "Haftung als Bürge und Zahler" übernommen, brauche der Annahme eines selbständigen Garantievertrages bei sonst deutlicher Formulierung der "abstrakten" Verpflichtung daher nicht entgegenzustehen. Bei Unklarheiten müsse der Vertrag aus seinem Geschäftszweck und der Interessenlage ausgelegt werden. Dabei komme es aber nicht darauf an, wie die beklagte Partei ihre Erklärungen allenfalls verstanden wissen wollte, sondern es sei der objektive Sinn der Erklärung maßgebend. Dieser spreche aber für eine abstrakte Bankgarantie.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der von der beklagten Partei auch im Revisionsverfahren wiederholten Auffassung, die Untergerichte hätten erforschen müssen, welche Haftung die beklagte Partei übernehmen wollte, als sie ihre beiden "Haftungserklärungen" abgab, kann nicht beigepflichtet werden.

Bei Verkehrsgeschäften gilt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht die Willens-, sondern die Vertrauenstheorie (HS V/32; EvBl. 1972/111; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 73 und 400). Unter der gemäß § 914 ABGB zu erforschenden Absicht der Parteien ist daher nicht die Auffassung einer Partei oder ein nicht erklärter und nicht kontrollierbarer Parteiwille, sondern nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen, den jeder der vertragschließenden Parteien redlicherweise der Vereinbarung unterstellen muß. Nach § 914 ABGB ist also dann, wenn ein Vertrag oder eine Erklärung ausgelegt wird, nicht zu erforschen, welchen subjektiven, dem Gegner nicht erkennbaren Willen die erklärende Partei hatte, sondern nur, wie der andere Vertragsteil die Erklärung verstehen mußte (MietSlg. 22 073, 23 080, 27 117; RZ 1966, 148). Dies gilt um so mehr für den vorliegenden Fall, wo nach den von den Untergerichten getroffenen Feststellungen über den Wortlaut der Haftungserklärungen der beklagten Partei keinerlei Verhandlungen zwischen den Streitteilen oder auch zwischen der beklagten Partei und ihren beiden Auftraggebern stattfanden. Die beiden Haftungserklärungen sind also auf Grund ihres Wortlautes aber auch auf Grund ihres aus den Urkunden selbst ersichtlichen Geschäftszweckes so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

Die beklagte Partei irrt aber auch, wenn sie annimmt, ihre beiden Haftungserklärungen seien zumindest im Zweifel nur als Bürgschaft zu deuten.

Zwar entspricht es im Hinblick auf das beträchtliche Risiko, das bei einer Bankgarantie für die garantierende Bank besteht, der Verkehrssitte, daß ihr Wortlaut - ähnlich der sogenannten Akkreditivstrenge - genau zu beachten ist und immer besondere Gründe vorliegen müssen, um von ihm im Wege der Auslegung abzuweichen (Schinnerer, Bankverträge[3] II, 313). Andererseits unterscheidet aber die geschäftliche Praxis nicht immer genau zwischen Bankgarantie und Bürgschaft. Oft wird beides scheinbar zusammengefaßt ("Wir garantieren als Bürge und Zahler ....." oder

wie hier "Übernimmt ..... zur Sicherstellung eines Haftrücklasses

..... als Bürge und Zahler ..... die Haftung bis zum ....."), ohne

daß aber deshalb allein schon zwingend auf das eine oder andere Rechtsinstitut geschlossen werden könnte. Die Verwendung des Ausdruckes, es werde die Haftung als Bürge und Zahler übernommen, steht daher der Annahme einer Bankgarantie nicht entgegen (Schinnerer, a.a.O., 283, oder Entscheidungen wie JBl. 1965, 262; EvBl. 1970/202, EvBl. 1976/191; JBl. 1978, 204).

Wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, können die beiden Haftungserklärungen Beilage B und C nur im Sinne einer Bankgarantie ausgelegt werden. Insoweit der reine Wortlaut gewisse Unklarheiten entstehen lassen könnte, war nämlich der Vertrag aus den Umständen, insbesondere aus seinem Geschäftszweck und der Interessenlage auszulegen (SZ 48/130; Koziol in JBl. 1964, 311), und hier spricht alles für eine Bankgarantie. Die Haftungserklärung sollte nämlich der klagenden Partei ein Äquivalent für den ihr sonst zustehenden Haftrücklaß bieten, worauf die beklagte Partei in den beiden Urkunden ausdrücklich Bezug nimmt, damit die klagende Partei bereit sei, die volle Fakturensumme sofort zu bezahlen, dafür aber für den Fall der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen sofort auf die dem Haftrücklaß entsprechende Bankgarantie greifen zu können. Auch die Verwendung der Worte "Bankhaftbrief" bzw. noch deutlicher "Garantiebrief" im Schreiben der Kunden der beklagten Partei vom kann nur so verstanden werden, daß die beklagte Partei eine Bankgarantie abgeben sollte.

Steht aber so fest, daß eine Bankgarantie vorliegt, dann war die beklagte Partei bei dieser besonderen Art der Bankgarantie nicht berechtigt, Nachweise für das Vorliegen eines Gewährleistungsfalles zu verlangen. Anders als etwa bei einer Bankgarantie, die der Sicherstellung des Kaufpreises für eine Warenlieferung dienen soll, wo die Vorlage von Nachweisen über die Warenlieferung durchaus üblich ist, ehe der Begünstigte auf die Bankgarantie greifen kann, ist daher die beklagte Partei verpflichtet, schon über erste und bloße Anforderung und unter Verzicht auf alle Einwendungen schon dann zu bezahlen, wenn die aus der Garantie begünstigte klagende Partei den Eintritt des Rücklaßfalles nur behauptet, gleichgültig, ob der klagenden Partei gegen ihre Vertragspartner aus dem Grundgeschäft ein Anspruch wirklich zustand oder nicht (Schinnerer a. a.O., 332; EvBl. 1970/202; 5 Ob 135/71 = Bank Arch. 1973, 166, 6 Ob 635/76).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.