OGH vom 08.11.2001, 6Ob266/01p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) A*****, 2.) A***** GmbH, *****, beide vertreten durch DDr. Meinhard Ciresa, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Parteien 1.) Verein gegen T 2.) Dr. Franz-Joseph P*****, beide vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 83/01i-13, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes als Handelsgericht St. Pölten vom , GZ 4 Cg 1/01z-4, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
In einer Presseaussendung des erstbeklagten Vereines vom an die Austria Presse Agentur, in der zu einer an nächsten Tag stattfindenden Demonstration gegen die Subventionierung der "Beseitigung" von Rindern im Zusammenhang mit dem "BSE-Skandal" aufgerufen wurde, heißt es unter anderem:
"Gleichzeitig wird das Budget der A***** ("Agrarmafia Austria") um 90 Millionen erhöht, während Bio-Organisationen von 14 auf lächerliche 11 Millionen gekürzt werden sollen.
Das Geld für die Agrarindustrie ist wichtig: denn das Landwirtschaftsministerium und die A***** versuchen nun, in sündteuren Werbekampagnen den - in Zeiten der offenen Grenzen völlig absurden - Eindruck zu erwecken, Österreich sei automatisch eine Insel der Seligen und auf Ewigkeit BSE-frei. Das A*****-"Gütesiegel" versucht zudem ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen unterscheidet und setzt in ihrer Werbestrategie auf die Vermittlung einer "heilen Welt" mit Kühen auf der Alm und Schweinen im Stroh, ohne die traurige und oft brutale Realität in Österreichs Tierfabriken zu erwähnen. Über artgerechte Tierhaltung findet sich in den A*****-Richtlinien hingegen keine Zeile. Das ist staatlich subventionierter, vorsätzlicher Betrug am Konsumenten!"
Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen, herabsetzende Behauptungen über die Kläger, insbesondere die Bezeichnung als "Agrarmafia Austria" sowie die Behauptungen, das A*****-"Gütesiegel" versuche ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen unterscheidet und dass die A*****-Richtlinien staatlich subventionierter Betrug am Konsumenten seien sowie sinngleiche Behauptungen zu unterlassen. Zugleich stellten sie ein entsprechendes Sicherungsbegehren. Bei den zitierten Äußerungen handle es sich um Tatsachenbehauptungen, die unrichtig seien und sowohl den Tatbestand der Kreditschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB als jenen der Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB erfüllten.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrages. Das A*****-Gütesiegel täusche eine Garantie über die nachvollziehbare Herkunft der Waren vor und erwecke den irreführenden und unrichtigen Eindruck, dass es sich um überdurchschnittlich gute Ware im Sinne eines Biolandbaues handle, wie sich aus der vom österreichischen Steuerzahler subventionierten Werbekampagne der erstklagenden Partei ergebe. Die strittigen Äußerungen seien als Werturteil auf Basis eines wahren Sachverhaltes zu beurteilen. Eine mögliche Kreditschädigung werde bestritten, weil die klagenden Parteien ihre Einkünfte einzig und allein aus Zwangsbeiträgen oder öffentlichen Subventionen bezögen.
Das Erstgericht verpflichtete mit einstweiliger Verfügung die Beklagten, herabsetzende Behauptungen über die klagenden Parteien, insbesondere die Bezeichnung der klagenden Parteien als "Agrarmafia Austria" sowie die Behauptung, das A*****-"Gütesiegel" versuche ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen unterscheide, sowie sinngleiche Behauptungen zu unterlassen; das auf Unterlassung der Behauptung, die A*****-Richtlinien seien staatlich subventionierter Betrug am Konsumenten sowie auf Unterlassung sinngleicher Behauptungen gerichtete Sicherungsbegehren wies es ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Parteien Folge und dem Rekurs der beklagten Parteien teilweise Folge. Es bestätigte die Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich der Bezeichnung der klagenden Parteien als "Agrarmafia Austria". Es verbot jedoch in Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes den Beklagten auch zu behaupten, die A*****-Richtlinien stellten staatlich subventionierten Betrug am Konsumenten dar sowie das Aufstellen sinngleicher Behauptungen. Hingegen wies es - auch insoweit in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses - das Mehrbegehren, den beklagten Parteien die Behauptung zu untersagen, das A*****-"Gütesiegel" versuche ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen Landbau unterscheide sowie das Mehrbegehren auf Untersagung "herabsetzender Behauptungen" ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte zu der - im Revisionsrekursverfahren allein noch strittigen - Behauptung, das A*****-"Gütesiegel" versuche ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen Landbau unterscheide, aus, dass diese Behauptung zumindest bei isolierter Betrachtungsweise im Tatsachenkern als wahr zu beurteilen und für sich allein als nicht rufschädigend anzusehen sei. Da im Klagebegehren und im Sicherungsantrag die Unterlassung dieser Behauptung begehrt werde, ohne einen Zusammenhang mit der weiteren Behauptung herzustellen, die A*****-Richtlinien seien ein staatlich subventionierter Betrug am Konsumenten, verbiete sich die sonst maßgebliche Beurteilung der Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang. Wie sich aus der vom Erstgericht näher dargestellten Werbekampagne der klagenden Parteien ergebe, versuchten diese ganz bewusst den Eindruck zu erwecken, dass das mit dem A*****-Gütezeichen versehene Fleisch von naturbelassen gehaltenen Tieren ("Rindfleisch von der Alm", österreichisches Schweinefleisch von bäuerlichen Familienbetrieben) stamme, wobei auch deutlich auf eine umweltgerechte Wirtschaftsweise hingewiesen werde. Es entstehe durch diese Werbegestaltung der Eindruck, mit dem A*****-Gütesiegel versehene Waren seien besonders "naturbelassen". Im Hinblick darauf, dass die Gewichtigkeit des Themas dem Recht auf freie Meinungsäußerung den höheren Stellenwert zuteile, sei in der Behauptung des bewussten Verschleierns der Unterschiede zwischen Biolandbau und konventionellem Landbau ein Wertungsexzess nicht zu erkennen.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Bedeutung der Frage über den Einzelfall hinausgehe, ob eine beanstandete Äußerung auch dann nach dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen sei, wenn sie bei isolierter Betrachtungsweise nicht gegen § 1330 ABGB verstoße und die Äußerungen nicht in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Sicherungsbegehrens seien, sondern nur die losgelöste Aufstellung der einzelnen Behauptung verboten werden solle.
Der Revisionsrekurs der klagenden Parteien, der sich ausschließlich gegen die Abweisung des Mehrbegehrens betreffend die Äußerung über das A*****-"Gütesiegel" richtet, ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Da den Beklagten nunmehr ohnehin rechtskräftig verboten wurde, die klagenden Parteien als "Agrarmafia Austria" und die A*****-Richtlinien als "staatlich subventionierten Betrug am Konsumenten" zu bezeichnen, kann dahingestellt bleiben, ob der vom Rekursgericht in dieser Ausdrucksweise erblickte Vorwurf krimineller Verhaltensweise, der nicht erwiesen worden sei, noch verstärkt wurde. Die klagenden Parteien haben auch gar nicht begehrt, dass die allein noch strittige Äußerung nur im Zusammenhang mit den beiden anderen Äußerungen, deren Unterlassung ebenfalls gesichert werden sollte, verboten werden soll. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob zusätzlich zu den Wendungen "Agrarmafia Austria" und "staatlich subventionierter Betrug am Konsumenten" auch die noch strittige Formulierung betreffen das A*****-Gütesiegel einen rechtswidrigen Eingriff in die durch § 1330 ABGB geschützten Rechte der klagenden Parteien darstellt.
Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers. Diesen in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachten Grundsatz (zuletzt etwa 6 Ob 112/00i; 6 Ob 149/01g) hat das Rekursgericht ohnehin beachtet, weil es in seine Erwägungen die mit der strittigen Presseaussendung ins Spiel gebrachte Werbestrategie der Klägerinnen (Vermittlung einer "heilen Welt" mit Kühen auf der Alm und Schweinen im Stroh ...") bei der Abwägung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung auf Ehre im Sinn des § 1330 ABGB miteinbezog. Wie sich aus der gesamten Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, bezieht sich seine Ausführung, dass die noch strittige Äußerung "nur isoliert und nicht nach dem Gesamtzusammenhang der Presseaussendung "zu beurteilen sei, nur auf die darin ebenfalls enthaltenen Vorwürfe der "Agrarmafia" und des "staatlich subventionierten Betruges", die aber ohnehin bereits im Sinne des Sicherungsbegehrens verboten wurden.
Die Vorinstanzen nahmen - vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar - als bescheinigt an, dass die Werbekampagne der klagenden Parteien darauf hinweise, dass das mit dem A*****-Gütezeichen versehene Fleisch von naturbelassen gehaltenen Tieren und von umweltgerecht wirtschafteten Produzenten stamme sowie dass diese Waren besonders naturbelassen seien, was aber nicht in allen Fällen zutrifft. Unter diesen Umständen kann in der Ansicht des Rekursgerichtes, dass der noch strittigen Äußerung ein zumindest im Tatsachenkern wahrer Sachverhalt zugrundeliegt und die darauf beruhende Kritik der Beklagten nicht rechtswidrig ist, eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten und jedermann eingeräumten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 13 StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange wertende Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschreiten, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig seien (RIS-Justiz RS0054817). Der noch strittige Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes steht mit diesen Grundsätzen und auch mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang, dass in Umweltfragen in einer pluralistischen Gesellschaft zum Spannungsverhältnis Ökologie-Ökonomie eine härtere Ausdrucksweise für zulässig erachtet werden muss (6 Ob 2230/96a = MR 1997, 256 = RdU 1998/92 [zustimmend Kerschner]).
Der Revisionsrekurs der klagenden Parteien ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und den §§ 40 und 50 ZPO. Die Revisionsrekursbeantwortung enthält keine Ausführungen zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses mangels erheblicher Rechtsfragen und diente daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
Fundstelle(n):
UAAAD-48478