OGH vom 19.12.2018, 7Ob210/18k

OGH vom 19.12.2018, 7Ob210/18k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch die Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 128.404,48 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 124/18z45, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der von der Beklagten behauptete Mangel des Berufungsverfahrens infolge angeblich aktenwidriger Verneinung eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels wegen einer auf § 179 ZPO gestützten Zurückweisung eines Beweisantrags liegt nicht vor. Die Ablehnung der Vernehmung eines Zeugen durch das Erstgericht hat das Berufungsgericht nämlich nicht infolge aktenwidriger Wiedergabe des Sachverständigengutachtens, sondern aufgrund – im Revisionsverfahren nicht überprüfbarer (vgl RIS-Justiz RS0043298 [T3]) – Schlussfolgerungen daraus für berechtigt erachtet. Es liegt damit ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel vor, der nicht mehr erfolgreich mit Revision neuerlich geltend gemacht werden kann (vgl 3 Ob 193/13y; RIS-Justiz RS0036897).

2. Das Berufungsgericht ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht von jenen Grundsätzen abgewichen, die die Rechtsprechung zu § 1170a Abs 2 ABGB entwickelt hat:

2.1. Geht man davon aus, dass die von den Parteien trotz fehlender Kenntnis der zu transportierenden „Kubaturen“ vereinbarte „Auftragssumme“ als Kostenvorschlag ohne Gewährleistung zu werten ist, dann hatte die Klägerin entsprechend der getroffenen Vereinbarung „eventuell auftretende Mehrkosten … unverzüglich … schriftlich mitzuteilen“ und die beklagte Auftraggeberin hat sich für diesen Fall das Recht vorbehalten, „vom Vertrag zurückzutreten“.

2.2. Unterlässt es der Unternehmer, eine beträchtliche Überschreitung unverzüglich anzuzeigen, verwirkt er nach der Rechtsprechung jeden Anspruch wegen Mehrarbeit, selbst dann, wenn der Besteller eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlags aus den Umständen vermuten musste (RIS-Justiz RS0022018). Erweist sich ein gegenüber dem Kostenvoranschlag zusätzlicher oder andersartiger Aufwand an Arbeit und Material als unvermeidlich, um das ursprünglich vereinbarte Werk herstellen zu können, was zu einer beträchtlichen Überschreitung des Kostenvoranschlags führen muss, dann genügt das Einverständnis des Bestellers mit diesem zusätzlichen oder andersartigen Aufwand allein noch nicht, um annehmen zu können, der Besteller habe damit die Mehrkosten ungeachtet des Unterbleibens einer Anzeige des Unternehmers im Sinn des § 1170a Abs 2 ABGB übernehmen wollen. Wenn allerdings – wie die Beklagte selbst einräumt – der Besteller in einem solchen Fall nach den Umständen zweifelsfrei (§ 863 ABGB) einer Vertragsänderung sowohl hinsichtlich des herzustellenden Werks als auch hinsichtlich des dafür gebührenden Werklohns zustimmt, wird eine neue Vertragslage und dadurch eine neue Sach- und Rechtslage geschaffen, sodass § 1152 ABGB zur Anwendung kommt (RIS-Justiz RS0014171).

2.3. Die Klägerin hat der Beklagten neben den Liefer- und Wiegescheinen mehrere Teilrechnungen übermittelt. Mit der 2. Teilrechnung hat die Klägerin den bis dahin aufgelaufenen Gesamtnettobetrag von 60.897,48 EUR bekannt gegeben. Damit stand eindeutig fest, dass die (geschätzte) „Auftragssumme“ von 73.600 EUR an den nächsten 2–3 „Transporttagen“ zwangsläufig überschritten sein musste. Dennoch hat die Beklagte trotz dieser schriftlichen Mitteilung des aktuellen Kostenstands durch die Klägerin weiter Leistungen über etwa 8 „Transporttage“ verlangt und dadurch letztlich eine Auftragssumme von (brutto) 123.674,48 EUR generiert. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage im Ergebnis von einer infolge schlüssiger Zustimmung der Beklagten herbeigeführten geänderten Vertragslage ausgegangen sind, dann hält sich diese
– notwendigerweise einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0109021 [T5]) – Beurteilung im Rahmen der zu § 863 ABGB entwickelten Judikaturgrundsätze.

3. Die Beklagte macht somit keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00210.18K.1219.000

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