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OGH vom 25.06.1974, 4Ob321/74

OGH vom 25.06.1974, 4Ob321/74

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatlich genehmigte Gesellschaft ***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Walter Haindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl L*****, vertreten durch Dr. Rudolf Mandl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 14/74-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 4 Cg 1938/72-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.820,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.200,- an Barauslagen enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Den Entscheidungen der Untergerichte liegen folgende wesentliche, von den Parteien unbekämpfte Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde:

Die klagende Partei ist eine Verwertungsgesellschaft, deren Aufgabe darin besteht, Vortrags- oder Senderechte an Sprachwerken, oder Aufführungs- oder Senderechte an Werken der Tonkunst dadurch nutzbar zu machen, daß den Veranstaltern von öffentlichen Vorträgen, von konzertmäßigen Aufführungen oder von Rundfunksendungen die dazu erforderlichen Werknutzungsbewilligungen erteilt werden; ferner diese Rechte in- und ausländischer Urheber zu wahren und nutzbar zu machen. Durch Verträge mit zahlreichen inländischen Urhebern von Werken der Tonkunst und durch Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ausländischen Verwertungsgesellschaften umfaßt der von der klagenden Partei geschützte Werkbestand praktisch das gesamte Musikrepertoire der Kulturstaaten der Welt.

Der Beklagte ist Inhaber eines Radio- und Elektrounternehmens mit dem Sitz in Feldkirch. Er betreibt seit ca. 10 Jahren im Bereiche dieser Stadt ein sogenanntes Kabelfernsehsystem, mit dessen Hilfe derzeit vier Fernsehprogramme empfangen werden können, und zwar das erste österreichische (FS 1) vom Sender Vorderälpele, das erst deutsche (D 1) vom Sender Raichberg, das zweite deutsche (D 2) vom Sender Ravensburg und das Schweizer Programm (S 1) vom Sender Buchserberg. Die Einbeziehung des zweiten österreichischen Fernsehprogrammes (FS 2) ist geplant.

Die von diesen Sendern ausgestrahlten Programme enthalten zum Großteil Musikstücke, die dem von der klagenden Partei urheberrechtlich geschützten Werkbestand zugehören. Das vom Beklagten kommerziell betriebene Kabelfernsehsystem, an das zunächst nur 5 bis 10 Teilnehmer angeschlossen waren, wurde im Laufe der Jahre immer mehr erweitert und umfaßt derzeit 694 Anschlüsse. Sein Versorgungsbereich erstreckt sich praktisch auf die gesamte Innenstadt von Feldkirch in einer Länge von ca. 1100 bis 1300 m und in einer Breite von ca. 800 m. Für den Anschluß bezahlen die Interessenten an den Beklagten eine einmalige Anschlußgebühr von S 4.500,- und eine jährliche Wartungsgebühr von S 300,-. Das Kabelfernsehsystem des Beklagten besitzt folgende technische Beschaffenheit:

Auf dem Ardetzenberg steht ein 10 m hoher Stahlrohrmast, der mehrere Antennen trägt, mit denen die Programme der vier genannten Fernsehsender empfangen werden können. Die so empfangenen Signale werden über verschiedene Verstärker und Umsetzer mittels eines 600 m langen Koaxialkabels in das Geschäftslokal der Firma L***** geleitet, wo außerdem noch drei Überdachantennen montiert sind. Von hier werden die gesammelten Signale mittels Kanal- und Kanalgruppenverstärker auf vier Kabelstränge (Neustadt, Vorstadt, Geschäft und Marktgasse) verteilt und durch entsprechende Abzweigungen von diesen Hauptsträngen den angeschlossenen Fernsehteilnehmern zugeleitet. Dieses System hat die Struktur eines Sternnetzes mit Abzweigungen. Die Anlage ist technisch als Großgemeinschaftsantennenanlage zu bezeichnen, die sich von einfachen Gemeinschaftsantennenanlage vor allem durch vermehrten Einsatz verschiedener Arten von Verstärkern und Umsetzern unterscheidet. Alle Antennen (Einzel-, Gemeinschafts- und Großgemeinschaftsantennen) dienen dem Zweck der Herstellung geeigneter Empfangbedingungen.

Beim Empfang einer Fernsehsendung sind grundsätzlich folgende drei physikalische Vorgänge zu unterscheiden:

a) Zuerst werden die vom jeweiligen Sender ausgestrahlten Elektromagnetischen Wellen mittels einer Antenne empfangen, die unabdingbar Bestandteil jeder Empfangsanlage ist, und durch Leitungen allenfalls nach Einsatz von Verstärkern und Umsetzern den Empfangsgeräten zugeleitet.

b) Erst im Empfangsgerät findet die sogenannte Demodulation statt, d. h. die Umwandlung der hochfrequenten Spannung in eine der Nachricht entsprechende niederfrequente Spannung.

c) Das elektrische Signal wird nunmehr mittels eines Wandlers (Lautsprecher, Bildwiedergaberöhre) den menschlichen Sinnesorganen wahrnehmbar gemacht.

Die Wirksamkeit einer Antennenanlage wird vor allem durch den technischen Aufwand bestimmt, d.h. durch die Höhe des Antennenmastes, durch das Absetzen der Antenne an dem geographisch günstigsten Punkt sowie durch die Verwendung von Verstärkern, Umsetzern und dgl. Die Gemeinschaftsantennenanlage ist technisch als eine "Fernsehvermittlungsanlage" anzusehen. Sie unterscheidet sich von der Rundfunkvermittlungsanlage im klassischen Sinn, wie sie etwa in Hotels, Spitälern etc. Verwendung findet, technisch wie folgt:

a) Die Rundfunkvermittlungsanlage übermittelt das Signal im Niederfrequenzbereich, die Gemeinschaftsantennenanlage im Hochfrequenzbereich.

b) Die Rundfunkvermittlungsanlage übermittelt das Signal bereits demoduliert, die Gemeinschaftsantennenanlage dagegen moduliert.

c) Der Empfangsteil ist bei der Rundfunkvermittlungsanlage (in Hinkunft RVA genannt) zentral aufgestellt und jeder Teilnehmer hat nur einen Wandler (Kopfhörer oder Lautsprecher). Bei der Gemeinschaftsantennenanlage (in Hinkunft GAA genannt) hat jeder Teilnehmer ein vollständiges Empfangsgerät.

d) Über die RVA kann nur das Programm empfangen werden, auf welches das zentrale Empfangsgerät abgestimmt ist. Bei der GAA kann der Teilnehmer nach seinem Belieben verschiedene Programme einstellen, einschließlich solcher, die nicht über die GAA eingespeist werden.

e) Die RVA enthebt den Teilnehmer der mit der Bedienung einer drahtlosen Empfangsanlage verbundenen Mühe. Es gibt, wenn überhaupt, nur einen Programmwahlschalter und einen Lautstärkeregler. Dem Teilnehmer an einer GAA bereitet die Einstellung der Programme ebenso viel und ebenso wenig Mühe wie die Einstellung der drahtlos empfangenen Programme.

f) Bei der RVA hat der Teilnehmer nur einen Niederfrequenzanschluß und benötigt keinen Netzanschluß. Für den Teilnehmer an einer GAA ist der Netzanschluß dagegen wesentlich.

Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß bei der RVA nur in der Zentrale ein vollwertiges Empfangsgerät vorhanden ist, in dem der technisch entscheidende Vorgang der Demodulation stattfindet, wogegen bei der GAA jeder angeschlossene Teilnehmer ein vollwertiges Empfangsgerät besitzt, das mit oder ohne Kabelfernsehsystem die gleiche Bedienung erfordert und in dem sich in beiden Fällen der gleiche technische Vorgang vollzieht. Eine RVA im beschriebenen Sinn ist technisch und wirtschaftlich nur für den Hörfunk, nicht aber für das Fernsehen denkbar. Im Jahre 1936 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des UrhG) gab es wohl schon RVAnlagen der beschriebenen Art, aber keine Fernsehgemeinschaftsantennen. Die technische Entwicklung in Richtung solcher Antennen, verbunden mit einem Kabelfernsehsystem, war damals kaum vorhersehbar. Der Zweck einer Gemeinschaftsantenne und des damit verbundenen Kabelfernsehsystems liegt darin, daß mit der GAA

a) in topographisch sehr ungünstig gelegenen Örtlichkeiten der Empfang aller oder bestimmter Fernsehprogramme überhaupt erst ermöglicht wird, wobei das Wort "ermöglichen" in dem Sinn zu verstehen ist, daß der angeschlossene Teilnehmer ohne wirtschaftlich unvertretbare Aufwendungen nicht in den Genuß dieser Programme kommen könnte;

b) in Gegenden, in denen ein Empfang mit wirtschaftlich vertretbarem technischen Aufwand zwar erzielbar wäre, der Empfang der Fernsehprogramme insofern verbilligt wird, als die Anschluß- und Wartungsgebühr geringer ist als die Erstellung und Wartung einer Einzelantennenanlage;

c) Die Qualität des Empfanges verbessert wird.

Die über das gesamte Versorgungsgebiet des Kabelfernsehsystems vom SV. durchgeführten Messungen ergaben, daß an dem Meßort 1, 4, 5 und 6 das erste deutsche Fernsehprogramm, am Meßort 5 das zweite deutsche Fernsehprogramm und am Meßort 3 das Schweizer Fernsehprogramm nicht empfangen werden konnten. Die Programme D 2 und S 1 waren an den meisten Meßorten mit normalen Antennen, zum Großteil allerdings unter Verwendung von Verstärkern zu empfangen. Das Programm FS 1 lieferte, soweit es zur Zeit der Messung in Betrieb war, an nahezu allen Meßorten auch ohne Verwendung von Verstärkern ein einwandfreies Bild. Die Messungen führten zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß der überwiegende Teil der an das Kabelsystem des Beklagten angeschlossenen Fernsehteilnehmer zumindest einen Teil der vier Programme auch mit handelsüblichen Einzelantennen empfangen könnte, wobei allerdings zum Teil entsprechend hohe und vom Empfangsort abgesetzte Antennen sowie Verstärker verwendet werden müßten. Der Aufwand, den die einzelnen Teilnehmer für solche Einzelempfangsanlagen vornehmen müßten, wäre wesentlich höher als die von ihnen an den Beklagten bezahlte Gebühr. Die GAA des Beklagten verschafft daher den angeschlossenen Teilnehmern zum überwiegenden Teil nur eine Verbilligung und eine Qualitätsverbesserung ihres Empfanges und nur im geringeren Teil auch eine Erweiterung der Empfangsmöglichkeit.

Die klagende Partei stellt den aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Unterlassungsanspruch mit der Begründung, nach den Bestimmungen des UrhG und des Internationalen Übereinkommens zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst (Berner Übereinkunft) stelle die Tätigkeit des Beklagten eine urheberrechtlich geschützte Verwertung von Musikwerken dar. Der Beklagte weigere sich, dafür ein Entgelt zu bezahlen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, seine Anlage stellte eine RVA dar, deren Betrieb nach dem UrhG keinen neuen Verwertungsakt darstelle, zumal die Programme auch in den angeschlossenen Haushalten selbst empfangen werden könnten, wenn entsprechende Antennen errichtet würden. Der Empfang der Sendung finde nicht beim Beklagten, sondern an den einzelnen Empfangsgeräten statt. Eine öffentliche Aufführung derselben liege daher nicht vor. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, daß die Bestimmung des § 17 Abs 2, Schlußsatz, UrhG nur auf die dort erwähnte RVA Anwendung finden könne, wie sie der Gesetzgeber des Jahres 1936 im Auge gehabt haben könne, die aber eine Reihe von technischen Unterschieden zu einer GAA aufweise. Als RVA könne nur eine Anlage in der technischen Beschaffenheit des Jahres 1936 gelten. Diese habe den Zweck verfolgt, die Benützer der angeschlossenen Nebenstellen der mit der Bedienung einer drahtlosen Empfangsanlage verbundenen Mühe zu entbinden und ihnen einen gleichmäßig guten Empfang zu sichern. Die GAA sei technisch anders eingerichtet und verfolge zum Teil einen anderen Zweck. Zu diesem Zweck gehöre nicht die Vereinfachung der Bedienung, wohl aber die Erweiterung der Empfangsmöglichkeiten, also die Erschließung neuer Programme, die durch Einzelantennen nicht oder nur mit unvertretbaren Mitteln empfangen werden könnten. Dies entspreche aber nicht der Aufgabe einer RVA. Bei der Verwendung von Gemeinschaftsantennen würden schutzwürdige Interessen des Urhebers dann verletzt, wenn ihr Zweck über bloße Empfangserleichterung im kleinen Kreis hinausreiche. Die Abgrenzung zwischen einer Gemeinschaftsantenne als bloßer Empfangsanlage und einer solchen, die als Sendeunternehmen anzusehen sei, werde durch die räumliche Ausdehnung des Versorgungsnetzes, die Teilnehmeranzahl, die technische Beschaffenheit der Anlage, die Gewerbsmäßigkeit ihres Betriebes, die zumindest teilweise erfolgte Erweiterung des Versorgungsbereiches einzelner Sender sowie durch die Öffentlichkeit der Verbreitung an Teilnehmer, die keinen persönlichen Kontakt zueinander besitzen, bestimmt. Eine Prüfung dieser Kriterien führe zu dem Ergebnis, daß die Anlage des Beklagten nicht mehr eine Empfangs- oder Vermittlungsanlage, sondern ein Sendeunternehmen sei. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat die Auffassung, daß die Anlage des Beklagten die Grenze einer RVA mit Rücksicht auf die Erweiterung des Versorgungsbereiches eines Rundfunksenders sowie im Hinblick auf die Erwerbsmäßigkeit und die Größe des Betriebes überschreite. Schließlich sei auch das Kriterium der Öffentlichkeit im Sinne des § 17 Abs 2 UrhG und des Art 11 bis Abs 1 Z 2 des Berner Übereinkommens vom 9. 9. 1886 in der Brüsseler Fassung vom (BGBl 1953/183) gegeben, weil die Vermittlung der Sendung gegen Entgelt innerhalb eines großen Versorgungsgebietes an einen großen, im einzelnen nicht bestimmten Personenkreis erfolge, wobei zwischen diesen Personen sowohl untereinander als auch im Verhältnis zum Beklagten keine persönlichen Beziehungen bestünden. Schließlich sei die Weitergabe einer im Ausland vorgenommenen Sendung durch eine inländische Sendestelle, auch wenn die Weitergabe nur in der Ermöglichung der Wahrnehmung mit Hilfe von Leitungen (Drahtfunk, Kabel) geschehe und nicht im Wege Hertz'scher Wellen, ein neuer Akt des Sendens. Daraus ergebe sich, daß vor allem die Übernahme und Weiterleitung der Programme ausländischer Sender einen selbständigen urheberrechtlich bedeutsamen Verwertungsakt darstellen, vor allem wenn an Nebenstellen die Sendung mittels der dort in Verwendung stehenden handelsüblichen Empfangsgeräte nicht empfangen werden könne. Dies treffe nach den Feststellungen in einer erheblichen Anzahl von Fällen zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, die Urteile der Unterinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die klagende Partei behauptet zur Begründung ihres im § 81 UrhG verankerten Unterlassungsanspruches die Verletzung eines Ausschließungsrechtes im Sinne des § 17 UrhG. Nach dem Abs 1 dieser Bestimmung hat der Urheber das ausschließliche Recht, das Werk durch Rundfunk oder auf ähnliche Art zu senden. Im Abs 2, erster Satz, wird diesem Senden ein anderer Vorgang gleichgestellt und mit denselben Rechtsfolgen (Ausschließungsrecht) verknüpft. Demnach steht es einer Rundfunksendung gleich, wenn ein Werk von einer im In- oder Ausland gelegenen Stelle aus der Öffentlichkeit im Inland, ähnlich wie durch Rundfunk, aber mit Hilfe von Leitungen wahrnehmbar gemacht wird. Von dieser Bestimmung wird jedoch die Rundfunkvermittlungsanlage (RVA) ausgenommen. Gemäß dem § 17 Abs 2, 2. Satz UrhG gilt die Übermittlung von Rundfunksendungen durch eine RVA nicht als neue Rundfunksendung. Auf Grund dieser Bestimmungen ist daher vorerst zu prüfen, ob die Anlage des Beklagten als eine RVA anzusehen ist bzw ob die dafür geltende vorgenannte Ausnahmebestimmung analog anzuwenden ist. Wäre diese Frage zu bejahen, dann läge weder eine Sendung noch ein gleichgestellter Vorgang vor und der Klagsanspruch bestünde nicht zu Recht.

Unter einer RVA ist nach dem EB (Peter aaO, 513) eine Rundfunkempfangsanlage zu verstehen, die durch Leitungen mit Nebenstellen zu dem Zwecke verbunden ist, an diesen Nebenstellen die von der Empfangsanlage aufgenommenen Rundfunksendungen wahrnehmbar zu machen. Diese Einrichtung soll die Benützer der angeschlossenen Nebenstellen der mit der Bedienung einer drahtlosen Empfangsanlage verbundenen Mühe entheben und ihnen einen gleichmäßig guten Empfang der Rundfunksendungen sichern. Dieser Zweck - die Erleichterung des Empfanges von Rundfunksendungen - rechtfertigt es, die RVA nur als Mittel zum Empfang von Rundfunksendungen auf den angeschlossenen Nebenstellen zu behandeln und in der Übermittlung der funkmäßig gesendeten Werke von der Vermittlungsanlage an die Nebenstellen keine neue Sendung und auch sonst keine neuen urheberrechtlich in Betracht kommenden Verwertungsakt zu erblicken. Derartige Anlagen finden vor allem in Hotels, Krankenhäusern und Betrieben Anwendung (Stern, aaO, 37; Ulmer aaO; EvBl 1972/174).

Hält man sich die zwischen einer RVA und einer Gemeinschaftsantennenanlage (GAA) bestehenden Unterschiede vor Augen, dann kann eine die Analogie rechtfertigende Übereinstimmung der für die gesetzliche Vorschrift über die RVA maßgebenden Merkmale mit den Merkmalen der Anlage des Beklagten nicht erkannt werden. Für die Ausnahmsbestimmung des § 17 Abs 2 Schlußsatz UrhG und somit für die urheberrechtliche Behandlung der RVA als Mittel zum Empfang von Rundfunksendungen war die Erleichterung des Empfanges durch Beseitigung der mit der Bedienung einer drahtlosen Empfangsanlage verbundenen Mühe und die Gewährleistung eines gleichmäßig guten Empfanges motivierend. Diese den EB zu entnehmende Absicht des Gesetzgebers soll über Nebenstellen erreicht werden, die dem einzelnen Teilnehmer nur einen Wandler (Kopfhörer oder Lautsprecher) zur Verfügung stellen und nicht ein vollständiges Empfangsgerät, wie dies bei einer GAA der Fall ist. Bei dieser ist der Teilnehmer an sich unabhängig von der Gemeinschaftsantenne, weil er nach seinem Belieben verschiedene Programme einstellen kann, einschließlich solcher, die nicht über die Gemeinschaftsantenne eingespeist werden. Er kann daher grundsätzlich jederzeit selbständig empfangen. Die Antenne hat lediglich den Zweck, den Empfang qualitativ zu verbessern und, wie Dittrich zutreffend ausführt (aaO, 82), zu verbilligen, weil sich der Teilnehmer die zur Herbeiführung einer qualitativen Empfangsverbesserung erforderlichen Kosten der Anschaffung und Errichtung einer eigenen Antenne, die meist höher sind als der für den Anschluß an die GAA zu entrichtende Betrag, erspart. Der Teilnehmer der Nebenstelle einer RVA kann jedoch nur jenes Programm empfangen, auf welches das zentrale Empfangsgerät abgestimmt ist. Er ist von diesem Empfangsgerät abhängig und kann sich nicht "verselbständigen".

Diese Unterschiede sind von so grundsätzlicher Art, daß sie einen Analogieschluß nicht gestatten. Die GAA des Beklagten fällt daher nicht unter den Begriff einer RVA.

Die Anlage ist hingegen dem § 17 Abs 2, erster Satz, UrhG zu unterstellen. Die in dieser Gesetzesstelle erfolgte Gleichstellung mit dem das Ausschließungsrecht begründenden "Senden" - ausreichende technische Kriterien zur Beantwortung der Frage, ob eine GAA zu einer Empfangs- oder zu einer Sendeanlage gehört, gibt es nicht (Stern, Die Weiterverbreitung von Radio- und Fernsehsendungen, 31; siehe auch AS

247) - hat ihren Grund in der Ähnlichkeit mit einer Rundfunksendung. Jeder Benützer einer angeschlossenen Empfangsanlage hat die Möglichkeit, die auf drahttelefonischem Wege verbreitete Aufführung zu hören. Auch hier wird die Aufführung einem nicht von vornherein begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht. Der maßgebliche Unterschied gegenüber der Rundfunksendung im eigentlichen Sinn besteht darin, daß die Mitteilung des Werkes nicht mit Hilfe elektromagnetischer Wellen drahtlos, sondern mit Hilfe von Leitungen erfolgt (EB, abgedruckt in Peter, Das österreichische Urheberrecht, S 512). Ob dies mit Hilfe des Telefonnetzes oder anderer Leitungen geschieht, ist belanglos. Entscheidend ist nur, daß das Werk auf diese Weise der Öffentlichkeit, ähnlich wie durch Rundfunk, wahrnehmbar gemacht wird, nicht aber, daß dieser Vorgang die einzige Möglichkeit sei, das Werk der Öffentlichkeit mitzuteilen (Stern 65, 68; Walter, JBl 1973, 445 mit weiteren Literaturangaben in Anm 2). Das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit wird dann erfüllt sein, wenn die Anschlußmöglichkeit eines Empfangsgerätes für einen nicht von vornherein begrenzten und durch keinerlei private oder persönliche Beziehungen und durch kein räumliches Naheverhältnis miteinander verbundenen Personenkreis besteht. Die Öffentlichkeit wäre also daher etwa nicht gegeben bei Miteigentümern einer GAA oder Mietern eines mit einer GAA versehenen Wohnhauses oder Wohnhausanlage. Dies entspricht nicht nur der in den EB enthaltenen Begründung für die Gleichstellung der Mitteilung des Werkes mit einer Rundfunksendung, sondern auch dem urheberrechtlichen Grundsatz, daß dem Urheber die Kontrolle über den Weg seines Werkes zum Endverbraucher gesichert werden soll (Walter 448). Die zum Begriff der Öffentlichkeit vorgenommene Abgrenzung gibt aber auch die Möglichkeit, die Verwendung "gewöhnlicher" (klassischer) Haus- oder Gemeinschaftsantennen nicht als einen Vorgang zu werten, der gemäß dem § 17 Abs 2, erster Satz, UrhG einer Rundfunksendung gleichzustellen ist und ein Ausschließungsrecht gewährt. Auf die Frage, ob der Versorgungsbereich eines Senders durch die GAA erweitert wird, kommt es nach der vom Obersten Gerichtshof vertretenen Auffassung daher nicht an (vgl dazu aber Dittrich, Gemeinschaftsantenne, FS Kastner, 81 ff; Stern aaO, 35 ff, 41 f, 67 ff).

Wendet man diese Gedankengänge auf den vorliegenden Fall an, so liegt das Tatbestandsmerkmal der Wahrnehmbarmachung des Werkes mit Hilfe von Leitungen nach den Feststellungen der Untergerichte vor. Die von der Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendungen werden mittels eines 600 m langen Koaxialkabels in das Geschäftslokal des Beklagten und von dort mit Hilfe weiterer Leitungen zu den einzelnen angeschlossenen Fernsehteilnehmern geführt. Dieser Vorgang ist dem des Rundfunks (Fernsehen) durchaus ähnlich. Der Beklagte wendet sich mit seinem Kabelfernsehsystem an die Öffentlichkeit, weil sich der von vornherein nicht begrenzte Kreis der angeschlossenen Teilnehmer "praktisch auf die gesamte Innenstadt von Feldkirch" erstreckt und weil diese Teilnehmer weder untereinander noch mit dem Beklagten in einer anderen als der durch den Anschluß an die GAA bewirkten Beziehung stehen. Der Revisionswerber verwechselt diesen Begriff der Öffentlichkeit mit dem im § 18 Abs 3 UrhG verwendeten, im vorliegenden Zusammenhang bedeutungslosen Begriff des öffentlichen Vortrages, so daß sich eine Erörterung der diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen erübrigt. Aus der dargelegten Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs 2, erster Satz, UrhG folgt, daß das von der klagenden Partei in Anspruch genommene Ausschließungsrecht besteht. Die Untergerichte haben daher mit Recht dem darauf gestützten Klagebegehren stattgegeben, so daß der unberechtigten Revision ein Erfolg nicht beschieden sein konnte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.