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OGH vom 28.11.2013, 3Ob190/13g

OGH vom 28.11.2013, 3Ob190/13g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Friedrich J. Reif Breitwieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltsherabsetzung und Rückforderung (18.095,44 EUR), über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 354/13d 22, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom , GZ 12 C 47/12x 17, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling; die Beklagte, seine ehemalige Ehegattin, hat ihren Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Liesing.

Der Kläger hat sich in einem am vor dem Bezirksgericht Mödling geschlossenen Vergleich (unter anderem) zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 638 EUR an die Beklagte verpflichtet; diesen Unterhalt leistete er bis einschließlich August 2011. Ab September 2011 stellte er die Unterhaltszahlungen mit der Begründung ein, dass die Beklagte in einer Lebensgemeinschaft lebe.

Die Beklagte beantragte daraufhin zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands für September und Oktober 2011 (1.276 EUR) und des laufenden Unterhalts ab beim Bezirksgericht Mödling die Gehaltsexekution gegen den Kläger; die Exekution wurde am bewilligt. Der Kläger reagierte mit einer am beim Bezirksgericht Mödling eingebrachten Oppositionsklage, die den Zeitraum ab betrifft. Dieses Verfahren ist noch nicht rechtskräftig erledigt (gegen das klageabweisende Urteil des Erstgerichts hat der Kläger Berufung erhoben).

Mit seiner am beim Bezirksgericht Liesing eingebrachten Klage begehrt der Kläger

die Herabsetzung des von ihm zu leistenden Unterhalts ab auf 463,42 EUR für Dezember 2009, auf 13.111,73 EUR für Jänner bis Dezember 2010, auf 12.219,49 EUR für Jänner bis Dezember 2011 sowie auf 141,10 EUR monatlich ab Jänner 2013 und

die Beklagte zu verpflichten, ihm den irrtümlich zuviel gezahlten Unterhalt zurückzuzahlen, und zwar 638 EUR für Dezember 2009, 4.351,87 EUR für Jänner 2010 bis Dezember 2010, 5.549,62 EUR für Jänner bis Dezember 2011 sowie 5.962,76 EUR für Jänner bis Dezember 2012 (insgesamt 16.402,24 EUR), jeweils „samt 4 % Zinsen“ ohne Determinierung des Zinsenlaufs.

Aufgrund der Eheschließung des Klägers am und der Geburt eines weiteren Kindes am hätten sich die Umstände derart geändert, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts gerechtfertigt sei. Verglichen mit dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe sich das Einkommen der Beklagten zumindest seit dem Jahr 2009 zudem mindestens verdoppelt.

Die beklagte Partei wandte die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Liesing ein, weil angesichts der nach wie vor anhängigen Gehaltsexekution Anträge des Klägers betreffend Unterhaltsherabsetzung und Rückzahlung zuviel geleisteten Unterhalts nur beim Bezirksgericht Mödling als Exekutionsgericht möglich seien.

Das Erstgericht (Bezirksgericht Liesing) wies die am eingelangte Klage auf Herabsetzung des vereinbarten Unterhalts und auf Rückzahlung zuviel bezahlten Unterhalts insoweit zurück, als die Klage Unterhaltszahlungen für den Zeitraum September 2011 bis Dezember 2012 und den laufenden Unterhalt ab Jänner 2013 betrifft (Punkt I.); die Einrede der fehlenden Zuständigkeit des Bezirksgerichts Liesing wurde verworfen (Punkt II.) und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten (Punkt III.).

Die Oppositionsklage des Klägers gegen die Beklagte (anhängig vor dem BG Mödling) sei zeitlich vor der Klage auf Unterhaltsherabsetzung und Rückforderung zuviel bezahlten Unterhalts eingebracht worden. Für den Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sowie den laufenden Unterhalt ab Jänner 2013 würden sich die Klagen auf den identen Unterhalt beziehen. Da das Oppositionsverfahren für diesen Zeitraum ab September 2011 Streitanhängigkeit gegenüber der später eingebrachten Klage auf Unterhaltsherabsetzung und Rückforderung des zuviel bezahlten Unterhalts entfalte, sei die spätere Klage insoweit zurückzuweisen, als sie den Unterhalt für den Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sowie den laufenden Unterhalt ab Jänner 2013 betreffe.

Die Unzuständigkeitseinrede sei zu verwerfen, weil das Bezirksgericht Liesing für die Klage auf Unterhaltsherabsetzung und Rückforderung zuviel bezahlten Unterhalts für den Zeitraum von Dezember 2009 bis August 2011 das nach § 49 Abs 2, § 65 JN sachlich und örtlich zuständige Gericht sei. Für diesen Zeitraum entfalte das beim Bezirksgericht Mödling anhängige Oppositionsverfahren keine Streitanhängigkeit gegenüber der Klage auf Unterhaltsherabsetzung und Rückforderung zuviel bezahlten Unterhalts, zumal Streitanhängigkeit nur für idente Zeiträume vorliegen könne.

Das Rekursgericht gab dem nur auf die Frage der Zurückweisung der Klage (Punkt I.) und die Kostenentscheidung (Punkt III.) bezogenen Rekurs des Klägers teilweise Folge und bestätigte den Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt I. „hinsichtlich der Zurückweisung des Klagebegehrens auf Herabsetzung des Unterhaltstitels ab September 2011“, hob den Beschluss im Umfang der Zurückweisung des Begehrens auf Rückforderung zuviel bezahlten Unterhalts ab September 2011 auf und trug dem Erstgericht insoweit eine Sachentscheidung auf.

Die Oppositionsklage entfalte Streitanhängigkeit gegenüber einer später eingebrachten Feststellungsklage, soweit beide Klagen idente Zeiträume beträfen. Das Klagevorbringen, dass dem Kläger durch die Eheschließung am und die Geburt seines Sohnes am weitere Sorgepflichten entstanden seien und dass das Einkommen der Beklagten zumindest seit dem Jahr 2009 auf mindestens das Doppelte angestiegen sei, betreffe Zeiträume lange vor der Einbringung der Oppositionsklage am , weshalb der Kläger diese Umstände in seiner Oppositionsklage geltend machen hätte können und müssen. Demnach habe das Erstgericht das Klagebegehren auf Herabsetzung des Unterhalts soweit idente Zeiträume betroffen seien ab September 2011 zutreffend zurückgewiesen.

Allerdings entfalte die Oppositionsklage keine Streitanhängigkeit gegenüber einem Leistungsbegehren (auf Rückzahlung zuviel bezahlten Unterhalts). Auch wenn die bisherigen Unterhaltsleistungen des Klägers in Erfüllung einer Judikatsschuld erfolgt seien und ein allfälliger Rückforderungsanspruch erst mit rechtskräftiger Herabsetzung des Unterhaltstitels bzw Ausspruch des gänzlichen oder teilweisen Erlöschens des Unterhaltstitels entstehe, müsse eine Sachentscheidung (mit Urteil) ergehen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu existiere, ob ein Oppositionsverfahren gegenüber einer Leistungsklage Streitanhängigkeit entfalte.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien jeweils aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Kläger begehrt die Abänderung dahin, dass dem Erstgericht auch hinsichtlich der Zurückweisung des Klagebegehrens auf Herabsetzung des Unterhalts ab September 2011 die Entscheidung in der Sache aufgetragen werde. Die Beklagte beantragt in ihrem Revisionsrekurs die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Beide Parteien beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen jeweils, den Revisionsrekurs der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind nicht zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts der höchstgerichtlichen Judikatur entspricht und in den Rechtsmitteln keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt werden.

1. Der Kläger bringt in seinem Revisionsrekurs vor, dass die Anhängigkeit einer Oppositionsklage die Rückforderung von bereits gezahlten Beträgen mit Leistungsklage nicht hindere. Zwischen den beiden Klagen bestehe keine Streitanhängigkeit. Es wäre über das gesamte Begehren des Klägers eine Sachentscheidung zu treffen gewesen. Die Eventualmaxime müsse auf das Oppositionsverfahren beschränkt bleiben, wie dies auch für ein neben dem Oppositionsverfahren anhängiges außerstreitiges Herabsetzungsverfahren gelte.

Die Beklagte verweist auf den aufrechten Unterhaltstitel („die Rechtskraft des bestehenden Vergleichs“), der einer Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld entgegenstehe. Der Beschluss des Rekursgerichts sei insoweit schwer verständlich, als für denselben Zeitraum einerseits die Klage auf Herabsetzung des Unterhalts zurückgewiesen und andererseits die Klage auf Rückforderung angeblich zuviel gezahlten Unterhalts zugelassen werde.

2. Dazu wurde erwogen:

2.1. Die vom Kläger erhobene Klage ist, was die Herabsetzung des titelmäßigen Unterhalts ab betrifft, als negative Feststellungsklage zu qualifizieren und hinsichtlich des den Zeitraum von bis betreffenden Rückforderungsbegehrens als Leistungsklage.

Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage am war bereits ein Oppositionsverfahren anhängig; die auf den Ausspruch des Ruhens des Unterhaltsanspruchs ab gerichtete Oppositionsklage war vom Kläger am beim Bezirksgericht Mödling eingebracht worden.

2.2. Der Unterhaltsschuldner kann im Zuge einer Exekution, die zur Hereinbringung eines titulierten Unterhalts geführt wird, das gänzliche oder teilweise Erlöschen des Unterhaltsanspruchs (wegen geänderter Verhältnisse) mit Oppositionsklage geltend machen (RIS Justiz RS0000824; RS0000960 [T5]). Im Rahmen eines derartigen Oppositionsprozesses ist der Unterhalt nach den geänderten Verhältnissen sowohl für die Vergangenheit (RIS Justiz RS0000870 [T1], RS0000960 [T7]) als auch für die Zukunft neu zu bemessen ( Jakusch in Angst 2 § 35 Rz 15 mwN).

2.3. Im Gegensatz zur überwiegenden Lehre geht die höchstgerichtliche Rechtsprechung im Sinne der so genannten „Kombinationstheorie“ davon aus, dass mit der Oppositionsklage alles erreicht wird, was auch mit einer negativen Feststellungsklage erreichbar ist (RIS Justiz RS0001652 ua). Konsequenterweise ist daher, sobald ein Exekutionsverfahren anhängig ist, nur mehr die Oppositionsklage zur Feststellung des Erlöschens oder der Hemmung des Anspruchs zulässig (zuletzt 3 Ob 185/08i = SZ 2008/170; 4 Ob 17/11w; 10 Ob 100/11w; 3 Ob 66/12w; RIS Justiz RS0000833, RS0001715 [T8]; Jakusch in Angst 2 § 35 Rz 8; krit etwa zuletzt Deixler-Hübner , Probleme im Zusammenhang mit der Feststellungsklage bei der Unterhaltsenthebung bzw Unterhaltsherabsetzung, ÖJZ 2012, 896 [899]). Eine nach der Oppositionsklage eingebrachte negative Feststellungsklage ist demnach wegen Streitanhängigkeit als unzulässig zurückzuweisen (10 Ob 100/11w; RIS Justiz RS0001652 [T3], RS0001715), während die Anhängigkeit einer negativen Feststellungsklage der Einbringung der Oppositionsklage nicht entgegensteht ( Jakusch in Angst 2 § 35 Rz 10).

Der Umstand, dass für die Unterhaltsoppositionsklage die Eventualmaxime gilt, rechtfertigt nach der Rechtsprechung die Anbringung einer Feststellungsklage nach bereits anhängig gemachter Oppositionsklage nicht (RIS Justiz RS0001715). Mit der Geltendmachung neuer Rechtsgründe würde die Eventualmaxime umgangen werden.

2.4. Die Streitanhängigkeit kann sich aber nur auf Zeiträume beziehen, die von der Oppositionsklage umfasst sind. Im vorliegenden Fall bezieht sich die Oppositionsklage allein auf den Zeitraum ab , weshalb sich die Zurückweisung der Feststellungsklage wie bereits vom Erstgericht zutreffend ausgesprochen nur diesen Zeitraum betrifft.

2.5. Das Rechtsschutzziel der vom Kläger erhobenen Leistungsklage auf Rückzahlung zuviel bezahlten Unterhalts ist ein ganz anderes als dasjenige der Oppositionsklage: Mit der Oppositionsklage soll erreicht werden, dass die betriebene Forderung trotz des bestehenden Titels nicht mehr zu leisten ist. Über eine Rückzahlungspflicht wird mit der Oppositionsklage nicht abgesprochen, selbst wenn die betriebene Forderung oder Teile davon exekutiv hereingebracht wurden (RIS Justiz RS0112767).

3. Mangels erheblicher Rechtsfrage sind die Revisionsrekurse beider Parteien zurückzuweisen.

4. Zur Kostenentscheidung:

4.1. Beide Seiten haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Gegenseite hingewiesen.

4.2. Der Kläger will mit seinem Revisionsrekurs erreichen, dass mangels Streitanhängigkeit auch eine Sachentscheidung hinsichtlich der Feststellung der von ihm ab nicht zu leistenden Unterhaltsbeiträge getroffen wird. Dies betrifft die Summe aus den Beträgen von 1.816,54 EUR (= 4 Monate des Jahres 2011), 5.962,76 EUR und 5.962,80 EUR (= Unterhaltsreduktion ab , 12 Monate à 496,90 EUR). Die von der Beklagten in ihrer Revisionsrekursbeantwortung mit 9.472,50 EUR angenommene Bemessungsgrundlage ist daher nicht überhöht.

4.3. Die Beklagte wiederum will erreichen, dass das Rückforderungsbegehren betreffend den Zeitraum ab September 2011 ebenfalls zurückgewiesen wird. Dieser Teil des Rückforderungsbegehrens macht einen Betrag von 1.816,54 EUR (= 4 Monate des Jahres 2011) zuzüglich 5.962,76 EUR (für 2012), insgesamt 7.779,30 EUR aus.

4.4. Da der Tarifansatz jeweils 386,60 EUR beträgt und daher der von beiden Seiten zu leistende Kostenersatz gleich hoch wäre, ist im Revisionsrekursverfahren eine Kostenaufhebung gerechtfertigt.