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OGH vom 11.03.2010, 4Ob17/10v

OGH vom 11.03.2010, 4Ob17/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S***** KEG, *****, 2. S***** S*****, beide vertreten durch Prof. Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 20.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 135/09a-33, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 24 Cg 164/08w-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.385,39 EUR (darin 230,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Dem klagenden Verein (dessen Aktivlegitimation in dritter Instanz nicht mehr strittig ist) gehören Unternehmen an, die in Wien, Niederösterreich und der Steiermark Münzgewinnspielapparate und Geldspielapparate (Glücksspielautomaten) im Sinne der einschlägigen landesgesetzlichen Bestimmungen betreiben. Vereinszweck ist die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen.

Die Erstbeklagte, deren Komplementär der Zweitbeklagte ist, betreibt in Niederösterreich ein Café, in dem sie 2008 mehrere (später behördlich beschlagnahmte) Internet-Terminals aufgestellt hatte. Diese Terminals boten jeweils die Möglichkeit, im Wege der elektronischen Datenübertragung über das Internet einen von Dritten betriebenen und in der Steiermark aufgestellten Glücksspielautomaten zu bedienen. Ein Spiel wurde durch Bedienung eines Terminals und Einwurf des Wetteinsatzes ausgelöst; sodann wurden die Spieldaten vom Aufstellort des Terminals elektronisch in den in der Steiermark gelegenen Glücksspielautomaten übertragen, in dem der Determinationsvorgang durch einen elektronischen Pseudozufallsmechanismus bewirkt wurde. Abschließend wurde das im steirischen Glücksspielautomaten herbeigeführte Spielergebnis wiederum im Wege elektronischer Datenübertragung an das vom Spieler bediente Terminal übertragen und dort angezeigt; einen allfälligen Gewinn konnte sich der Spieler auf Rechnung des Dritten auszahlen lassen; die Erstbeklagte war am Umsatz prozentuell beteiligt.

Der Kläger erhob folgende Begehren:

1. Die Beklagten sind schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

a) Glücksspielautomaten aufzustellen und/oder zu betreiben und/oder zugänglich zu machen, solange sie nicht über die dafür erforderliche behördliche Bewilligung verfügen;

hilfsweise: b) Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen wird, die Entscheidung über Gewinn oder Verlust zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann (elektronische Lotterien), zu veranstalten und/oder zu betreiben und/oder zu organisieren und/oder anzubieten und/oder unternehmerisch zugänglich zu machen und/oder zu fördern und/oder zu ermöglichen, solange sie nicht über die dafür erforderliche behördliche Bewilligung verfügen.

2. Der Kläger wird ermächtigt, den stattgebenden Teil des Urteils binnen 6 Monaten auf Kosten des Beklagten in einer Ausgabe des periodischen Druckwerks „Niederösterreichische Nachrichten (NÖN)“ zu veröffentlichen, und zwar in einem fett linierten Rahmen, mit fett geschriebener und mindestens 20 Punkt großer Überschrift „Urteilsveröffentlichung“ und mit mindestens 16 Punkt großer Schrift des Fließtextes der Urteilsveröffentlichung, unter Nennung des Gerichts, des entscheidenden Richters, der fett geschriebenen Parteien und Vertreter, des Aktenzeichens und des Entscheidungsdatums.

Die Beklagten handelten unlauter iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG, weil sie über keine Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Spielautomatengesetz für den Betrieb, das Aufstellen und das Zugänglichmachen von Glücksspielautomaten und über keine Konzession nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) für den Betrieb einer elektronischen Lotterie verfügten.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Sie stellten nur Dritten Bestandflächen zur Aufstellung von Spielapparaten zur Verfügung. Ihre Aktivitäten verletzten weder das Niederösterreichische Spielautomatengesetz (weil das Spiel in der Steiermark stattfinde), noch liege eine elektronische Lotterie vor, weil der Spielvertrag nicht über elektronische Medien abgeschlossen werde und in der Steiermark ein zugelassener Glücksspielautomat aufgestellt sei, der über die im Café der Beklagten verfügbaren Terminals zu bedienen gewesen sei. Die Beklagten böten den Spielern nur die Möglichkeit, sich über Internet-Terminals an einem Spiel zu beteiligen, das an einem anderen Ort stattfinde. Der behauptete Wettbewerbsverstoß sei niemandem zur Kenntnis gelangt; selbst die Kenntnisnahme durch einige wenige Personen rechtfertige keine Einschaltung in einer periodischen Zeitschrift. Ein Veröffentlichungsinteresse des Klägers liege nicht vor.

Das Erstgericht trug den Beklagten auf, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen wird, die Entscheidung über Gewinn oder Verlust zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann (elektronische Lotterien), unternehmerisch zugänglich zu machen, zu fördern und zu ermöglichen, solange sie nicht über die dafür erforderliche behördliche Bewilligung verfügen; es wies das Mehrbegehren ab und ermächtigte den Kläger zur Veröffentlichung des stattgebenden Teils des Spruchs nur in der Lokalausgabe Baden der „Niederösterreichischen Nachrichten“. Die Erstbeklagte habe - ohne über eine dazu erforderliche Konzession zu verfügen - eine elektronische Lotterie iSd § 12a GSpG zur Teilnahme vom Inland aus unternehmerisch zugänglich gemacht und dadurch unlauter iSd § 1 UWG gehandelt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob unter den im Anlassfall vorliegenden Umständen eine elektronische Lotterie vorliege. Bei der von den Beklagten gewählten Vorgangsweise werde der Spielvertrag zwischen dem Spieler, der ein Internet-Terminal im Café der Erstbeklagten bediene, und einem Dritten, der einen in der Steiermark aufgestellten Glücksspielautomaten betreibe, über das Internet (und damit über ein elektronisches Medium) abgeschlossen. Die Entscheidung über Gewinn und Verlust werde nicht durch das Internet-Terminal selbsttätig herbeigeführt, sondern erfolge zentralseitig durch den Glücksspielautomaten, wobei der Spielteilnehmer unmittelbar nach der Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen könne, indem er die Anzeigen am Internet-Terminal betrachte. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut seien damit alle Kriterien einer elektronischen Lotterie iSd § 12a GSpG erfüllt, für deren Durchführung den Beklagten keine Konzession nach § 14 GSpG erteilt worden sei. Durch die Bereitstellung der Internet-Terminals und deren Vernetzung mit dem in der Steiermark aufgestellten Glücksspielautomaten machten die Beklagten die Teilnahme an derartigen Ausspielungen unternehmerisch zugänglich, wobei sie diese Glücksspiele gleichzeitig auch förderten und ermöglichten. Die Beklagten verwirklichten damit die Verwaltungsstraftatbestände des § 52 Abs 1 Z 1 und Z 6 GSpG. Die gegenteilige Rechtsansicht der Beklagten, eine elektronische Lotterie habe nicht stattgefunden, sei angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht mit guten Gründen vertretbar. Damit handelten die Beklagten unlauter iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Ein Aufklärungsinteresse des Klägers liege vor, weil schon nach allgemeiner Lebenserfahrung (§ 269 ZPO) von einer nicht unerheblichen Publizität der von den Beklagten durchgeführten elektronischen Lotterie auszugehen sei, worauf auch der Zeitungsartikel Beil ./D hindeute. Die im Dezember 2008 durchgeführte Beschlagnahme der Internet-Terminals sei für die Beurteilung des Veröffentlichungsinteresses bedeutungslos, weil die Beklagten nach wie vor den unzutreffenden Standpunkt verträten, ihr Verhalten sei rechtmäßig gewesen, weshalb nicht ausgeschlossen sei, dass sie in Zukunft gleichartige Geräte in Betrieb nehmen könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht eine unvertretbare Rechtsansicht der Beklagten angenommen hat, obwohl ein vergleichbares Verhalten bisher weder vom Obersten Gerichtshof noch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts beurteilt wurde, und keine in jeder Hinsicht eindeutige gesetzliche Regelung vorliegt; damit kommt es darauf an, ob das Verhalten der Beklagten objektiv rechtswidrig war (4 Ob 40/09z), weil nur eine unrichtige Auslegung auch unvertretbar sein kann (RIS-Justiz RS0124004 [T3]). Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten machen geltend, keine konzessionspflichtige Lotterie veranstaltet zu haben. Die im Lokal der Erstbeklagten vor der Beschlagnahme aufgestellten Internet-Terminals seien nur „Fernbedienungen”, mit deren Hilfe ein Spieler an einem Spiel teilnehmen habe können, das auf einem in der Steiermark aufgestellten und behördlich bewilligten Glücksspielautomaten stattgefunden habe. Die Internet-Terminals seien selbst keine Spielapparate, weil Spiel und Spielentscheidung in der Steiermark erfolgten, wo sich auch die Buchhaltung befinde; die in den Internet-Terminals befindliche Grundgrafik werde jeweils durch übermittelte Grafikteile (das Spielergebnis) ergänzt. Die Teilnahme an einem in der Steiermark veranstalteten und genehmigten Spiel über ein in Niederösterreich aufgestelltes Terminal erfülle den Tatbestand des § 12a GSpG nicht.

1. Ausspielungen sind Glücksspiele, bei denen der Unternehmer (Veranstalter) den Spielern für eine vermögensrechtliche Leistung eine vermögensrechtliche Gegenleistung in Aussicht stellt (§ 2 Abs 1 GSpG). Eine Ausspielung mittels eines Glücksspielapparates liegt vor, wenn die Entscheidung über Gewinn und Verlust durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung durch den Apparat selbst, also nicht zentralseitig, herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird (§ 2 Abs 2 GSpG). Elektronische Lotterien sind Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen, die Entscheidung über Gewinn und Verlust zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann (§ 12a GSpG).

2. Im Unterschied zu anderen Formen der Ausspielung (§§ 6 bis 12 und 12b GSpG) werden elektronische Lotterien nicht durch den Inhalt des Spiels, sondern durch die spezifische Art ihrer Durchführung definiert ( Strejcek/Bresich , GSpG § 12a Rz 2). An formalen Voraussetzungen dieser Glücksspielform nennt § 12a GSpG a) den Vertragsabschluss über elektronische Medien, b) eine zentralseitige Spielentscheidung und c) die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Spielergebnisses unmittelbar nach Spielteilnahme.

2.1. Unter elektronische Medien verstehen die Materialien jede Form der Datenübertragung unter Zuhilfenahme modernster Technologien aus dem Telekommunikationsbereich ( Schwartz/Wohlfahrt , GSpG² § 12a Rz 5). Im Anlassfall erfolgt der Vertragsabschluss zwischen dem Spieler und dem dritten Unternehmen - das seinen Sitz nicht an jenem Ort hat, wo sich die Terminals befinden - unter Verwendung des Internets. Dass das Internet ein elektronisches Medium im Sinne der auszulegenden Bestimmung ist, kann nicht zweifelhaft sein (so auch Schwartz/Wohlfahrt aaO) und wird auch von den Rechtsmittelwerbern nicht in Abrede gestellt.

2.2. Über Gewinn und Verlust wird dann zentralseitig entschieden, wenn diese Entscheidung nicht ein vom Spielteilnehmer bedienter Apparat mit Hilfe einer elektronischen oder mechanischen Vorrichtung selbst herbeiführt (vgl Strejcek/Bresich aaO Rz 4). Auch diese Bedingung ist hier zweifelsfrei gegeben, weil sich die (hier elektronische) Entscheidungseinrichtung nicht in den von den Spielteilnehmern bedienten Terminals (Endgeräten), sondern in jenem Automaten befindet, der von den Terminals disloziert aufgestellt, mit letzteren aber vernetzt ist (zum Erfordernis der „zentralseitigen Entscheidung“ vgl , wonach der Tatbestand nach § 12a GSpG dann verwirklicht ist, wenn mehrere Endgeräte mit einem Rechner verbunden sind, der das Spielergebnis ermittelt und an die Endgeräte übermittelt).

2.3. Dem Spielteilnehmer kann das Spielergebnis zeitnah zum Spielende durch eine Anzeige am Internet-Terminal zur Kenntnis gelangen. Damit sind sämtliche von § 12a GSpG aufgestellten Formalerfordernisse der Glücksspielform „Elektronische Lotterie” im Anlassfall erfüllt.

3.1. Auf die von den Rechtsmittelwerbern aufgeworfene Frage, ob die im Lokal der Erstbeklagten aufgestellten Terminals selbst vollständige Spielapparate seien, kommt es hingegen nicht weiter an, setzt doch der Tatbestand einer elektronischen Lotterie nach der Legaldefinition des § 12a GSpG nicht voraus, dass es sich dabei um ein Netzwerk mehrerer selbständiger Glücksspielautomaten handelt.

3.2. Die Rechtsmittelwerber weisen zutreffend darauf hin, dass bisher höchstgerichtliche Rechtsprechung oder eine beständige Verwaltungspraxis fehlt, ob ein nach der besonderen Art des Anlassfalls durchgeführtes Glücksspiel als elektronische Lotterie iSd § 12a GSpG zu beurteilen ist. Dennoch ist ihr Verhalten nicht durch eine vertretbare Gesetzesauslegung gerechtfertigt, weil das beanstandete Verhalten - wie zuvor dargelegt - unschwer den gesetzlich geregelten Tatbestandselementen unterstellt werden kann.

4. Das Aufklärungsinteresse des Klägers hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Gründen bejaht (§ 510 Abs 3 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.