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OGH vom 17.02.2016, 7Ob209/15h

OGH vom 17.02.2016, 7Ob209/15h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 29.738,47 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 40/15x 51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

Der Kläger macht einen Mangel des Berufungsverfahrens mit der Begründung geltend, dass sich das Berufungsgericht nicht mit einer bekämpften Feststellung des Erstgerichts befasst habe, nach der die im Haftpflichtprozess vom Kläger erstattete Erwiderung vom nur Argumente eines früheren Schriftsatzes wiederholt habe. Damit zeigt der Kläger aber deshalb keine relevante Nichterledigung einer Tatfrage durch das Berufungsgericht auf, weil der Inhalt des fraglichen Schriftsatzes ohnehin unstrittig ist und dessen Bewertung in Richtung seiner Zweckmäßigkeit bereits zur rechtlichen Beurteilung gehört. Überdies wäre die damit angesprochene Frage der Honorierung dieses Schriftsatzes nur dann entscheidungswesentlich, wenn der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestünde, was das Berufungsgericht allerdings wie zu zeigen sein wird vertretbar verneint hat. Einer weitergehenden Begründung bedarf die Verneinung einer geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Rechtsrüge:

2.1. Dem von den Parteien abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2002) zugrunde, die soweit hier wesentlich lauten:

„Artikel 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

[...]

1.5. bei der Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Ansprüchen außerdem [...]

1.5.2. vor der gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen und vor der Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung die Stellungnahme des Versicherers, insbesondere zur Aussicht auf Erfolg, einzuholen; der Abschluss von Vergleichen ist mit dem Versicherer abzustimmen;

[...]

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz von der Verpflichtung zur Leistung frei.

[…] .“

2.2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht des Klägers eine Verletzung der ihn nach Art 8.1.1. ARB 2002 treffenden Obliegenheit vertretbar angenommen:

Die Beklagte hat mit ihrem inhaltlich unstrittigen und insoweit auch völlig unmissverständlichen Schreiben vom für die Wahrnehmung aller im gegebenen Kontext in Frage kommenden Ansprüche, demnach auf für solche aus dem vom Kläger so bezeichneten 2. Schadensfall, die Deckung abgelehnt. Sollte diese Deckungsablehnung wie der Kläger behauptet iSd § 158n Abs 3 VersVG verspätet gewesen sein, kann er daraus nichts gewinnen, weil das vom Kläger erhobene Zahlungsbegehren ausschließlich danach erfolgte Vertretungsleistungen betrifft.

Auch wenn der Vertreter der Beklagten in seinem Schreiben vom („fragen wir höflich nach, ob Korrespondenz, Berichtsbriefe vorliegen“) nicht exakt die in Art 8.1.1. ARB 2002 gebrauchte Wortfolge verwendete, war diese Anfrage zweifelsfrei als Verlangen nach Vorlage der genannten Urkunden zu werten.

Soweit der Kläger behauptet, diesem Verlangen der Beklagten nach Urkundenvorlage entsprochen zu haben, geht er nicht von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts aus. Diesen zufolge hat der Vertreter des Klägers Berichtsbriefe nicht an den Vertreter der Beklagten übermittelt und insbesondere auch nicht mitgeteilt, dass der Kläger die Entwürfe seines vormaligen und zu klagenden Rechtsvertreters überarbeitet an diesen zurückgeschickt hatte. Dass diese Informationen für die Beurteilung eines Fehlverhaltens des vormaligen Rechtsvertreters relevant sein konnten, liegt auf der Hand.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Verletzung der Obliegenheit nach Art 8.1.1. ARB 2002, die die Beklagte auch ohne (ausdrückliche) Erwähnung im Ablehnungsschreiben im Prozess einwenden konnte (RIS Justiz RS0080452), grob fahrlässig erfolgte. Diese Rechtsansicht ist eine typische Einzelfallbeurteilung und könnte im Lichte des § 502 Abs 1 ZPO nur dann die Zulässigkeit der Revision begründen, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche, dem Berufungsgericht also eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (7 Ob 76/05k mzN). Warum dies hier der Fall sein sollte, zeigt der Kläger nicht auf und den Kausalitätsgegenbeweis hat er in erster Instanz nicht substanziell nachvollziehbar angetreten. Daraus folgt, dass das Berufungsgericht die Leistungsfreiheit der Beklagten schon infolge Verletzung der Obliegenheit nach Art 8.1.1. ARB 2002 vertretbar angenommen hat.

2.3. Ob dem Kläger tatsächlich nach und trotz Deckungsablehnung durch die Klägerin noch weitere Obliegenheitsverletzungen, insbesondere eine fehlende Abstimmung des abgeschlossenen Vergleichs mit der Beklagten, angelastet werden könnten (vgl dazu auch RIS Justiz RS0080453), muss infolge vertretbar angenommener Verletzung der Vorlageobliegenheit nach Art 8.1.1. ARB 2002 nicht geprüft werden. Aus diesem Grund ist auch die vom Kläger für den Fall der Bejahung einer Obliegenheitsverletzung nach Art 8.1.5.2. ARB 2002 erfolgte Anregung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH nicht zu prüfen.

2.4. Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt sich insgesamt nicht; die außerordentliche Revision ist somit unzulässig und zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00209.15H.0217.000