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OGH vom 22.11.2017, 3Ob189/17s

OGH vom 22.11.2017, 3Ob189/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Jensik, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Ortenburger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, *****, vertreten durch Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, 2. J*****, vertreten durch Hock & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 331.560 EUR sA, hier wegen Aussageverweigerung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 88/17y, 107/17t-123, womit die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom (richtig:) , GZ 11 Cg 164/11x-82, vom , GZ 11 Cg 164/11x-93, und vom , GZ 11 Cg 164/11x-111, abgeändert bzw ersatzlos aufgehoben wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung einer Maklerprovision von 331.560 EUR sA für die Vermittlung einer Liegenschaft.

In der Verhandlung vom wollte das Erstgericht zwei Zeugen, einen Rechtsanwalt und dessen Mitarbeiterin, von Amts wegen dazu befragen, wer außer der Mitarbeiterin des Rechtsanwalts und der Geschäftsführerin der Erstbeklagten bei der Besichtigung des Objekts anwesend war. Beide Zeugen verweigerten die Beantwortung von Fragen zu diesem Thema unter Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, von der der Rechtsanwalt seitens seiner Mandanten (der beiden Beklagten) nicht entbunden worden sei.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom aus, dass die Aussageverweigerung der Zeugen nicht zu Recht erfolgt sei, und verhängte in der Folge mit Beschluss vom bzw vom über beide Zeugen jeweils eine Ordnungsstrafe von 1.000 EUR.

Das Rekursgericht änderte den Beschluss vom in Stattgebung der Rekurse der beiden Zeugen und der beiden Beklagten dahin ab, dass es die Aussageverweigerung der Zeugen als rechtmäßig erkannte; die Beschlüsse vom und vom hob es ersatzlos auf. Auch die Beklagten seien zur Erhebung eines Rekurses gegen den Beschluss vom legitimiert, weil sie als Mandanten des Rechtsanwalts ein Interesse daran hätten, dass ihr Recht auf anwaltliche Verschwiegenheit im vorliegenden Zivilprozess gewahrt werde. Entgegen der Ansicht der Klägerin könnten die Beklagten nicht darauf verwiesen werden, die von ihnen bekämpfte Beurteilung der Aussageverweigerung als unrechtmäßig (erst) im Rechtsmittelverfahren gegen die Hauptentscheidung als Verfahrensmangel geltend zu machen. Ein Verfahrensmangel könne nämlich immer nur in einem „zu wenig“ und niemals in einem „zu viel“ an Beweisverfahrensergebnissen liegen; eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage, wie hier durch Zeugenaussagen, begründe schon begrifflich keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Rekurse seien auch in der Sache berechtigt, weil der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, die auch für dessen Mitarbeiter gelte, jegliche Informationen unterlägen, die der Rechtsanwalt in Ausübung seiner Berufstätigkeit in Erfahrung bringe oder die ihm in dieser Funktion auf welchem Weg auch immer zur Kenntnis gelangten. Umfasst seien daher insbesondere eigene in beruflicher Eigenschaft gemachte Wahrnehmungen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsmittellegitimation einer Partei fehle, die durch die mit Zwangsmitteln erzwungene Aussage eines Berufsgeheimnisträgers in ihrem Verschwiegenheitsrecht verletzt sein könnte.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Klägerin geltend, das Rekursgericht habe die Rekurslegitimation der Beklagten zu Unrecht bejaht, weil nur der Zeuge zur Bekämpfung eines Beschlusses auf zwangsweise Durchsetzung seiner Zeugenpflicht befugt sei. Die Beklagten seien außerdem durch die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen die Zeugen nicht beschwert.

In ihren Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Beklagten jeweils, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Richtig ist, dass den Parteien des Rechtsstreits nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine unmittelbare Einflussnahme darauf zusteht, ob und welche im § 325 ZPO zur Durchsetzung der Aussagepflicht eines Zeugen vorgesehenen Mittel das Gericht anwendet, und dass eine von den Prozessparteien als Fehler des Gerichts gewertete Unterlassung (also: ein Unterbleiben der Durchsetzung der Aussagepflicht) höchstens im Rahmen der Anfechtung der Sachentscheidung als Verfahrensmangel geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0040572).

2. Daraus kann allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin keineswegs abgeleitet werden, dass eine Partei zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung eines Zeugen nicht legitimiert wäre. Im Gegenteil hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 656/83 und 2 Ob 273/01p die Rechtsmittellegitimation der Partei insoweit (implizit) bejaht.

3. Soweit die Revisionsrekurswerberin die Auffassung vertritt, das Rekursgericht hätte die Rekurse der beiden Beklagten auch deshalb zurückweisen müssen, weil diese durch die Verhängung der Ordnungsstrafen nicht beschwert gewesen seien, übersieht sie, dass sich diese Rechtsmittel inhaltlich – im Wesentlichen – nicht etwa gegen die Höhe der vom Erstgericht verhängten Ordnungsstrafen richteten, sondern gegen die Beurteilung der Aussageverweigerung als unrechtmäßig.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00189.17S.1122.000

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