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OGH vom 24.10.2019, 4Ob169/19k

OGH vom 24.10.2019, 4Ob169/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen M***** H*****, geboren am ***** 2014, in voller Erziehung des Kinder- und Jugendhilfeträgers Land Niederösterreich, Bezirkshauptmannschaft *****, Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, wegen § 107a AußStrG,§ 211 ABGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Pflegeeltern Mag. E***** K***** und G***** K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 255/19t-35, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der in der Obsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers befindliche Minderjährige war zunächst bei Pflegeeltern untergebracht und wurde ihnen sodann abgenommen.

Die Pflegeeltern beantragten die Feststellung, dass die zwangsweise Abnahme des Pflegekindes und seine Unterbringung in einem Jugendheim unzulässig (gewesen) sei und es den Pflegeeltern zurückzugeben sei.

Das Erstgericht wies den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 61 nö Kinder- und Jugendhilfegesetz unterlägen Pflegepersonen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Dieser habe im Rahmen des Gesetzes auch zu prüfen, ob das Kindeswohl gefährdet sei. Er handle bei der Vollziehung dieses Gesetzes als Organ der Verwaltung. Entziehe der Kinder- und Jugendhilfeträger den Pflegeeltern den Auftrag und verlange die Herausgabe des Kindes, so mache er dies auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Rahmen der Verwaltung. Eine Beschwerde gegen eine solche Maßnahme unterliege nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das Gericht habe wohl über Obsorgeanträge von Pflegeeltern zu entscheiden, allerdings nicht über verwaltungsbehördliche Maßnahmen des Kinder- und Jugendhilfeträgers.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Ein Fall des § 107a AußStrG iVm § 211 ABGB liege nicht vor. Die Pflegeelternschaft beruhe auf vertraglicher Vereinbarung mit dem Obsorgeträger. Diesem komme auch das Recht zu, die den Pflegeeltern erteilte Vollmacht zur Ausübung der Pflege und Erziehung samt Vertretung in medizinischen und anderen Belangen zu widerrufen. § 107a AußStrG biete keine Grundlage für das Pflegschaftsgericht, die Gesetzmäßigkeit des Handelns des Kinder- und Jugendhilfeträgers in jenen Fällen zu überprüfen, die gar nicht dem Regime des § 211 ABGB unterliegen.

Der dagegen von den Pflegeeltern erhobene außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Wenn der Kinder- und Jugendhilfeträger wegen Gefahr in Verzug zur Wahrung des Wohls eines Kindes eine vorläufige Maßnahme nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB für notwendig erachtet, muss er darüber die Entscheidung des Gerichts beantragen. Gemäß § 107a Abs 1 Satz 1 AußStrG steht sowohl dem Kind als auch jener Person, in deren Obsorge durch die noch bestehende Maßnahme des Kinder- und Jugendhilfeträgers eingegriffen wurde, ein Antragsrecht zu, mit dem sie die unverzügliche Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit oder vorläufige Zulässigkeit der Maßnahme erwirken können. Nach § 211 Abs 1 zweiter Satz ABGB hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder der Person, in deren Obsorge eingegriffen wurde, unverzüglich, tunlichst binnen vier Wochen, auszusprechen, ob die Maßnahme des Kinder- und Jugendhilfeträgers unzulässig oder vorläufig zulässig ist.

1.2. Im vorliegenden Fall ist der Jugendwohlfahrtsträger (nicht nur vorläufig) mit der Obsorge betraut, nicht aber die Pflegeeltern, sodass diesen kein Antragsrecht iSd § 107a AußStrG zukommt.

1.3. Die genannten Bestimmungen betreffen vorläufige Maßnahmen des Kinder- und Jugendhilfeträgers bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung, die in die Rechtsposition der Obsorgeberechtigten eingreifen. Da hier die Obsorge bereits dem Jugendwohlfahrtsträger zukommt, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass kein Fall einer Maßnahme iSd § 107a AußStrG iVm § 211 ABGB vorliegt, nicht zu beanstanden.

2.1. Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat nach § 59 nö Kinder- und Jugendhilfegesetz die Eignung von Pflegepersonen zu beurteilen. Diese unterliegen nach § 61 leg cit der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Für die Behebung von Missständen ist der Verwaltungsweg vorgesehen (vgl § 66 Abs 5 leg cit).

2.2. Die Zurückweisung des gegenständlichen Antrags der Pflegeeltern mangels Zulässigkeit des Rechtswegs bedarf daher keiner Korrektur.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00169.19K.1024.000

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