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OGH vom 19.03.2010, 6Ob262/09m

OGH vom 19.03.2010, 6Ob262/09m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen „Ö*****“ ***** GmbH mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer 1. W***** F*****, 2. W***** Z 3. C***** A*****, alle vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 166/09z-8, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 74 Fr 5119/09y-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Vorinstanzen verhängten über die Geschäftsführer der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen Gesellschaft nach ursprünglicher Androhung eine Zwangsstrafe in Höhe von jeweils 750 EUR mit der Begründung, die Gesellschaft habe zum Stichtag zwar gemäß §§ 277 ff UGB einen Jahresabschluss vorgelegt, dieser enthalte jedoch entgegen § 223 Abs 2 UGB nicht die Vorjahreszahlen in TSD-Beträgen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Verhängung einer Zwangsstrafe in einem solchen Fall.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, § 223 Abs 2 UGB schreibe die zwingende Angabe von Vorjahreszahlen im Jahresabschluss vor. Nach § 281 Abs 1 UGB habe der Jahresabschluss den für seine Aufstellung maßgeblichen Vorschriften zu entsprechen. Nach § 282 UGB habe das Firmenbuchgericht zu überprüfen, ob die nach §§ 277 bis 281 UGB offen zu legenden Unterlagen vollzählig eingereicht wurden. Stelle das Firmenbuchgericht dabei einen Verstoß gegen § 281 UGB fest, könne es allein deswegen keine Zwangsstrafe nach § 283 UGB verhängen, es sei denn, der Verstoß würde auch einen Verstoß gegen §§ 277 bis 280a UGB darstellen. Dies sei hier der Fall, sollte die Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss doch eine Erleichterung der Analyse der Jahresabschlüsse verschiedener Jahre bewirken und die Situationsänderungen darstellen. Dass gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft bereits wegen der Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum Stichtag ein Zwangsstrafenverfahren eingeleitet worden sei, stehe einer weiteren Verhängung von Zwangsstrafen auch unter Berücksichtigung des Doppelbestrafungsverbots des Art 4 des 7. ZP zur EMRK nicht entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Nicht strittig im Revisionsrekursverfahren ist der Umstand, dass der von der Gesellschaft zum Stichtag zum Firmenbuch eingereichte Jahresabschluss keine Vergleichszahlen zum Vorjahresabschluss (Stichtag ) ausweist und daher ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 223 Abs 2 UGB gegeben ist.

Weiters ist gerichtsnotorisch, dass die Vorinstanzen über die Geschäftsführer bereits Zwangsstrafen wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum Stichtag verhängt haben; der erkennende Senat hat zu 6 Ob 263/09h einen dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer zurückgewiesen.

2. Nach Art 6 Buchstabe a) der PublizitätsRL 68/151/EWG idF RL 2003/58/EG und RL 2006/99/EG drohen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zumindest für den Fall an, dass die in Art 2 Abs 1 Buchstabe f) vorgeschriebene Offenlegung der Rechnungsunterlagen unterbleibt. Nach dieser Bestimmung treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf die nach Maßgabe der (unter anderem) BilanzRL 78/660/EWG idF (zuletzt) RL 2009/49/EG für jedes Geschäftsjahr offen zu legenden Unterlagen der Rechnungslegung erstreckt. Art 4 Abs 4 Satz 1 der BilanzRL legt fest, dass in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung zu jedem Posten die entsprechende Zahl der vorhergehenden Geschäftsjahre anzugeben ist.

Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der österreichische Gesetzgeber in § 223 Abs 2 UGB umgesetzt. Die Norm soll eine Erleichterung der Analyse der Jahresabschlüsse verschiedener Jahre bewirken. Durch zahlreiche Schätzgrößen im Jahresabschluss - dieser besteht nach Art 2 Abs 1 der BilanzRL aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang zum Jahresabschluss; diese Unterlagen bilden eine Einheit - ist nämlich ein absolut richtiger Jahresabschluss nicht aufstellbar, der richtigen Anzeige der gegenüber dem Vorjahr eingetretenen Situationsänderung kommt daher besondere Bedeutung zu ( Hofians in Straube , HGB² [2000] § 223 Rz 9 mwN).

Der Jahresabschluss ist (samt Lagebericht) nach § 277 Abs 1 UGB beim Firmenbuchgericht einzureichen. Dabei ist er nach § 281 Abs 1 UGB so wiederzugeben, dass er den für seine Aufstellung maßgeblichen Vorschriften entspricht; er hat in diesem Rahmen vollständig und richtig zu sein.

3. Nach § 282 Abs 1 UGB hat das Gericht zu prüfen, ob die nach §§ 277 bis 281 UGB offen zu legenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht worden sind. Dazu gehört - im Gegensatz zur deutschen Rechtslage (§ 329 Abs 1 dHGB) - auch die Einhaltung der Formvorschriften ( Zehetner in Straube , HGB² [2000] § 281 Rz 98). Stellt das Gericht dabei einen Verstoß gegen die Offenlegungspflichten der §§ 277 bis 280a UGB fest, hat es nach § 283 Abs 1 UGB mittels Zwangsstrafen (unter anderem) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Befolgung dieser Vorschriften anzuhalten.

4. § 283 Abs 1 UGB verweist weder auf § 223 Abs 1 noch auf § 281 UGB. Der Revisionsrekurs schließt daraus, dass ein Verstoß (lediglich) gegen die Formvorschriften in Österreich sanktionslos sei.

Eine solche Differenzierung würde zwar der deutschen Rechtslage entsprechen. Dort regelt § 328 dHGB die Anforderungen an Form und Inhalt der Unterlagen bei der Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung, wobei § 334 Abs 1 Nr 5 dHGB bei Verstößen lediglich ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit vorsieht, während § 335 dHGB zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten ein Ordnungsgeldverfahren anordnet.

Allerdings dient § 283 Abs 1 UGB - ebenso wie § 24 FBG - (auch) der Umsetzung des Art 6 der PublizitätsRL (vgl Schenk/Schuster in Straube , UGB 4 [2009] Anh § 7 [§ 24 FBG Rz 13] unter Hinweis auf die Materialien zu Art 2 Z 4 PuG [RV 1427 BlgNR 22. GP 6 und 10]), wonach „geeignete Maßnahmen“ vorzusehen sind. Die detaillierten Regelungen der beiden erwähnten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber dabei einen nur sehr geringen Umsetzungsspielraum; er hat dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abgesichert wird (6 Ob 14/00b SZ 73/44). Gerade „geeignete Maßnahmen“ iSd Art 6 der PublizitätsRL würde bei der im Revisionsrekurs erörterten Differenzierung des § 283 Abs 1 UGB aber das österreichische Recht bei der Verletzung von Formvorschriften generell nicht vorsehen, was jedenfalls in jenen Fällen dem Gemeinschaftsrecht widersprechen würde, in denen dieses ausdrückliche Formvorschriften enthält - wozu auch die Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss gehört (vgl 2. ).

Mit Zehetner (in Straube , HGB² [2000] § 281 Rz 103) ist davon auszugehen, dass das Gericht gemäß § 283 Abs 1 UGB (unter anderem) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mittels Zwangsstrafen zur Beachtung der jeweiligen (Form-)Vorschriften anzuhalten hat, wenn sich der Verstoß auch als ein Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB darstellt. Dies ist aber bei Unterlassen der Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss im Hinblick auf die erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu bejahen, worauf im Übrigen ja auch die deutsche Rechtslage Bedacht nimmt, die in einem solchen Fall zumindest ein Bußgeld nach §§ 265, 328, 334 dHGB vorsieht.

5. Der Revisionsrekurs meint, diese auch bereits vom Rekursgericht vertretene Auffassung verstoße gegen die Vorgaben des Art 7 EMRK („nulla poena sine lege“) sowie gegen Art 4 des 7. ZP zur EMRK (Verbot der Doppelbestrafung). Diese Argumentation muss jedoch schon allein daran scheitern, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei Zwangsstrafen nach § 283 UGB nicht um „Kriminalstrafen“ handelt (RIS Justiz RS0115894 [T7]) und daher Art 6 EMRK nicht zur Anwendung kommt. Gerade dies wäre aber Voraussetzung für die Beachtlichkeit sowohl von Art 7 EMRK ( Grabenwarter , EMRK 4 [2009] § 24 Rz 130 mwN) als auch von Art 4 des 7. ZP zur EMRK ( Grabenwarter aaO Rz 142 mwN).

6. Damit war dem Revisionsrekurs, der weitere Einwände gegen die Verhängung der Zwangsstrafen nicht anführt, keine Folge zu geben.