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OGH vom 24.11.2011, 1Ob213/11x

OGH vom 24.11.2011, 1Ob213/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg K*****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 35.300,54 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 99/11y 31, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 31 Cg 3/10d 26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.) Ein Verschulden eines Entscheidungsorgans iSd § 1 Abs 1 AHG liegt nicht vor, wenn der schadensverursachenden Entscheidung eine vertretbare Rechtsansicht zugrundeliegt (vgl nur RIS Justiz RS0050216). Gerade dort, wo dem entscheidenden Organ ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, liegt Unvertretbarkeit seiner Entscheidung nicht schon dann vor, wenn eine neue Prüfung allenfalls zu einer anderen Entscheidung führte (RIS Justiz RS0049955 [T4]). Dies gilt insbesondere bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, wie im vorliegenden Fall etwa des „wichtigen dienstlichen Interesses“ iSd § 38 Abs 2 BDG an der Abberufung eines Beamten von seiner bisherigen Dienststelle. Angesichts des Einzelfallcharakters jeder darauf bezogenen Entscheidung liegt nur ausnahmsweise eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage vor, nämlich bei einer groben Fehlbeurteilung der Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Entscheidungsorgans durch das Berufungsgericht. Bejaht das Berufungsgericht hingegen eine Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Entscheidungsorgans, aus dessen Verhalten der Kläger seinen Amtshaftungsanspruch ableitet, ohne krassen Beurteilungsfehler, ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof mangels Abhängigkeit der Entscheidung von der Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig (RIS Justiz RS0110837).

2.) Vorauszuschicken ist, dass sich der Revisionswerber ausdrücklich allein auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruft. Soweit seine Ausführungen inhaltlich auch als Rüge von Verfahrensmängeln angesehen werden könnten, ist er darauf zu verweisen, dass ein vom Berufungsgericht bereits verneinter angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (RIS Justiz RS0042963). Der Vorwurf einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens setzte zu seiner gesetzmäßigen Ausführung insbesondere die Darlegung seiner Relevanz voraus, also Ausführungen dazu, zu welchen anderen Verfahrensergebnissen es gekommen wäre, wenn dem Berufungsgericht ein bestimmter Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass auch das Amtshaftungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt nur im Rahmen der Tatsachenbehauptungen der Parteien zu ermitteln hat, wobei Rechtsbehauptungen oder Rechtsbegriffe etwa die Ausführung, es habe „kein dienstliches Interesse an der Versetzung bestanden“ die Darlegung konkreter Tatsachen nicht ersetzen können.

3.) Warum es rechtlich von Bedeutung sein sollte, dass die in erster und zweiter Instanz ergangenen Entscheidungen über die Versetzung des Klägers nach ersatzloser Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr existieren, ist nicht nachvollziehbar. Für die Frage des Verschuldens ist es grundsätzlich unerheblich, ob die schadensstiftende Entscheidung etwa mangels Bekämpfbarkeit rechtskräftig wurde oder aufgrund eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben oder abgeändert wurde. Stets kommt grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch des dadurch Geschädigten in Frage, setzt aber Verschulden des Entscheidungsorgans im Sinne einer Unvertretbarkeit der der Entscheidung zugrundegelegten Rechtsansicht voraus.

4.) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung unter anderem die Erwägung zugrundegelegt, dass das Stattfinden der von den Behörden im Dienstrechtsverfahren festgestellten Vorfälle vom Kläger gar nicht bezweifelt werde. Diese Beurteilung wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Damit geht jedenfalls die Rechtsansicht des Revisionswerbers ins Leere, die Vorinstanzen hätten das Versetzungsverfahren fiktiv durchführen müssen, um überprüfen zu können, ob seine Versetzung iSd § 38 BDG dienstlich gerechtfertigt war. Vielmehr wäre es am Kläger gelegen, konkret aufzuzeigen, durch welche (unvertretbaren) Verfahrensfehler im Dienstrechtsverfahren welche konkreten Tatsachenfeststellungen unterblieben sind, die seiner Ansicht nach die festgestellten Vorfälle in einem anderem Licht erscheinen ließen und zu einer anderen Beurteilung geführt hätten.

Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang ausführt, die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt habe zu Unrecht außerhalb einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entschieden, lässt er unerörtert, zu welchen (für ihn günstigen) abweichenden Verfahrensergebnissen die Berufungskommission im Falle der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gekommen wäre. Die Kausalität des behaupteten Verfahrensfehlers wird damit nicht dargelegt. Entsprechendes gilt für den Vorwurf, durch Vernehmung der beantragten Zeugen im Dienstrechtsverfahren hätte dargestellt werden können, dass es niemals ein dienstliches Interesse an der Versetzung des Klägers gegeben hätte. Die Frage, ob ein solches dienstliches Interesse vorliegt, kann immer nur anhand eines konkreten Sachverhalts beantwortet werden. Auch hier bleibt der Revisionswerber allerdings konkrete Darlegungen schuldig, welche Tatsachen seiner Ansicht nach festgestellt worden wären.

5.) Unzutreffend ist schließlich der Vorwurf, aus den Bescheiden des Dienstrechtsverfahrens gehe nicht klar hervor, welches konkrete Verhalten der Kläger gesetzt haben sollte, um Anlass für seine Versetzung zu geben. Vielmehr hat das Erstgericht den gesamten Inhalt der im Dienstrechtsverfahren ergangenen Entscheidungen zum Bestandteil seiner Tatsachenfeststellungen gemacht. Daraus geht mit ausreichender Deutlichkeit hervor, welche Tatsachen im Dienstrechtsverfahren beurteilt wurden. Dass das Berufungsgericht die Rechtsansicht der Behörden des Dienstrechtsverfahrens als „rechtsrichtig“ angenommen hätte, ist unrichtig. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es liege eine „jedenfalls vertretbare Rechtsansicht“ vor.

6.) Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zutreffend dargelegt hat, ist im Falle eines wichtigen dienstlichen Interesses an der Abberufung eines Beamten von seiner bisherigen Dienststelle nach § 38 Abs 2 BDG eine Prüfung seiner familiären, persönlichen und sozialen Verhältnisse gemäß § 38 Abs 3 [nunmehr Abs 4 idF BGBl 1994/550] BDG nicht vorzunehmen (VwGH 93/12/0015). Auf die Revisionsausführungen zu diesen Verhältnissen ist daher nicht einzugehen, zumal er auch nicht behauptet, dass für ihn nach seiner Abberufung eine andere geeignete Stelle zur Verfügung gestanden wäre.

7.) Schon die Behörden im Dienstrechtsverfahren haben nicht verkannt, dass im Regelfall bei dem Dienstbetrieb abträglichen Konflikten zwischen zwei Beamten in der Regel (nur) jener zu versetzen ist, den das (überwiegende) Verschulden an diesen Konflikten trifft. Darüber hinaus wurde aber auch ausführlich begründet, warum in diesem Fall mit der Versetzung des Anstaltsleiters nicht das Auslangen gefunden werden könne und auch der Kläger an seiner bisherigen Dienststelle nicht mehr einzusetzen sei. Damit setzt sich der Revisionswerber allerdings in keiner Weise auseinander, weshalb er die Beurteilung der Vorinstanzen, es handle sich auch insoweit um eine vertretbare Rechtsansicht, nicht erschüttern kann.

8.) Soweit der Revisionswerber schließlich moniert, dass die Entscheidungen im Dienstrechtsverfahren durch unzuständige Behörden ergangen sind, ist er auf die ausführlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, das die Annahme einer Zuständigkeit durch die Entscheidungsorgane als rechtlich vertretbar qualifiziert hat. Eine bedenkliche Fehlbeurteilung der Frage der Vertretbarkeit vermag der Revisionswerber auch in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).