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OGH vom 06.09.2022, 2Ob136/22x

OGH vom 06.09.2022, 2Ob136/22x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* Z*, vertreten durch Dr. Walter Hausberger und andere Rechtsanwälte in Wörgl, gegen die beklagte Partei F* Z*, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 28/22t-68, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Rechtsmittel wird, soweit es Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zu I:

[1] Das Berufungsgericht hat über die auf § 477 Abs 1 Z 3 ZPO gestützte Nichtigkeitsberufung entschieden. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – die Berufung wegen Nichtigkeit verworfen wurde, ist gemäß § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RS0042925 [insb T8]; RS0042981 [T6]; RS0043796 [T1]). Insoweit sich der Beklagte gegen diesen Beschluss richtet, ist sein Rechtsmittel somit jedenfalls unzulässig.

Zu II:

[2] Der Ehegatte der Klägerin und Sohn des Beklagten verstarb * 2005 (in der Folge: Erblasser). Der Nachlass wurde mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss vom zu einem Drittel der Klägerin und zu zwei Drittel ihrer Tochter eingeantwortet. Aufgrund einer vom Erblasser 1986 erteilten Vollmacht verwaltete der Beklagte das Vermögen des Erblassers am anteiligen Verkaufserlös einer vom Beklagten im Jahr 1970 gegründeten Gesellschaft. Diese Gesellschaft wurde 1986 um mehrere Millionen Euro verkauft.

[3] Die begehrt nach behauptetem Widerruf der dem Beklagten erteilten Vollmacht (zusammengefasst) die Unterlassung jedweder Verwaltungs-, Vertretungs- und/oder Verfügungshandlungen hinsichtlich des ihr vom Erblasser hinterlassenen Vermögens, sowie (als Stufenklage) die Rechnungslegung und Eidesleistung über die Verwaltung dieses Vermögens sowie die Zahlung des sich aufgrund der begehrten Rechnungslegung ergebenden Betrags, dessen Bezifferung vorbehalten blieb; hilfsweise die Einräumung einer alleinigen Verfügungsberechtigung hinsichtlich des genannten Vermögens.

[4] Das wies das Unterlassungsbegehren rechtskräftig ab und gab mit Teilurteil dem Begehren auf Rechnungslegung und Abgabe eines Eides statt.

[5] Das bestätigte das Teilurteil zur Rechnungslegung und Abgabe eines Eides.

[6] In seiner dagegen gerichteten zeigt der keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1.1. Eine Stufenklage nach Art 42 EGZPO (im hier relevanten ersten Anwendungsfall des Abs 1) begründet keinen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht (RS0034986). Die Verpflichtung zur Rechnungslegung muss sich entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben (vgl RS0019051).

[8] 1.2. Ein beauftragter Vermögensverwalter ist nach § 1012 ABGB zur Rechnungslegung verpflichtet (RS0025120). Auch der Vermögensverwalter des Verstorbenen ist zur Rechnungslegung nach Art 42 EGZPO verpflichtet (5 Ob 30/01z mwN). Der vererbliche Auskunftsanspruch steht dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger zu (1 Ob 609/93, 7 Ob 293/98h). Der Erbe hat schon kraft seiner Erbenstellung selbst alle jene Auskunftsrechte, die auch der Erblasser gehabt hat (vgl 7 Ob 610/95).

[9] 1.3. Die Bejahung des Anspruchs der Klägerin auf Rechnungslegung und Abgabe eines Eides durch das angefochtene Urteil entspricht der klaren Rechtslage (§ 1012 ABGB, Art 42 Abs 1 EGZPO) und deckt sich mit der aufgezeigten Rechtsprechung.

[10] 2. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144). Der Beklagte wiederholt hier lediglich die bereits in der Berufung vorgebrachten Argumente, mit denen sich das Berufungsgericht umfassend auseinandergesetzt hat. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt er damit nicht auf (RS0043605).

[11] 3. Auch der Standpunkt des Rechtsmittelwerbers, es gebe im Verfahren über eine Stufenklage keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Eidesleistung, weil die Eidesleistung erst Gegenstand der Exekutionsführung sei, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Die Argumentation des Beklagten blendet hier den völlig eindeutigen Wortlaut des Art 42 Abs 1 EGZPO aus, wonach der Auskunftspflichtige „mit Urteil verhalten werden kann, … einen Eid … zu leisten“. Die vom Rechtsmittel zitierte Entscheidung (3 Ob 213/12p) und die herangezogene Kommentarstelle (Weber in Höllwerth/Ziehensack Artikel XLII EGZPO Rz 26) beschäftigen sich mit der Frage, wie ein titelmäßig gedeckter Anspruch auf Eidesleistung im Exekutionsverfahren durchzusetzen ist, stützen aber nicht die Rechtsansicht des Beklagten.

[12] 4. Der Beklagte argumentierte in der Berufung, dass er wegen Vermengung nach § 371 ABGB Eigentümer des von ihm verwalteten Vermögens geworden und deshalb nicht mehr rechnungslegungspflichtig sei. Dem trat das Berufungsgericht mit dem Hinweis entgegen, dass der Anteil der Klägerin am Gesamtwert des Portfolios jedenfalls unzweifelhaft feststellbar sei, sodass ein Eigentumserwerb des Beklagten am verwalteten Vermögen ausscheide. Das Rechtsmittel setzt sich damit nicht auseinander und legt nicht ansatzweise dar, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache hier unrichtig erscheint, weshalb auch in diesem Umfang die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zu verneinen ist (RS0043605).

[13] 5.1. Das Berufungsgericht ist von einem unwirksam vereinbarten Verzicht auf Widerruf der Vollmacht ausgegangen, sodass die Klägerin die Vollmacht wirksam widerrufen habe. Als alternative Begründung hat das Berufungsgericht im Sinn der Judikatur (RS0031261) darüber hinaus den Standpunkt vertreten, dass das Recht des Vollmachtgebers auf außerordentlichen Widerruf aus wichtigem Grund auch im Falle einer zulässigen Vereinbarung des Widerrufsverzichts gewahrt bleibe. Die Voraussetzungen für einen derartigen Widerruf aus wichtigem Grund lägen vor.

[14] 5.2. Das Rechtsmittel argumentiert ausschließlich zur Frage der Wirksamkeit des Widerrufverzichts, setzt sich aber mit der Problematik des Widerrufs aus wichtigem Grund nicht auseinander. Eine außerordentliche Revision zeigt aber auch dann keine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn sie eine alternative Begründung des Zweitgerichts, die selbständig tragfähig ist, unbekämpft lässt (RS0118709).

[15] 6. Nach Ansicht des Beklagten erfülle die „Nichtberücksichtung der Verjährung“ eine Frage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht habe diesen Einwand übergangen. Darauf muss schon deshalb nicht näher eingegangen werden, weil der Beklagte dem geltend gemachten Auskunftsanspruch weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung einen Verjährungseinwand entgegengehalten hat.

[16] 7. Da der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist seine Revision zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00136.22X.0906.000

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