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OGH vom 28.11.2013, 3Ob187/13s

OGH vom 28.11.2013, 3Ob187/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Rechtsanwalts Dr. Johannes Stieldorf, Wien 1, Nibelungengasse 1-3, erhoben namens der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 226/13s 29, mit dem der namens der Betroffenen erhobene Rekurs des Rechtsanwalts gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 7 P 221/12m 15, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestellte für die Betroffene mit Beschluss vom einen Sachwalter für alle Angelegenheiten. Darin findet sich ua die Feststellung, dass weder Geschäfts- noch Vollmachtsfähigkeit der Betroffenen im Frühjahr/Sommer 2012 gegeben war und es ihr in Folge ihrer Erkrankung (Demenz vaskulärer Genese) nicht möglich war, das Wesen einer Vollmacht zu erfassen, Vertretungshandlungen begleitend zu kontrollieren und eine Vollmacht nach sachlichen Kriterien zu widerrufen.

Dagegen erhob sie, vertreten durch einen Rechtsanwalt, der sich auf die „ erteilte Bevollmächtigung “ berief (§ 6 Abs 4 AußStrG iVm § 30 Abs 2 ZPO), Rekurs. Während eines vom Rekursgericht eingeleiteten Zwischenverfahrens brachte der Rechtsanwalt namens der Betroffenen einen Antrag gemäß § 117 AußStrG ein, ihn zum Verfahrens-, einstweiligen und endgültigen Sachwalter zu bestellen; zeitgleich gab er bekannt, dass er „ seitens der Einschreiterin am [gemeint: 2012] bevollmächtigt wurde “ und berief sich zum Beweis dafür auf diese Vollmacht; diese eigenhändig verfasste und unterfertigte Erklärung mit dem Wortlaut „ Sollte ich jemals eine besondere Behandlung oder Sachwalterschaft benötigen, so bestimme ich Hr. […] u. bei dessen Verhinderung [den Rechtsanwalt] zu meinem Sachwalter “ wurde gleichzeitig in Kopie vorgelegt (ON 24).

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Begründet wurde dies zum einen damit, dass die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts durch die Betroffene im September 2012 unwirksam sei, weil sie offenkundig aufgrund der festgestellten psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, das Wesen einer Vollmacht zu erkennen; zum anderen vermochte das Rekursgericht in der Erklärung vom keine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zu erblicken.

Dagegen richtet sich der vom Rechtsanwalt in Vertretung der Betroffenen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs , in dem ua geltend gemacht wird, der Wunsch der Betroffenen für die subsidiäre Bestellung des Rechtsanwalts zum Sachwalter umfasse auch dessen Bevollmächtigung; tatsächlich sei seine mündliche Bevollmächtigung bereits Ende April 2012 erfolgt, als die Betroffene einen von ihr erteilten Alleinvermittlungsauftrag rechtlich geprüft habe wissen wollen; er sei von ihr auch mit dem Auftrag bevollmächtigt worden, sich beim Verkauf ihres Hauses in Wien 19 einzuschalten, diesen Verkauf rechtlich zu begleiten und ihr eine ihrem Alter entsprechende Wohnung zu sichern.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig , sodass sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

1. Die Auslegung von (konkludenten) Willenserklärungen im Einzelfall sind vom Obersten Gerichtshof von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen nicht zu überprüfen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (RIS Justiz RS0042555).

2. Das Auslegungsergebnis des Rekursgerichts, der Erklärung der Betroffenen vom sei keine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zu deren Vertretung im vorliegenden Sachwalterbestellungsverfahren zu entnehmen, ist jedenfalls vertretbar.

Inhaltlich stellt die Erklärung nämlich eine sogenannte Sachwalterverfügung nach § 279 Abs 1 ABGB dar, also einen Wunsch der behinderten Person für die Auswahl ihres allenfalls notwendigen Sachwalters. Dem ist weder eine ausdrückliche Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zu entnehmen noch für welche konkreten Angelegenheiten diese erteilt wird. Für die Annahme einer schlüssig erteilten (§ 863 Abs 1 ABGB) Generalvollmacht für sämtliche Angelegenheiten der Betroffenen dürfte kein vernünftiger Grund bleiben, daran zu zweifeln, dass dieser Rechtsfolgewillen der Betroffenen vorlag. Zweifel daran sind aber objektiv nicht nur wegen der damit verbundenen sehr weitreichenden Einräumung von Vertretungsmacht auch deshalb angebracht, weil die Tätigkeit eines Sachwalters unter gerichtlicher Überwachung stattfindet und sich damit von jener eines privatrechtlich bevollmächtigten Generalvertreters gravierend aus der Sicht eines Vollmachtgebers unterscheidet. Die Verneinung einer wirksamen Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zur Vertretung der Betroffenen im Sachwalterbestellungsverfahren durch deren Erklärung vom (der der Rechtsanwalt auch nur mit einer nicht näher begründeten gegenteiligen Rechtsmeinung entgegen tritt) stellt somit keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

3. Der Verweis des Rechtsanwalts auf schon vor dem erbrachte Vertretungsleistungen im Zusammenhang mit dem (in die Wege geleiteten) Verkauf einer Liegenschaft der Betroffenen ändert daran nichts. Es wurde nämlich nicht behauptet, dass schon die seinerzeitige Bevollmächtigung auch die Vertretung in einem allenfalls später geführten Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die (nunmehr) Betroffene umfasste; im Zweifel ist dies aber wegen des völlig unterschiedlichen Gegenstands der früheren Vertretungsleistungen nicht zu unterstellen. Im Übrigen wurde aber ohnehin der Prüfungsgegenstand vom Einschreiter selbst im Zwischenverfahren auf die Frage eingeschränkt, ob er am bevollmächtigt wurde.

4. Hatte aber das Rekursgericht von einem wegen fehlender Vertretungsmacht unzulässigen Rechtsmittel auszugehen, war ihm auch die Prüfung allfälliger Nichtigkeiten des Verfahrens verwehrt; das gilt auch für den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS0007095; 5 Ob 249/07i).