OGH vom 23.01.2019, 1Ob211/18p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers C*****, vertreten durch Mag. Günther Kieberger, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die Antragsgegnerin G*****, vertreten durch Dr. Peter Reitschmied, Rechtsanwalt in Neulengbach,
wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 105/18s-35, mit dem dem Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 9 Fam 29/16f-30, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die am geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft wurde am aufgelöst. Der Ehe entstammen sechs Kinder, davon sind drei minderjährig. Von diesen leben zwei beim Vater und eines bei der Mutter. Die Frau kümmerte sich überwiegend um Haushalt, Garten und die Kinder, der Mann erwirtschaftete als selbständiger Malermeister einen Teil des Familieneinkommens, wobei er bedingt durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber drei Kindern aus erster Ehe und ein Schuldenregulierungsverfahren auch Schwarzarbeiten durchführte. Hinzu kamen – zur Deckung des Lebensunterhalts der Parteien – Unterhaltsbeträge für zwei Kinder der Frau aus erster Ehe, ihr Karenzgeld sowie die Familienbeihilfe.
Der Vater der Frau schenkte ihr ca 2 ½ Jahre nach der Eheschließung eine Liegenschaft, auf der die Ehegatten gemeinsam wohnten. Der Mann tätigte finanzielle Investitionen in diese Liegenschaft, deren Höhe (jedenfalls aber nicht mehr als 500.000 ATS) nicht festgestellt werden konnte. Er wollte für seinen Beitrag „angeschrieben“ werden. Die Ehegatten einigten sich auf die Einräumung eines lebenslangen Wohnungsgebrauchsrechts zugunsten des Mannes zur gemeinsamen Nutzung mit der Frau und zur alleinigen Nutzung nach deren Tod. Für den Ausbau des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses nahmen die Parteien (während der Ehe) zwei Kredite auf, wovon einer (in Höhe von 69.750 EUR; „erster Kredit“) auf beide Parteien „lief“, ein anderer in Höhe von 23.000 EUR („zweiter Kredit“) nur auf die Frau. Beide Kredite sind auf der Liegenschaft sichergestellt. Bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft wurde der erste Kredit mit 15.345 EUR rückgeführt und der zweite Kredit mit 230 EUR. Seither bedient ausschließlich die Frau die Kredite.
Das Erstgericht sprach die Liegenschaft samt Fahrnissen der Frau zu und „bestätigte“, dass das zugunsten des Mannes eingetragene Wohungsgebrauchsrecht gelöscht werden könne. Die Frau wurde zu einer Ausgleichszahlung in Höhe von 50.000 EUR verpflichtet. Hinsichtlich der Kredite sprach das Erstgericht die Zahlungspflicht der Frau aus und stellte fest, dass sie hinsichtlich des ersten Kredits Hauptschuldnerin und der Mann Ausfallsbürge sei. Zur in dritter Instanz alleine strittigen Frage der Ausgleichszahlung ging es davon aus, dass die während der Ehe bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erzielte Wertsteigerung des Hauses von 79.800 EUR zur Hälfte dem Mann zuzurechnen sei; dies gelte auch für die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kreditverbindlichkeiten von insgesamt 77.125 EUR. Bei Gegenüberstellung der Hälfte der ehelichen Wertschöpfung und der Hälfte der offenen Kreditverbindlichkeiten ergebe sich ein Überhang (der Aktiva) von rund 1.338 EUR zugunsten des Mannes. Diesem stehe auch eine Abgeltung seines für den Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung mit 108.000 EUR bewerteten Wohnungsgebrauchsrechts zu, das aufgrund der vereinbarten gemeinsamen Benützung mit der Frau aber nur mit dem halben Wert zu veranschlagen sei. Da die Ausgleichszahlung nach billigem Ermessen festzusetzen sei, erscheine im Hinblick auf die (bescheidene) finanzielle Situation der Frau ein binnen sechs Monaten zu zahlender Betrag von 50.000 EUR angemessen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau, der sich nur gegen die ihr auferlegte Ausgleichszahlung wendete, nicht Folge. Es ging davon aus, dass die Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts nicht aus „Großherzigkeit“ erfolgte, sondern dass damit der voreheliche Beitrag des Mannes abgegolten werden sollte, weshalb der Wert dieses Rechts bei Ausmittlung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sei. Der finanziellen Situation der Frau habe das Erstgericht durch eine (deutliche) Abrundung der sich rechnerisch ergebenden Ausgleichssumme und durch Einräumung eines großzügigen Zahlungsziels Rechnung getragen. Aufgrund der rund 10%igen Abrundung der Ausgleichszahlung komme es auch nicht darauf an, ob die Frau – wie diese behauptet, wozu aber keine Feststellungen getroffen wurden – während der Ehe ein (weiteres) Darlehen für Hausbauarbeiten aufnahm. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau mit dem Begehren, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag des Mannes, ihr eine Ausgleichzahlung von 50.000 EUR aufzuerlegen, abgewiesen wird; hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 84 EheG die Aufteilung so vorgenommen werden soll, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Auch wenn ausnahmsweise ein gewisser Kontakt auch für die Zukunft in Kauf genommen werden muss, wenn ohne ihn dem Billigkeitsgebot nicht entsprochen werden könnte (Gitschthaler, Aufteilungsrecht² Rz 445), würde die Zuweisung der Ehewohnung an die Frau unter gleichzeitiger Beibehaltung des Wohnungsgebrauchsrechts des Mannes diesem Trennungsgrundsatz nicht Rechnung tragen. Die Vorinstanzen gingen daher zu Recht davon aus, dass das Wohnungsgebrauchsrecht des Mannes aufgrund der Zuweisung der Liegenschaft an die Frau zu beseitigen ist. Dies wird von den Parteien auch nicht bekämpft. Strittig ist aber, ob bzw inwieweit der Verlust des Wohnungsgebrauchsrechts im Aufteilungsverfahren durch eine Ausgleichszahlung abzugelten ist.
2.1. Dazu ist zunächst auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach bei (Liegenschafts)Schenkungen zwischen Ehegatten der Wert der geschenkten Sache – soweit er nicht auf spätere Arbeitsleistungen oder Investitionen zurückzuführen ist – bei der Ermittlung des dem die Sache zurückfordernden Geschenkgeber aufzuerlegenden Ausgleichsbetrag nicht miteinzubeziehen ist (RISJustiz RS0113358). Dies führt in der Regel dazu, dass dem seinerzeit beschenkten Ehegatten für die Rückübertragung kein wertmäßiger Ausgleich zuzubilligen ist (RISJustiz RS0113358 [T4, T 5]). Auch für die bloße Aufgabe eines einem Ehepartner vom anderen – anstelle eines Liegenschaftsanteils – ohne Gegenleistung eingeräumten Fruchtgenussrechts wird kein solcher Ausgleich zugebilligt (1 Ob 5/14p). Für die Beseitigung eines einem Ehegatten während der Ehe eingeräumten bücherlichen Wohnrechts an einer dem anderen verbleibenden Liegenschaft im Rahmen der gerichtlichen Aufteilung kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
2.2. Der Mann wollte für seine Investitionen in die – nach den erstinstanzlichen Feststellungen damals noch dem Vater der Frau gehörende – Liegenschaft (ersichtlich in das darauf befindliche Haus) „angeschrieben“ werden; er strebte also die Übertragung eines Miteigentumsanteils an sich an. Die Parteien einigten sich dann auf die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts. Für die Frage, ob dem Mann für den Verlust seines Wohnrechts im Aufteilungsverfahren ein finanzieller Ausgleich zukommen soll, kommt es zunächst darauf an, ob die Vereinbarung über die Einräumung des Wohnrechts auch für den Fall der Scheidung gelten oder ob der Mann nur für den Fall eines früheren Todes der Frau während aufrechter Ehe abgesichert werden sollte. Hätte das Wohnrecht nach dem Parteiwillen nur seine Absicherung während aufrechter Ehe für den Fall des Vorversterbens der Frau bezweckt und hätten die Parteien nicht auch an eine Scheidung gedacht und auch für diesen Fall eine Berechtigung des Mannes schaffen wollen, stünde unmittelbar für einen Verlust des Wohnrechts im Zuge der Aufteilung kein Ausgleich zu, weil die Parteien das Wohnrecht für diesen (Scheidungs-)Fall dann ohnehin nicht einräumen wollten; dann wäre ihm nach allgemeinen Grundsätzen der auf seine Beiträge zurückgehende Anteil an der (verbliebenen) Wertsteigerung zuzurechnen.
Sollte dieses Recht nach dem Willen der früheren Ehegatten hingegen auch eine Scheidung überdauern – was nicht ohne weiteres zu unterstellen ist, geht es doch zu Lebzeiten der Frau um ein bloßes „Mitwohnrecht“, das den typischen Interessen geschiedener Ehegatten kaum entspricht –, wäre für dessen nunmehrigen Verlust ein angemessener und billiger Ausgleich zu leisten. Da dies mit den Parteien bisher nicht erörtert wurde und auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie bisher nicht beachtet hatten (RISJustiz RS0037300 [T9]), sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache ist zur neuerlichen Entscheidung nach Erörterung und allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
2.3. Sofern nach diesen Ausführungen ein Ausgleich für den Verlust des Wohnrechts zu leisten wäre, würde dieser nur den auf die vom Mann erbrachten, aus vorehelichen Mitteln stammenden, wertsteigernden Investitionen entfallenden Teil dieses Rechts umfassen, weil das Wohnrecht nur in diesem Umfang als Gegenleistung für die Investitionen angesehen werden kann. Der darüber hinausgehende Teil des Wohnrechts wäre hingegen als Schenkung zu qualifizieren, deren Wert bei Ermittlung der Ausgleichszahlung nicht miteinzubeziehen und für deren „Rückgängigmachen“ kein Wertausgleich zuzubilligen wäre (vgl 1 Ob 5/14p mwN zur ohne Gegenleistung erfolgten Einräumung eines Fruchtgenussrechts an der Liegenschaft des anderen Ehegatten). Ob und in welchem Umfang die Investitionen des Mannes als Gegenleistung für das ihm – im Rahmen einer gemischten Schenkung – eingeräumte Wohnrecht bei dessen Abgeltung zu berücksichtigen sind, wurde bisher nicht mit den Parteien erörtert, was im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein wird.
Welcher Teil des Wohnrechts in diesem Sinn als geschenkt und welcher Teil als Gegenleistung für die Investitionen des Mannes anzusehen wäre, kann derzeit vor allem auch deshalb nicht beurteilt werden, weil die erstgerichtlichen Feststellungen in wesentlichen Teilen unklar bzw widersprüchlich sind. Danach steht der Gebäudewert im Zeitpunkt der Eheschließung mit 15.200 EUR fest; ebenso, dass der Mann Eheschließung Investition in die Liegenschaft in einem 500.000 ATS nicht übersteigenden Umfang tätigte. Abgesehen davon, dass fraglich ist, wie die letztgenannte Feststellung mit dem (niedrigen) Gebäudewert bei Eheschließung in Einklang steht (die Investitionen des Mannes flossen ja ersichtlich in das Gebäude), ist diese auch nicht vom Parteienvorbringen gedeckt, hatte doch der Mann (unbestritten) vorgebracht – und im Rahmen seiner Aussage wiederholt –, dass der Ausbau des Hauses erst nach dem Eigentumserwerb durch die Frau erfolgt sei. Welche sonstigen Investitionen das Erstgericht im Auge gehabt haben könnte, wenn es von solchen vor der Eheschließung – und damit notwendigerweise auch vor der Schenkung – spricht, bleibt unklar. Angesichts der festgestellten Gebäudewerte zu den Zeitpunkten („Stichtagen“) der Eheschließung bzw der Schenkung, kann es sich nur um geringfügige Maßnahmen gehandelt haben. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass die Annahme des Zeitpunkts jener finanziellen Investitionen, für die der Mann „angeschrieben“ werden wollte, auf einem Irrtum des Erstgerichts beruht. Dann wäre auch offen, ob der Mann überhaupt voreheliche Mittel verwendete. Damit bleibt aber insgesamt ungeklärt, inwieweit die Investitionen des Mannes den Wert der Liegenschaft erhöht haben und daher als Gegenleistung für das Wohnrecht angesehen werden können oder ihm sonst abzugelten sind. Dass dem Mann abzugeltende (wertsteigernde) Investitionen aus vorehelichen Mitteln rechnerisch mit ihrem noch vorhandenen Wert von der Aufteilungsmasse abzuziehen wären, weil sie sonst doppelt berücksichtigt würden, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Im Zusammenhang mit den zu berücksichtigenden Schulden wird schließlich auf die Behauptung der Frau zu dem aufgenommenen Darlehen im Bekanntenkreis einzugehen sein, das zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vollständig zurückbezahlt gewesen sei.
3. Da eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz bereits aus den dargestellten Gründen zu erfolgen hat, muss auf den im Revisionsrekurs relevierten sekundären Feststellungsmangel zur Frage, ob die – sich in einer angespannten finanziellen Situation befindliche – Frau (sie bezieht lediglich Karenzgeld und Kinderbeihilfe; hinzu kommen Unterhaltsbeiträge für zwei Kinder aus erster Ehe) in der Lage wäre, die von den Vorinstanzen bemessene Ausgleichszahlung unter Anspannung ihrer Kräfte (vgl RISJustiz RS0057706 [T3]) aufzubringen, nicht weiter eingegangen werden. Dass dem Verschulden an der Ehescheidung im Aufteilungsverfahren grundsätzlich keine Bedeutung zukommt, sei im Hinblick auf die offenbar gegenteilige Ansicht der Revisionsrekurswerberin erwähnt.
4. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass kein die Sache erledigender Beschluss im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG vorliegt.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00211.18P.0123.000 |
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