OGH vom 11.09.2003, 6Ob127/03z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Bank AG, ***** vertreten durch Dr. Ludwig Pramer und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. Rainer L*****, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Mag. Klaus Michael Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen 21.140,40 EUR, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 38/03s-21, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom , GZ 4 Cg 62/01g-17, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Anordnung der Zustellung des Versäumungsurteiles richtet, wird er zurückgewiesen.
Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs gegen Punkt I. des Beschlusses des Rekursgerichtes nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs gegen Punkt II. des Beschlusses des Rekursgerichtes wird dahin Folge gegeben, dass dieser lautet:
"Der Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles vom , GZ 4 Cg 62/01g-3, wird abgewiesen.
Der Beklagte hat der klagenden Partei die mit 2.736,26 EUR (darin enthalten 408,42 EUR Umsatzsteuer und 285,74 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens über seine Anträge in erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen".
Der Beklagte hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten 21.140,40 EUR (290.898,30 S). Sie brachte vor, dass nach dem Tod der Mutter des Beklagten weiterhin Pensionszahlungen auf deren Konto überwiesen worden seien. Die Klägerin habe das Guthaben an den Beklagten ausbezahlt und habe nun die zu Unrecht bezogenen Pensionsbeträge zurückzahlen müssen.
Die Klage samt dem Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung binnen drei Wochen wurde dem Beklagten am durch Hinterlegung an der in der Klage angeführten Adresse zugestellt. Da keine Klagebeantwortung überreicht wurde, erging am auf Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil, das dem Beklagten am durch Hinterlegung zugestellt wurde. Am bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles.
Am langte ein Schriftsatz des am für den Beklagten bestellten einstweiligen Sachwalters ein, der vorbrachte, der Beklagte sei seit Anfang 1999 nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Überdies sei der Beklagte zwar an der Zustelladresse gemeldet gewesen, er habe sich dort im Zeitpunkt der Zustellungen aber nicht aufgehalten. Der einstweilige Sachwalter beantragte namens des Beklagten, ihm die Klage zuzustellen und das Versäumungsurteil aufzuheben, hilfsweise ihm das Versäumungsurteil zuzustellen, jedenfalls aber die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles aufzuheben sowie das bereits beim Exekutionsgericht anhängige Exekutionsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diese Anträge gemäß § 42 EO aufzuschieben; der Schriftsatz sei zur Entscheidung über diesen Aufschiebungsantrag an das Exekutionsgericht weiterzuleiten.
Die Klägerin sprach sich gegen diese Anträge aus und verwies auf die Möglichkeit der Einbringung einer Nichtigkeitsklage.
Das Erstgericht holte ein psychiatrisches Gutachten zur Frage ein, ob der Beklagte im Zeitpunkt der Klageeinbringung prozessfähig und ob er ab Mitte 1999 bis Ende 2001 geschäftsfähig gewesen sei. In der zur Erörterung des Gutachtens abgehaltenen Tagsatzung vom beantragte die Klägerin, für den Fall der Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung neuerlich eine solche zu erteilen.
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 1. die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Versäumungsurteils aufgehoben, 2. das Versäumungsurteil und das Verfahren einschließlich der Klagezustellung als nichtig aufgehoben, 3. die Zustellung der Klage an den Sachwalter zur Beantwortung der Klage binnen drei Wochen angeordnet, 4. den Antrag der Klägerin auf neuerliche Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils abgewiesen und 5. die Kostenentscheidung vorbehalten. Es stellte fest, dass die seit längerem bestehende Alkoholabhängigkeit des Beklagten nach dem Tod seiner Mutter am eskaliert sei; damit sei die Entwicklung hirnorganischer Persönlichkeitsveränderungen wie Kontroll- und Realitätsverlust, Kritikminderung, Manie usw verbunden gewesen; dieser Zustand habe bis Ende 2001 bestanden. Der Beklagte sei daher sowohl bei Einbringung der Klage als auch bei Zustellung des Versäumungsurteiles prozessunfähig gewesen. Aus der Entscheidung 1 Ob 6/01s (verstärkter Senat) sei abzuleiten, dass die Prüfung der Prozessfähigkeit des Beklagten durch das Prozessgericht auf Grund eines Zustellantrages die "ökonomischste" Vorgangsweise sei und ein Rechtsschutzdefizit nicht bestehe, wenn dem beiderseitigen Parteiengehör im Rahmen einer Tagsatzung Rechnung getragen werde. Den Anträgen des Beklagten sei daher stattzugeben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge. Es änderte in Punkt I. die Beschlusspunkte 2. und 3. des Erstgerichts dahin ab, dass es die Anträge des Beklagten auf Zustellung der Klage an den Sachwalter und Aufhebung des Versäumungsurteiles zurückwies und die Zustellung des Versäumungsurteiles an den Sachwalter anordnete. In Punkt II. hob es die übrigen Beschlusspunkte des Erstgerichtes (1., 4. und 5.) auf und trug dem Erstgericht auf, über die Anträge des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und der Klägerin auf neuerliche Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung sowie über die Kosten des Zwischenstreits nach § 7 Abs 3 EO nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil und der Rekurs gegen den aufhebenden Teil zulässig seien. Das Erstgericht sei an seine Entscheidung gebunden, sodass die Aufhebung des Versäumungsurteiles durch das Erstgericht unzulässig sei. Solange das Versäumungsurteil nicht beseitigt sei, könne auch keine neuerliche Klagezustellung angeordnet werden. Nach der Entscheidung 1 Ob 6/01s sei der Nichtigkeitsklage gegenüber einem im selben Prozess abzuführenden Verfahren zur Prüfung der Prozessfähigkeit der Vorzug zu geben. Die formelle Rechtskraft trete auch bei nicht erkannter Prozessunfähigkeit einer Partei ein. Diese könne gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO eine Nichtigkeitsklage einbringen. Das Versäumungsurteil sei daher an den Sachwalter zuzustellen. Die Partei habe zwar die kumulative Wahlmöglichkeit, neben der Nichtigkeitsklage auch den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs 3 EO zu stellen, doch habe hier der Kläger eine Nichtigkeitsklage noch nicht eingebracht. Infolge formeller Rechtskraft des Versäumungsurteiles sei die Prozessunfähigkeit des Beklagten bei dessen Zustellung kein Grund für eine Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung. Der Beklagte habe aber auch vorgebracht, dass er bei Zustellung des Versäumungsurteiles ortsabwesend gewesen sei. Diese Ungültigkeit der Zustellung könne der Beklagte nach Zustellung des Urteiles an seinen Sachwalter mit Nichtigkeitsberufung geltend machen, in der er den Zustellmangel und die Rechtzeitigkeit der Berufung bescheinigen müsste. Darauf gestützt könne er auch gemäß § 7 Abs 3 EO die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung erreichen. Das Erstgericht werde daher die behauptete Ortsabwesenheit des Beklagten bei Zustellung des Versäumungsurteiles vor neuerlicher Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu prüfen haben. Der ordentliche Revisionsrekurs und der Rekurs seien zulässig, weil sich die vom Rekursgericht aus der Entscheidung 1 Ob 6/01s gezogenen Schlussfolgerungen nicht zwangsläufig ergäben.
Die Aufhebung des Punktes 4. des erstgerichtlichen Beschlusses (Antrag der Klägerin, für den Fall der Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung diese neuerlich zu erteilen) blieb unbekämpft.
Gegen den abändernden Teil (Punkt I. des Beschlusses des Rekursgerichtes) und den übrigen aufhebenden Teil (Punkt II.) richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten, der aus dem vom Rekursgericht genannten Grund teilweise zulässig und teilweise auch berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Punkt I. der Rekursentscheidung:
Durch die Anordnung der Zustellung des Versäumungsurteiles an seinen gesetzlichen Vertreter (einstweiligen Sachwalter) kann sich der Beklagte nicht beschwert erachten, sodass sein Revisionsrekurs insoweit zurückzuweisen ist.
Die Anordnung entspricht zudem der gemäß der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 6/01s (JBl 2002, 320) einzuhaltenden Vorgangsweise, wenn Prozessunfähigkeit des Beklagten während des gesamten Verfahrens behauptet wird. Demnach ist einem Zustellantrag des gesetzlichen Vertreters (der hier hilfsweise gestellt wurde) schon wegen der bereits eingetretenen Rechtskraft ohne Prüfung des behaupteten Verfahrensmangels stattzugeben. In der Entscheidung wurde zwar auch erwogen, dass dem Lösungsansatz Faschings und der ihm folgenden Lehre, nämlich dass dann, wenn die Frage des Eintritts der Rechtskraft bzw der "Scheinrechtskraft" von streitigen Tatsachen abhänge, die Nichtigkeitsklage schon wegen der größeren Sicherheit kontradiktorischer Beweisaufnahme zulässig sein müsse, in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden könne. Dem Grundsatz des durch Art 6 Abs 1 EMRK garantierten rechtlichen Gehörs sei von der Rechtsprechung insbesondere auch in jenen Fällen zum Durchbruch verholfen worden, in denen es um Erhebungen zur Prüfung der Rechtzeitigkeit und Wirksamkeit von Zustellungen gegangen sei. Das Gericht könnte wohl auch eine mündliche Verhandlung anberaumen, um den Parteien - auch im Interesse einer Vereinfachung des Verfahrens - nicht nur eine nachträgliche Stellungnahme zu Beweisergebnissen, sondern an deren Stelle die unmittelbare Einflussnahme auf die Aufnahme der Beweise durch die Befragung von Parteien, Zeugen und Sachverständigen zu ermöglichen, soweit ein solcher Verfahrensschritt angesichts der besonderen Fallgestaltung geboten erscheine, werde doch eine solche Verhandlung vom Gesetz keineswegs ausgeschlossen. Diese Erwägungen interpretierte das Erstgericht offenbar dahin, dass es selbst befugt sei, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erörterung der Prozessfähigkeit in dieser sein eigenes Urteil mit Beschluss als nichtig zu beseitigen, ohne dass das in den §§ 538 ff ZPO geregelte Verfahren über Nichtigkeitsklagen durchgeführt werden müsste. Dieser Vorgangsweise steht jedoch entgegen, dass das Gericht gemäß § 416 Abs 2 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist, sobald diese verkündet oder - im Fall des § 415 ZPO - in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung (an die Geschäftsstelle) gegeben ist. Ab diesem Zeitpunkt kann es seine Entscheidung nicht mehr aufheben oder abändern. Daher kann das Gericht sein eigenes Urteil auch dann nicht selbst aufheben, wenn sich seine Nichtigkeit herausstellen sollte. Wenn die Rechtsmittelfrist gegen ein Urteil noch offen ist, steht dem Begehren auf neuerliche Klagezustellung zur Erstattung der Klagebeantwortung die Streitanhängigkeit (§§ 232, 233 ZPO), nach Ablauf der Rechtsmittelfrist die Einmaligkeitswirkung des Urteiles (§ 411 ZPO) entgegen. Das Erstgericht ließ die weiteren Ausführungen des verstärkten Senates unbeachtet, in denen klargestellt wird, dass die Prozessunfähigkeit einer Partei nur mit einer Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, wenn die Rechtsmittelfrist ab Zustellung an den Prozessunfähigen bereits abgelaufen ist. Es wurde dargelegt, dass ein Rechtsschutzdefizit - wenn schon nicht unbedingt in erster Instanz - jedenfalls im Rechtsmittelverfahren gegeben sei, weil zumindest im streitigen Verfahren das Rekursgericht grundsätzlich von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, wenn dieses unmittelbar Beweise aufgenommen hat, nicht abgehen könne; auch diese Überlegungen rechtfertigten es, der Nichtigkeitsklage gegenüber einem im Vorprozess durchzuführenden Verfahren den Vorzug zu geben.
Dem Schriftsatz des Beklagten, in dem er - unter anderem - die Aufhebung des Versäumungsurteiles als nichtig begehrt, kann auch nicht entnommen werden, dass der Beklagte in Wahrheit eine Nichtigkeitsklage einbringen wollte. Sein zugleich gestellter Antrag auf Zustellung des Versäumungsurteiles an seinen Sachwalter deutet vielmehr darauf hin, dass er sich die Entscheidung, ob er eine Nichtigkeitsklage erheben soll, noch vorbehalten wollte. Zudem hat er sich zum Vorbringen der Klägerin, dass dem Beklagten nur die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage offenstehe, in keiner Weise geäußert und trotz Erörterung der Entscheidung 1 Ob 6/01s nicht zu erkennen gegeben, dass er seine Anträge als Nichtigkeitsklage verstanden wissen wollte. Das Rekursgericht hat daher zu Recht die Anträge auf Klagezustellung und Aufhebung des Versäumungsurteiles in Abänderung der diesbezüglichen Entscheidung des Erstgerichtes (Punkte 2. und 3. des erstgerichtlichen Beschlusses) zurückgewiesen.
Zu Punkt II. der Rekursentscheidung:
Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes räumte dem Beklagten bei behaupteter Prozessunfähigkeit trotz Anerkennung der Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage die - kumulative - Möglichkeit ein, neben der Nichtigkeitsklage auch den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs 3 EO zu stellen. In jenen Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit der Zustellung auf mangelnde Prozessfähigkeit zurückgeführt werde, sei sowohl ein Vorgehen nach § 7 Abs 3 EO als auch die Erhebung einer Nichtigkeitsklage grundsätzlich zur Rechtsdurchsetzung geeignet (RIS-Justiz RS0110275).
Diese Rechtsprechung ist jedoch nach dem Vorliegen der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 6/01s nicht mehr fortzuschreiben. Nur wenn man entgegen dieser Entscheidung am Begriff der Scheinrechtskraft festhielte und daher vor der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter forderte, weil die Nichtigkeitsklage die "wirkliche" Rechtskraft verlange, könnte die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit infolge mangelnder gesetzlicher Vertretung des prozessunfähigen Beklagten als gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt angesehen werden. Wenn aber die Nichtigkeitsklage formelle Rechtskraft voraussetzt und diese auch bei Zustellung an die während des gesamten Verfahrens prozessunfähige Partei, deren Prozessunfähigkeit nicht erkennbar war, eintritt, wovon die zitierte Entscheidung ausgeht, ist die Bestätigung der Vollstreckbarkeit nicht aufzuheben. Gemäß § 547 Abs 2 ZPO hat die Einbringung einer Nichtigkeitsklage auf die Vollstreckbarkeit der angefochtenen (formell) rechtskräftigen Entscheidung keinen Einfluss. Die Prüfung der Prozessunfähigkeit im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO wurde auch bisher schon als problematisch empfunden, wie in der Entscheidung 1 Ob 6/01s dargestellt ist. Für die Einräumung einer neben dem Verfahren über die Nichtigkeitsklage bestehenden - kumulativen - Möglichkeit zur Prüfung der Prozessfähigkeit besteht auch kein Bedarf. Die Nichtigkeitsklage und die damit einhergehende Möglichkeit der Aufschiebung der Exekution (§ 42 Abs 1 Z 1 EO) bieten ausreichenden Rechtsschutz.
Der Beklagte hat - neben dem Vorliegen seiner Prozessunfähigkeit schon im Klagezeitpunkt - auch behauptet, sich ebenfalls schon im Zeitpunkt der Klagezustellung nicht am Zustellort aufgehalten zu haben. Damit macht er den ersten Fall der in § 529 Abs 1 Z 2 ZPO genannten Nichtigkeitsgründe (wenn eine Partei im Verfahren gar nicht vertreten war) geltend. Auch wenn der in der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 6/01s formulierte Rechtssatz nur auf die Prozessunfähigkeit ausdrücklich abstellt (§ 529 Abs 1 Z 2 ZPO zweiter Fall), haben doch die in dieser Entscheidung dargelegten Erwägungen auch für den ersten Fall des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO Gültigkeit. Die Aussage, dass unter Rechtskraft im Sinn des § 529 Abs 1 Z 2 und Abs 2 und des § 534 Abs 2 Z 2 und Abs 3 ZPO die formelle Rechtskraft zu verstehen ist, die eintritt, wenn die Rechtsmittelfrist verstrichen ist, umfasst auch die Verletzung des Parteiengehörs dadurch, dass eine Partei dem Verfahren überhaupt nicht beigezogen wurde. Der Mangel der gesetzlichen Vertretung (der Prozessunfähigkeit) ist lediglich eine besondere Ausprägung der Verletzung des Parteigehörs und gibt zur unterschiedlichen Qualifikation dieses Nichtigkeitsgrundes je nachdem, ob eine Partei gar nicht oder nicht durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verfahren beteiligt war, keinen Anlass. Für das Vorliegen der Nichtigkeit nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann es keinen Unterschied machen, ob sich die fehlende Vertretung einer Partei aus einer nach dem Zustellgesetz (§ 17 Abs 3) oder mangels Prozessfähigkeit unwirksamen Zustellung ergibt.
In der Entscheidung des verstärkten Senates wurde auch klargestellt, dass eine nicht ordnungsgemäße Zustellung des Titels für sich allein nicht Grundlage einer Nichtigkeitsklage sein könne; dies ergebe sich aus § 529 Abs 2 ZPO im Zusammenhalt mit § 536 Z 1 ZPO: Nur das Verfahren, das die Grundlage der Entscheidung bilde und somit der Entscheidung vorausgehe, könne nichtig sein, nicht aber eine verfehlte Zustellung dieser Entscheidung, die das zur Entscheidung führende Verfahren nicht betreffe, sondern dieser nachfolge. Habe der Zustellmangel auf den Gang des Verfahrens keinen Einfluss, weil er erst nach Fällung der Entscheidung eingetreten sei - etwa weil die Partei erst nach diesem Zeitpunkt prozessunfähig geworden sei -, so könne Abhilfe jedenfalls nur in dem vom Mangel betroffenen Verfahren gesucht werden und es sei dort der Zustellantrag zu stellen. Im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte behauptet, dass er während des gesamten Verfahrens ortsabwesend gewesen und daher an diesem überhaupt nicht beteiligt worden sei. Es geht hier nicht (bloß) um einen Zustellmangel betreffend den Titel, sondern um eine bereits das gesamte Verfahren zur Schaffung dieses Titels umfassende Nichtigkeit.
§ 7 Abs 3 EO soll, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, nicht dazu dienen, einen strittigen Feststellungsprozess über in der Vergangenheit liegende Umstände, die eine Nichtigkeit im Sinn des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO (§ 477 Abs 1 Z 5 ZPO) begründen, zu ersetzen. Ein Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit muss daher auch dann erfolglos bleiben, wenn die Ortsabwesenheit des Beklagten während des gesamten Verfahrens (und nicht nur im Zeitpunkt der Zustellung des Titels) behauptet wird. Auch dieser Nichtigkeitsgrund ist aus den in der Entscheidung des verstärkten Senates dargelegten Erwägungen mit Nichtigkeitsklage geltend zu machen.
In der nach der Entscheidung des verstärkten Senates ergangenen Entscheidung vom , 3 Ob 204/00x, wurde zwar einer säumigen Ersteherin im Zwangsversteigerungsverfahren, die zum Ersatz des Ausfalls am Meistbot verpflichtet wurde, antragsgemäß die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses gemäß § 7 Abs 3 EO bewilligt, weil sie im Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses nicht prozessfähig und nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war aber nicht (bloß) die Zustellung des (dort im Exekutionsverfahren) ergangenen Titels verfehlt, sondern es war die Ersteherin bereits in dem zu diesem Titel führenden Verfahren nicht ordnungsgemäß - nicht durch den gesetzlichen Vertreter - vertreten. Diese Auffassung, die offensichtlich an die frühere Rechtsprechung anschließt, ohne auf die hievon teilweise abgehende Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 6/01s Bedacht zu nehmen, ist - zumindest für außerhalb des Exekutionsverfahrens, in dem die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage von der Rechtsprechung nach wie vor verneint wird, geschaffene Titel - als überholt abzulehnen.
Im (Revisions-)Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse gilt nicht das Verbot der reformatio in peius. An Stelle des Aufhebungsbechlusses kann daher der Oberste Gerichtshof auch über den Rekurs des Antragstellers im antragsabweisenden Sinn entscheiden (vgl Kodek in Rechberger ZPO² § 519 Rz 5 mwN; § 528a Rz 1). Da es der vom Rekursgericht angeordneten Ergänzungen nicht bedarf, ist der Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung sogleich abzuweisen.
Da die Anträge des Beklagten im Wesentlichen - mit der zu vernachlässigenden Ausnahme des Zustellantrages betreffend das Versäumungsurteil - abgewiesen wurden, hat er der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens über seine Anträge in erster und zweiter Instanz gemäß den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO zu ersetzen sowie die Kosten seines insgesamt letztlich erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen. Die in erster Instanz erstatteten Schriftsätze der Klägerin sind nach TP 2 RAT zu honorieren. Als Barauslagen steht nur jener Teil der von der Klägerin erlegten Kostenvorschüsse zu, der zur Deckung der bestimmten Sachverständigengebühren (§ 285, 74 EUR) herangezogen wurde.