OGH vom 29.11.2018, 2Ob135/18v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person G***** F*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 129/18m, 16 R 130/18h-54, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ausführungen des Revisionsrekurses wenden sich inhaltlich gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Fortführung des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters (nunmehr: gerichtlichen Erwachsenenvertreters) für die Betroffene geprüft wird, notwendig sei. Dagegen macht die betroffene Person zusammengefasst geltend, dass die Hinweise dafür „dürftig“ seien und durch ein von ihr am vorgelegtes Privatgutachten widerlegt würden. Es könne nicht angehen, dass bereits aufgrund erstrichterlicher Bedenken ein Verfahrenssachwalter bestellt werde, obwohl das Verfahren über die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters noch keineswegs entscheidungsreif sei.
Damit macht sie keine erhebliche Rechtsfrage geltend:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 207m Abs 1 AußStrG idF 2. Erwachsenenschutz-Gesetz (2. ErwSchG; BGBl I 59/2017) traten die Regelungen des 2. ErwSchG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit in Kraft und sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem anhängig sind oder anhängig werden. Nach § 207m Abs 3 AußStrG idF 2. ErwSchG ist ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. ErwSchG anhängiges Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach den § 116a bis 126 AußStrG idF 2. ErwSchG in erster Instanz fortzusetzen; ein in höherer Instanz anhängiges Verfahren ist – wenn noch Entscheidungsrundlagen fehlen – dem Erstgericht zu überweisen (vgl zuletzt 7 Ob 192/18p).
Eine solche Überweisung hat hier nicht zu erfolgen, weil keine für die bekämpfte Entscheidung erforderlichen Grundlagen fehlen, insbesondere ein Clearing-Bericht (vgl dazu nunmehr § 117a AußStrG idF 2. ErwSchG sowie die Materialien dazu in 1461 BlgNR 25. GP 65) eingeholt wurde und mittlerweile auch das gerichtliche Sachverständigengutachten vorliegt.
2. § 117a Abs 1 AußStrG idF 2. ErwSchG verlangt für die Verfahrenseinleitung konkrete und begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Diese Anforderungen entsprechen der bisherigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0008526). Da ausweislich der Materialien zu § 117 ff AußStrG idF 2. ErwSchG (vgl 1461 BlgNR 25. GP 65 f) die geltende Rechtslage insoweit nicht geändert werden sollte, sondern die Gründe für die Verfahrenseinleitung in § 117 AußStrG aF nur deshalb gestrichen wurden, weil sie ohnehin dem materiellen Recht zu entnehmen sind, genügt auch weiterhin die bloße Möglichkeit, dass es nach Abschluss des Verfahrens zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters kommen kann (3 Ob 39/09w; RIS-Justiz RS0008542). Die Frage des Vorliegens konkreter und begründeter Anhaltspunkte ist eine typische Einzelfallbeurteilung, die nur bei einer groben Fehlbeurteilung des Rekursgerichts eine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (7 Ob 192/18p mwN).
3. Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor:
Das Erstgericht hat zwar nur knapp begründet, dass und aus welchen Gründen es bei der Erstanhörung den Eindruck einer geistigen Beeinträchtigung der Betroffenen gewonnen hat. Die Betroffene nennt diese Hinweise in ihrem Rechtsmittel zwar „dürftig“, gesteht aber gleichzeitig zu, dass dies „gewiss Anhaltspunkte für die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens“ seien. Im Übrigen beschränken sich die Rechtsmittelausführungen auf die Wiedergabe eines Privatgutachtens, das dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen, die der Betroffenen eine näher konkretisierte psychische Erkrankung attestierte, in entscheidenden Punkten widerspricht. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sein werden, ist jedoch eine Frage der Beweiswürdigung, die das Erstgericht im weiteren Verfahren über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vorzunehmen haben wird.
4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass hier die weitere Abklärung erforderlich ist, ob die Betroffene eines Beistands bedarf, um nicht aufgrund ihres Verhaltens Nachtteile für sich selbst in Kauf nehmen zu müssen, ist daher jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00135.18V.1129.000 |
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