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OGH vom 11.10.1961, 1Ob210/61

OGH vom 11.10.1961, 1Ob210/61

Norm

ABGB § 26;

ABGB §§1175 ff;

Kopf

SZ 34/145

Spruch

Satzungsänderungen bei einer "Braucommune".

Entscheidung vom , 1 Ob 210/61.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Seit Jahrhunderten stand den einzelnen Bürgern der Stadt F. das Recht zu, Bier zu brauen. Im Laufe der Zeit übten sie dieses Recht nicht mehr einzeln aus, sondern schlossen sich zu einer Braucommune zusammen, deren Beziehungen ursprünglich gewohnheitsrechtlich geregelt waren. Erst im Jahre 1863 wurden Satzungen für diese Gemeinschaft beschlossen und schriftlich niedergelegt. Danach ist die beklagte "Braucommune in F." ein Verein bürgerlicher Hausbesitzer der Innenstadt von F., der sich durch ungleiche Einlagen gebildet hat. Diese Einlagen führen die Bezeichnung "Eimerzahl", stehen den Besitzern von 149 Häusern der Innenstadt zu und sind grundbücherlich ersichtlich gemacht. Eine Zu- oder Abschreibung der Eimerzahl von einem auf ein anderes Haus der Innenstadt ist an die Bewilligung des verstärkten Ausschusses der Braucommune gebunden, ein gänzlicher Verkauf überhaupt ausgeschlossen. Jeder Besitzer einer Einlage ist nach den Statuten verpflichtet, an der besten Gebarung der Vermögensverwaltung der Gesellschaft mitzuwirken, und zum Bezug des auf seinen Anteil entfallenden Braunutzens berechtigt. Gemäß § 26 der alten Statuten sind Änderungen derselben vom Verwaltungsrat zu beantragen; sie können unter Beiziehung des verstärkten Ausschusses, der aus 12 Brauinteressenten besteht, beschlossen werden. Am wurden auf Grund dieser Bestimmung die Gesellschaftsstatuten einstimmig neu beschlossen und teilweise abgeändert. Die im Revisionsverfahren noch interessierenden Änderungen sind folgende:

"§ 2 Abs. 2: Entzieht sich ein Interessent (Mitglied) seinen Verpflichtungen zur Mitwirkung an der besten Gebarung (§ 6 Punkt 1 bis 6), so tritt außer der Sperre der Dividende auch der Verlust des Wahlrechtes sowie von Sitz und Stimme in den Verwaltungskörpern in Kraft (s. auch §§ 6 und 9).

§ 6 Abs. 2 Z. 3 bis 5: 3. Wer an der Verwaltung eines Konkurrenzunternehmens teilnimmt, als Inhaber oder Gesellschafter beteiligt ist, oder dessen Ehegatte oder minderjährige Kinder an einem solchen in derselben Weise beteiligt sind, 4. wer an einer Konkurrenzfirma als Aktionär beteiligt ist oder dessen Ehegatte oder dessen minderjährige Kinder an einer solchen beteiligt sind, 5. wer den Ausschank oder Verkauf fremder Erzeugnisse in einem ihm, seinem Ehegatten oder seinen minderjährigen Kindern gehörigen, im Liefergebiet der Braucommune gelegenen Reale selbst betreibt der einen solchen Betrieb duldet, wenn nicht der Verwaltungsrat dort von dieser Ausschließung absieht.

§ 9 Abs. 7: Vom Wahlrecht, von der Teilnahme an den Interessenten Versammlungen, vom Bezug des Braunutzens und sonstigen Begünstigungen sind alle Interessenten ausgeschlossen, denen die Wählbarkeit gemäß § 6 Z. 3 und 5 nicht zukommt.

§ 16 Abs. 3: Eine Überschreibung ohne Zustimmung des Vollausschusses bedingt den Verlust des Braunutzens für die nicht bewilligten Eimer."

Der Kläger, der in seinem Gasthaus auch G.-Bier ausschenkt, fühlt sich durch diese Statutenänderungen benachteiligt und begehrt die Feststellung, daß § 26 der alten Statuten und die sich darauf stützenden neuen Statuten unwirksam seien.

Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab, gab aber dem Eventualbegehren auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Statutenänderungen teilweise Folge. Es stellte die Unwirksamkeit folgender Änderungen der Statuten gegenüber dem Kläger fest:

§ 2 Abs. 2: soweit darin die Sperre der Dividende, der Verlust des Wahlrechtes überhaupt und der Verlust von Sitz und Stimme in den Verwaltungskörpern jenem Interessenten angedroht wird, der als Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt ist oder dessen Ehegatte oder dessen minderjährige Kinder an einem Konkurrenzunternehmen in der im Punkt 3 des § 6 aufgezählten Weise beteiligt sind; der an einer Konkurrenzfirma als Aktionär beteiligt ist oder dessen Ehegatte oder dessen minderjährige Kinder an einer solchen Konkurrenzfirma beteiligt sind; der den Ausschank oder den Verkauf fremder Erzeugnisse in einem ihm, seinem Ehegatten oder seinen minderjährigen Kindern gehörigen, im Liefergebiet der Braucommune gelegenen Reale selbst betreibt oder einen solchen Betrieb darin duldet.

§ 6 Abs. 2 Z. 3: soweit von der Wählbarkeit ausgeschlossen ist, wer als Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt ist oder dessen Ehegatte oder minderjährige Kinder in einer in Z. 3 aufgezählten Weise beteiligt sind,

§ 6 Abs. 2 Z. 4 und 5, § 9 Abs. 7 und § 16 Abs. 3.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil nur insoweit ab, als es die Aberkennung des passiven Wahlrechtes und den Verlust einer Funktionärstellung für zulässig erachtete und das Klagebegehren in diesen Punkten abwies. Auch im Falle einer Teilnahme des Ehegatten oder der minderjährigen Kinder des Gesellschafters an einem Konkurrenzunternehmen hielt es diese Sanktionen für zulässig. Es führte aus, es müsse zwischen den einfachen Mitgliedschaftsrechten, wie aktivem Wahlrecht und Gewinnanspruch, und den qualifizierten Mitgliedschaftsrechten unterschieden werden, zu welchen das passive Wahlrecht und die Tätigkeit im Vorstand und Verwaltungsrat gehörten. Letztere Tätigkeiten setzten eine wesentlich größere Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft voraus. Ein solches Mitglied müsse sich beispielgebend verhalten und jede Konkurrenzierung der Gesellschaft unterlassen. Diese Treuepflicht werde auch durch eine Betätigung des Ehegatten oder der minderjährigen Kinder in einem Konkurrenzunternehmen erheblich gefährdet.

Im übrigen teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Statuten vom Jahre 1863 rechtswirksam seien und daß eine Statutenänderung auch durch Mehrheitsbeschluß, wie es im § 26 der alten Statuten vorgesehen war, zulässig sei. Dabei müsse aber zwischen Satzungsänderungen unterschieden werden, die das einzelne Mitglied nicht unmittelbar berühren, und solchen, die Sonderrechte oder Sonderverpflichtungen begrunden oder modifizieren. Erstere bedürften nicht der Zustimmung aller Mitglieder, letztere könnten nur dann mittels Mehrheitsbeschlusses erfolgen, wenn bereits in den Statuten ausdrücklich für einen derartigen Fall ein Mehrheitsbeschluß als ausreichend erklärt werde. Sei dies nicht der Fall, dann bedürfe es bei Satzungsänderungen dieser, Art der Zustimmung sämtlicher, insbesondere aller davon besonders betroffenen Gesellschafter, und zwar auch dann, wenn sonst nach den Statuten eine Satzungsänderung mit Mehrheitsbeschluß erfolgen könne. Die Statuten vom Jahre 1863 enthielten hinsichtlich der Aberkennung oder Modifikation einzelner Mitgliedschaftsrechte oder der Auferlegung von neuen Verpflichtungen an einzelne oder alle Mitglieder keine solche Regelung, weshalb derartige Satzungsänderungen nur mit Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter erfolgen könnten. Vor 1958 seien die einzelnen Gesellschafter zum Ausschank von Fremdbier berechtigt gewesen, ohne damit ihre Gesellschaftsrechte zu gefährden. Ein ausdrückliches Verbot, jede Konkurrenzierung der beklagten Partei zu unterlassen, habe nicht bestanden; es bestehe daher keine gesetzliche Handhabe, von den einzelnen Gesellschaftern der Braucommune ohne dahingehende Vereinbarung schon auf Grund ihrer Mitgliedschaft die Unterlassung des Fremdbierausschankes zu verlangen. Die Bestimmung der alten Statuten, wonach jeder Gesellschafter verpflichtet sei, an der besten Gebarung der Vermögensverwaltung mitzuwirken, könne nur die Verpflichtung enthalten, sich an der Vermögensverwaltung zu beteiligen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Daß die Statuten vom Jahre 1863 Gültigkeit haben, wird nicht mehr bekämpft. Entscheidend ist die Frage, ob und inwieweit Satzungsänderungen, die ohne Zustimmung des Klägers zustande gekommen sind, diesem gegenüber wirksam sind. § 1189 ABGB., der hier herangezogen werden kann, bestimmt, daß Gesellschaftsmitglieder zu einem mehreren Beitrage, als wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen werden dürfen. Unter Beitrag ist jede Art von Leistung also Handlungen und Unterlassungen, zu verstehen, wozu die Gesellschaftsmitglieder verpflichtet sind. Es kann allerdings, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre ausführte, die Rechtswirksamkeit eines gegenteiligen Mehrheitsbeschlusses verabredet werden. Das müßte aber als Verzicht auf ein vom Gesetz gewährleistetes Recht in ganz unzweifelhafter Weise geschehen (SpR. 46).

Dem Wortlaute des § 26 der alten Statuten, wonach Änderungen der Statuten vom Verwaltungsrat angetragen und mit Beiziehung des aus zwölf Brauinteressenten bestehenden verstärkten Ausschusses gemacht, werden können, ist nicht mit einer solchen unzweifelhaften Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Ausschuß und der verstärkte Verwaltungsrat auch eine Erweiterung der Verpflichtungen der damit nicht einverstandenen Mitglieder beschließen könne, selbst wenn der Beschluß einstimmig ergeht, zumal dann, wenn es sich um so schwerwiegende Änderungen wie hier handelt und dadurch tatsächlich nur in die Rechte einzelner Mitglieder eingegriffen wird. Die Frage, ob ohne Auferlegung eines Konkurrenzverbotes Statutenänderungen in der Richtung, daß ein Mitglied, das Fremdbier ausschenkt, vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen wird, zulässig sind, ist hier nicht zu erörtern. Die Ausführungen der beklagten Partei, Verwaltungsrat und verstärkter Ausschuß zusammen stellten sämtliche Gesellschaftsmitglieder dar, ihr einstimmiger Beschluß sei daher ein einstimmiger Beschluß aller Gesellschafter, gehen fehl, weil diesen beiden Organen nicht in den Statuten die oben dargelegten erweiterten Befugnisse eindeutig eingeräumt wurden. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß weder auf Grund der gesetzlichen noch der vertraglichen Bestimmungen ein Konkurrenzverbot für die Gesellschafter der beklagten Partei in der durch die Satzungsänderung vom Jahre 1958 enthaltenen Form vorher bestanden habe. Diese Änderungen enthalten daher neue, zusätzliche Verpflichtungen der Mitglieder der beklagten Partei. Der Versuch der beklagten Partei, aus der in § 2 der alten Statuten niedergelegten Verpflichtung, an der besten Gebarung der Vermögensverwaltung mitzuwirken, ein bereits damals bestandenes Konkurrenzverbot im Sinne der neuen Satzungen herauszulesen, ist verfehlt; es wird in diesem Punkt auf die eingehenden und zutreffenden Begründungen der Untergerichte verwiesen.

Die Meinung der beklagten Partei, die Sanktionen des dritten Absatzes des § 16 der neuen Statuten seien keine neue Belastung der Gesellschafter, sondern eine selbstverständliche Folge der Bestimmungen des Abs. 2, der von den Untergerichten als rechtswirksam erklärt worden sei, ist ebenfalls unrichtig. Wie bereits die Untergerichte ausgeführt haben, ist zwar der Erwerb der 25 Eimer Braunutzen durch den Kläger, der ohne Zustimmung der beklagten Partei erfolgte, für diese nicht verbindlich (SZ. XXIV 87, SZ. XX 96); der in den neuen Statuten damit verbundene Verlust des Braunutzens, und zwar auch für den Verkäufer, würde aber einer Enteignung gleichkommen.

Das Berufungsgericht nimmt in der Folge eine unterschiedliche Bewertung zwischen aktivem und passivem Wahlrecht vor und führt aus, die Aberkennung des passiven Wahlrechtes und der Verlust einer Funktionärstellung sei keine in die Rechtssphäre des einzelnen Gesellschafters wesentlich eingreifende Neuregelung und könne daher ohne dessen Zustimmung beschlossen werden. Das Berufungsgericht übersieht hiebei, daß es sich in beiden Fällen, also beim Entzug des aktiven und des passiven Wahlrechtes, um Strafsanktionen handelt, die mit einer Übertretung des neu statuierten Konkurrenzverbotes verbunden sind. Es ist daher nicht entscheidend, ob die einzelnen Strafsanktionen mehr oder weniger in die Interessen des Betroffenen eingreifen, sondern ob dies durch das Konkurrenzverbot geschieht. Das haben beide Untergerichte übereinstimmend bejaht und daher die Unwirksamkeit dieses Konkurrenzverbotes festgestellt. Ist es für den Kläger aber unwirksam, dann kann er dagegen auch nicht verstoßen, und es können keine Sanktionen angedroht werden, auch wenn sie in seine Interessen nicht wesentlich eingreifen würden.

Wenn das Berufungsgericht ausführt, daß die Funktionäre der beklagte Partei wohl auch schon vor der Statutenänderung 1958 die Verpflichtung gehabt hätten, eine Konkurrenzierung der Gesellschaft zu unterlassen, so kann das weder dem § 2 der alten Statuten entnommen werden, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zutreffend ausführt, noch den übrigen vorgelegten Urkunden. Eine solche Bestimmung mag vielleicht nicht sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB. sein und mit anderen gesetzlichen Bestimmungen übereinstimmen, sie kann aber für den Kläger nur dann verbindlich sein, wenn sie auf die oben dargelegte Art zustande gekommen ist. Das ist hier nicht der Fall.