OGH vom 29.11.2006, 7Ob206/06d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Dipl. Ing. Arthur D*****, und 2. Brigitte H*****, beide vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, über den Revisionsrekurs der Einschreiter 1. Ing. Michael D*****, 2. Melitta H*****, und 3. Andrea D*****, alle vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 249/06v-33, womit der Rekurs der Einschreiter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 Fam 10/05k-26, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte den Adoptionsvertrag der Antragsteller (Wahlvater und Wahltochter) vom , nachdem einer Adoption im Verfahren 4 P 185/00m des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien in allen drei Instanzen eine Bewilligung mit der Begründung versagt worden war, die zwischen dem Wahlvater und der Wahltochter bestehende geschlechtliche Beziehung sei mit einem Eltern-Kind-Verhältnis im Sinne des § 180a Abs 1 ABGB nicht in Einklang zu bringen (7 Ob 228/03h). Das - nach einem Wohnortwechsel der Antragsteller nunmehr zuständige - Erstgericht stellte fest, dass ein sexueller Kontakt der Parteien „derzeit aufgrund des Gesundheitszustands des (84-jährigen) Erstantragstellers nicht möglich" sei, weiters dass der Erstantragsteller in die Familie der Zweitantragstellerin voll integriert sei und keine Absicht vorliege, die leiblichen Kinder durch die Adoption zu schädigen. Es kam zum Ergebnis, dass zwischen den Antragstellern ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Das Gericht zweiter Instanz wies den von den Einschreitern, die eheliche Kinder des Wahlvaters sind, gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Rekurs zurück. Die Rekurswerber seien nicht zustimmungsberechtigt (§ 181 Abs 1 ABGB) und könnten sich auch nicht auf ein Anhörungsrecht berufen (§ 181a ABGB). Parteistellung komme ihnen als leibliche Kinder des Annehmenden gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG im Verfahren über die Adoptionsbewilligung (nur) insofern zu, als es um die Wahrung ihrer Interessen nach § 180a Abs 2 ABGB gehe, nicht aber hinsichtlich der Bewilligungsvoraussetzungen nach Abs 1 dieser Bestimmung. Die Rekurswerber seien daher nicht berechtigt, die Beziehungsfrage zwischen den Antragstellern zu thematisieren; diese betreffe ausschließlich in § 180a Abs 1 ABGB geregelte Voraussetzungen. Dass Unterhalt und Erziehung der leiblichen Kinder des Adoptivvaters gefährdet oder ein anderes überwiegendes Anliegen vergleichbaren Gewichts betroffen wäre, hätten die Einschreiter in ihrer Äußerung zum Bewilligungsantrag in erster Instanz nicht vorgebracht; im Übrigen stehe aber auch fest, dass alle Rekurswerber wirtschaftlich abgesichert seien. Dass der Annehmende in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht gehandelt hätte, seine leiblichen Kinder zu schädigen (§ 180 Abs 2 ABGB), hätten diese weder in erster Instanz noch im Rekurs behauptet. Mangels Parteistellung habe ihnen das Erstgericht daher zu Recht auch keine weitere Beteiligungsmöglichkeit am Verfahren eröffnet.
Das Rekursgericht, das zunächst angenommen hatte, dass seine Entscheidung jedenfalls anfechtbar sei, ergänzte seinen Beschluss über Auftrag des Obersten Gerichtshofs durch den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Nach der Neufassung des § 180a ABGB durch das FamErbRÄG 2004 lägen - soweit ersichtlich - keine höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Parteistellung eigenberechtigter leiblicher Kinder im Adoptionsverfahren vor.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiter, die Verletzung des rechtlichen Gehörs und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen und beantragen, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die beantragte Annahme an Kindesstatt nicht bewilligt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Wahlvater und die Wahltochter stellen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, den Revisionsrekurs zurück- oder abzuweisen.
Der Revisionsrekurs ist, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs auch im Hinblick auf die mit dem FamErbRÄG 2004 erfolgte Änderung des Gesetzeswortlauts angezeigt erscheint, zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Da das Adoptionsverfahren nach dem eingeleitet wurde, richten sich die Voraussetzungen für die Erwachsenenadoption hier nach § 180a Abs 1 ABGB in der Fassung des FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58). Danach ist die Annahme eines eigenberechtigten Wahlkindes nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben. Unverändert gelassen hat das FamErbRÄG 2004 den Abs 2 leg cit sowie die §§ 181 und 181a ABGB. Weiterhin sind die leiblichen Kinder des annehmenden Wahlelternteiles demnach weder unter den in § 181 Abs 1 ABGB genannten Zustimmungsberechtigten noch unter den in § 181a Abs 1 genannten Anhörungsberechtigten angeführt. Ihnen wird daher keine unbedingte und unbeschränkte Beteiligtenstellung im Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt eingeräumt (2 Ob 2321/96d; 2 Ob 246/97h, ÖA 1998, 69; 2 Ob 230/98g). Daran hat sich auch durch die ausdrückliche Regelung der Parteistellung im Außerstreitverfahren in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nF nichts geändert. Damit sollte nach der Absicht des Gesetzgebers die bisherige Rechtsprechung insbesondere zu § 9 AußStrG aF im Grundsätzlichen nicht geändert, sondern fortgeschrieben werden (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, Das das neue Außerstreitverfahren 9), weshalb die bisherige Rechtsprechung - insbesondere auch zur Frage der Parteifähigkeit eines Kindes des annehmenden Wahlelternteils - unverändert herangezogen werden kann (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 2).
Nach herrschender Meinung ist den leiblichen Kindern des annehmenden Wahlelternteils daher nach wie vor zur Geltendmachung ihrer in § 180a Abs 2 ABGB anerkannten Interessen (in diesem Sinne also eingeschränkt) Parteistellung gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nF bzw Beteiligtenstellung gemäß § 9 AußStrG aF zuzubilligen (SZ 37/138; SZ 42/183; SZ 56/175; EvBl 1968/140 = JBl 1968, 431; EFSlg 44.445; ÖA 1987, 14; ÖA 1990, 75; 2 Ob 2321/96d mwN; 2 Ob 246/97h; RIS-Justiz RS0006910). Das Anhörungsrecht der leiblichen Kinder ist aber eben auf die Wahrung dieser Interessen beschränkt und erstreckt sich nicht auch darauf, ob die Voraussetzungen des Abs 1 des § 180a ABGB vorliegen (2 Ob 2391/96d; 2 Ob 246/97h; Hopf in KBB, § 180a Rz 3; vgl Schwimann in Schwimann, ABGB3 I, § 180a Rz 8). Nach Abs 2 der zitierten Bestimmung ist die Adoptionsbewilligung zu versagen, wenn überwiegende Interessen leiblicher Kinder des Annehmenden gegen die Adoption sprechen, etwa Gefährdung von Unterhalt oder Erziehung der leiblichen Kinder. Dabei ist das Interesse des leiblichen Kindes am Unterbleiben gegen das Interesse des Wahlkindes am Zustandekommen der Adoption abzuwägen (Schwimann aaO § 180a Rz 26 mwN). Ausdrücklich wird in der zitierten Bestimmung noch betont, dass im Übrigen wirtschaftliche Belange nicht zu beachten sind, außer der Annehmende handelte in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen. Zur Frage, ob der Annahme an Kindesstatt ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die erbrechtlichen Reflexwirkungen der Annahme an Kindesstatt, die in einer entsprechenden Schmälerung der Erbteilsquote und damit auch der Pflichtteilsquote bestehen, für sich allein kein nach § 180a Abs 2 ABGB beachtliches Anliegen darstellen (ÖA 1984, 4; ÖA 1987, 14; 2 Ob 2321/96d) und auch eine bloße Schmälerung des Unterhalts der leiblichen Kinder, wie sie bei Vermehrung der Kinderzahl regelmäßig unvermeidlich ist, der Bewilligung der Annahme nicht entgegensteht (Schwimann aaO, § 180a Rz 6 mwN in FN 28; EvBl 1995/34; 2 Ob 2321/96d).
Den Ausführungen des Rekursgerichts, wonach eine Unterhaltsgefährdung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle nicht gegeben und von den Einschreitern auch gar nicht behauptet worden sei, wird von den Revisionsrekurswerbern gar nicht widersprochen. Eine Schädigungsabsicht im Sinne der zitierten Gesetzesstelle haben die Einschreiter zwar entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes in erster Instanz behauptet (siehe AS 138: „Durch die beantragte Adoptionsbewilligung sollen zunächst ausschließlich die leiblichen Kinder erbrechtlich schlechter gestellt .... werden"). Das Erstgericht hat allerdings eine Absicht der Antragsteller, die leiblichen Kinder des Wahlvaters zu schädigen, ausdrücklich verneint. Diese Tatsachenfeststellung (vgl 1 Ob 156/04d mwN; RIS-Justiz RS0043149 und RS0043460) blieb im Rekurs unbekämpft. Im Revisionsrekurs schließlich wird insgesamt kein Anliegen der Einschreiter im Sinne des Abs 2 des § 180a ABGB geltend gemacht, sondern es werden lediglich Umstände releviert, die unter Abs 1 leg cit zu subsumieren sind. Wie bereits ausgeführt, haben leibliche Kinder des Annehmenden nach ganz herrschender Meinung keine Parteibzw Beteiligtenstellung, wenn - wie hier - keine Bedenken in der Richtung bestehen, dass durch die Adoption in ihre in § 180a Abs 2 ABGB definierten Interessen eingegriffen wird (vgl JBl 1968, 431 = EvBl 1968/140 ua).
Da den Einschreitern die Beschlüsse der Vorinstanzen zugestellt wurden, sei der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt, dass nach ständiger Rechtsprechung auch die Zustellung eines Beschlusses allein nicht Parteistellung oder sonst ein Recht der Beteiligung am betreffenden Verfahren, wie etwa die Legitimation zur Einbringung eines Rechtsmittels, verleiht (RIS-Justiz RS0006882). Von einer von den Revisionsrekurswerbern gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs kann keine Rede sein: Den Einschreitern wurde ein Äußerungsrecht eingeräumt, von dem sie auch Gebrauch gemacht haben. Sie räumen weiters selbst ein, dass ihnen auch Akteneinsicht gewährt und schließlich sogar der gesamte Akt in Abschrift zur Verfügung gestellt worden sei. Den Einschreitern wäre es daher freigestanden, Umstände im Sinne des § 180a Abs 2 ABGB geltend zu machen, die einer Adoptionsbewilligung entgegenstehen. Sie haben sich aber in zweiter und dritter Instanz auf Einwendungen nach Abs 1 leg cit beschränkt. Demnach hat das Rekursgericht ihre Rechtsmittellegitimation im Einklang mit gesicherter oberstgerichtlicher Rechtsprechung ohne Rechtsirrtum verneint.
Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.