OGH vom 24.10.2019, 6Ob125/19d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz und Mag. Eva Dohr, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei T***** Rechtsanwälte GmbH, *****, wegen Unterlassung, Widerrufs und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 7/19t-36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 26 Cg 42/17y-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
1. Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Beklagten abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, die Beklagte könne zwar eine gravierende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht aufzeigen, dennoch sei ein Fehler des Berufungsgerichts nicht auszuschließen. Diese Zulassungsbegründung ist angesichts der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten erheblichen Rechtsfrage eine völlig inhaltsleere Allgemeinfloskel; eine erhebliche Rechtsfrage wird damit gerade nicht aufgezeigt. Dass jedenfalls in einem Verfahren, welches in zweiter Instanz anhängig gewesen ist, unterschiedliche Rechtsstandpunkte eingenommen werden können, liegt schon allein deshalb auf der Hand, weil es sonst gar nicht zum Rechtsmittelverfahren gekommen wäre. Dann müsste der Oberste Gerichtshof jedoch praktisch in allen Verfahren die Sachentscheidung fällen, obgleich sie in Wahrheit keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (6 Ob 148/09x).
2. Es gelingt aber auch der Beklagten in ihrer Revision nicht, eine derartige Rechtsfrage aufzuzeigen:
Die Beklagte vertrat in einem Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt den (dort) Kläger; der hier klagende Rechtsanwalt wurde in diesem Verfahren als Zeuge einvernommen. Nachdem die Klage abgewiesen worden war, führte die Beklagte in der von ihr verfassten Berufung aus, es sei weder in dem Protokoll noch in der Beweiswürdigung hervorgekommen, dass „der angeblich glaubwürdige und vollinhaltlich richtig aussagende Zeuge [der Kläger] bei seiner Einvernahme offensichtlich unter Alkoholeinwirkung stand, weil er einen derart massiven 'Alkoholgeruch' von sich [gegeben habe], dass es für die [Beklagte] nahezu mehr wie unangenehm war, quasi ein Meter neben dem Zeugen Platz nehmen zu müssen, ohne diesen massiven Alkoholgeruch selbst 'einnehmen' zu müssen.“ Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, die dem auf § 1330 ABGB gestützten Klagebegehren stattgaben, war der Kläger allerdings bei seiner Einvernahme nicht alkoholisiert, es konnte daher auch niemand einen Alkoholgeruch wahrnehmen. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht noch aus, es sei „klar, dass dann, wenn keine Alkoholisierung festgestellt werden kann, auch keine Alkoholisierung vorlag, auch kein Geruch wahrgenommen werden kann und dadurch die Beklagte in Kenntnis der Unwahrheit das Vorbringen in der Berufung erstattet[e]“.
2.1. Die Beklagte meint, das Berufungsgericht habe bei „Interpretation“ der Feststellungen des Erstgerichts im Hinblick auf den „Wortlaut bzw de[n] grammatikalischen Aufbau sowie [die] Formatierung der Feststellungen und [die] sich dadurch ergebende Logik“ die „Bestimmungen der § 6 bzw 914 ABGB falsch angewendet“. Abgesehen davon, dass die wiedergegebenen Feststellungen zweifelsfrei sind und die Beklagte im Revisionsverfahren unzulässigerweise versucht, den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt anzugreifen, lässt sich der Revision auch nicht entnehmen, wie die Feststellungen nach Auffassung der Beklagten richtig hätten interpretiert werden müssen.
2.2. Mit ihrem Hinweis, der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für ***** habe entschieden, dass keine Verletzung des § 9 RAO durch die Beklagte vorgelegen habe, übersieht diese, dass die Tatinstanzen hiezu keinerlei Feststellungen getroffen haben. Im Übrigen bestünde ohnehin keine Bindungswirkung dieser Entscheidung, steht doch im vorliegenden Verfahren fest, dass „die Beklagte in Kenntnis der Unwahrheit das Vorbringen in der Berufung erstattet[e]“, womit sie sich nicht auf den Rechtfertigungsgrund der Ausübung eines Rechts im Rahmen einer Prozessführung (dazu RS0114015) berufen kann (stRsp, siehe bloß 6 Ob 114/00h [„wider besseres Wissen“]).
2.3. Weshalb das Berufungsgericht „von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Bestimmungen des § 1330 ABGB [abgewichen]“ sein soll, lässt die Beklagte in ihrer Revision völlig offen.
2.4. Aktenwidrig ist schließlich die Behauptung der Revision, der Kläger habe „mit keinem Wort näher erwähnt, wie [er] durch das Verhalten der Beklagten geschädigt werden würde“. Tatsächlich hat der Kläger bereits in seiner Klage zum Feststellungsbegehren vorgebracht, die Behauptung der Beklagten sei massiv kreditschädigend und gefährde der Vorwurf, dass ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge an einem Vormittag alkoholisiert gewesen sei, dessen berufliches Fortkommen als Rechtsanwalt ernsthaft. Dass dies zumindest nicht ausgeschlossen ist, liegt auch für den Obersten Gerichtshof auf der Hand.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00125.19D.1024.000 |
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Fundstelle(n):
UAAAD-47681