OGH vom 03.10.2008, 3Ob186/08m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser und Mag. Wolfgang Hotter, Rechtsanwälte in Mödling, wider die verpflichtete Partei Elfriede A*****, vertreten durch DLA Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, infolge Revision der betreibenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 47 R 143/08i-49, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 28 E 19/07f-38, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die betreibende Partei hat der verpflichteten Partei die mit 1.629,18 EUR (darin 271,53 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Betreibende ist mit 74/120-stel Anteilen, die Verpflichtete mit 46/120-stel Anteilen Miteigentümer der im Exekutionsverfahren nach § 352 EO versteigerten und am einem Ersteher um das Meistbot von 201.000 EUR zugeschlagenen Liegenschaft samt Haus. In Ansehung von drei Wohnungen stand dem Betreibenden das Nutzungsrecht zu. Er vermietete die Wohnungen mit dem MRG unterliegenden Mietverträgen auf unbestimmte Zeit. Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt unter Berücksichtigung der dem Kündigungsschutz unterliegenden Mietverhältnisse 118.800 EUR, ohne diese Belastung aber 286.800 EUR. In der Meistbotsverteilungstagsatzung konnten sich die Parteien über die Verteilung des Meistbots nicht einigen. Der Betreibende beantragte die Zuweisung von 124.620 EUR, die Verpflichtete aber von 141.447,26 EUR.
Die Erstrichterin erkannte die Verpflichtete für schuldig, in die Ausfolgung von 91.156 EUR aus dem Meistbot an den Betreibenden einzuwilligen und wies das Mehrbegehren von 33.464 EUR ab. Bei einer ungleichen Belastung der Miteigentumsanteile bestehe ein Anspruch auf Wertausgleich. Dies gelte auch für bloß obligatorische Lasten. Der Verpflichteten stünden 38,3 % des Werts der Liegenschaft ohne Belastung (= 286.800 EUR) zu, also ein Ausgleichsbetrag von 109.844 EUR. Dem Betreibenden seien 91.156 EUR zuzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Betreibenden nicht Folge und änderte über Berufung der Verpflichteten das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass der Betreibende zur Zustimmung in die Ausfolgung von 141.447,26 EUR sA an die Verpflichtete, die Verpflichtete aber zur Zustimmung zur Ausfolgung von 59.552,74 EUR sA an den Betreibenden verhalten wurde. Es beurteilte den unstrittigen Sachverhalt rechtlich dahin, dass bei ungleicher Belastung von Miteigentumsanteilen ein Wertausgleich zugunsten des über einen unbelasteten Anteil verfügenden Miteigentümers vorzunehmen sei. In der Judikatur sei dies schon zu Belastungen mit Leibrenten (3 Ob 349/59) und mit Fruchtgenussrechten (9 Ob 37/02k) ausgesprochen worden. Nichts anderes gelte für die Belastung mit vom Ersteher gemäß § 1120 ABGB zu übernehmenden Mietverhältnissen, die zu einer erheblichen Minderung des Werts der Liegenschaft führten. Der Wertausgleich sei so zu ermitteln, dass zum Meistbot die Differenz des Verkehrswerts der Liegenschaft unbelastet (286.800 EUR) zum Verkehrswert der Liegenschaft mit Mietverträgen belastet (118.800 EUR) hinzuzurechnen sei. Dies ergebe einen Betrag von 369.000 EUR. Hievon seien der Verpflichteten 46/120-stel Anteile zuzusprechen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch bei einer Belastung der versteigerten Liegenschaft mit Mietrechten ein Wertausgleich zu erfolgen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Betreibenden ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:
Der Revisionswerber releviert die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht, geht selbst von einem grundsätzlichen Anspruch auf Wertausgleich wegen der bestehenden Mietrechte aus und bekämpft nur die Ermittlungsmethode des Berufungsgerichts mit der Behauptung grundsätzlicher Unterschiede zu den bereits judizierten Fällen der Belastung eines Miteigentumsanteils mit einer Leibrente bzw einem Fruchtgenussrecht. Mit diesem Revisionsvorbringen wird daher nicht die grundsätzliche Frage, ob die Belastung eines Liegenschaftsanteils mit einem Mietrecht Grundlage eines Ausgleichsanspruchs des anderen Miteigentümers sein könne, releviert, sodass der Oberste Gerichtshof dazu nicht Stellung nehmen muss und die Zulässigkeit der Revision davon abhängt, ob die geltend gemachten Gründe erhebliche Rechtsfragen darstellen (RIS-Justiz RS0102059; 1 Ob 243/00t uva). Dies ist nicht der Fall:
1. Wenn sich die Parteien über die Aufteilung des Meistbots einer gemäß § 352 EO versteigerten gemeinschaftlichen Liegenschaft nicht einigen können, hat das Gericht darüber mit Urteil zu entscheiden (§ 352c EO). Grundsätzlich hat jeder Miteigentümer auf einen seinem Liegenschaftsanteil entsprechenden Teil des Meistbots Anspruch (3 Ob 196/03z = SZ 2003/135; zuletzt 3 Ob 63/06w). Eine vom Ersteher zu übernehmende Last auf der Liegenschaft mindert den erzielbaren Erlös, auch wenn die Last nur einen Miteigentumsanteil betrifft. Diesem den anderen Miteigentümer belastenden Nachteil ist vor der Versteigerung durch einen entsprechend hoch anzusetzenden Ausrufungspreis oder durch einen Depurierungsauftrag (das ist der Auftrag zur Lastenfreistellung) oder danach eben durch die Gewährung eines Wertausgleichs zu begegnen (RIS-Justiz RS0004347).
2. Zu dinglichen Belastungen eines Miteigentumsanteils wurde schon ausgesprochen, dass die Bewertung der Belastungen nach den Umständen des Einzelfalls, jedenfalls aber nach den Bestimmungen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes zu erfolgen hat und dass bei Leibrenten und Fruchtgenussrechten auch „versicherungsmathematische Berechnungen zur Lebenserwartung des Berechtigten anzustellen sind" (9 Ob 37/02k unter Zitierung der Vorentscheidung 3 Ob 349/59). Aus beiden Entscheidungen wird für die Ermittlung der Höhe des Wertausgleichs der Rechtssatz abgeleitet, dass bei ungleicher Belastung der Miteigentumsanteile dem Versteigerungserlös zunächst der Wert der Last zuzuschlagen ist, sodann dem Verpflichteten aus dem Erlös entsprechend seinem unbelasteten Miteigentumsanteil von dem so errechneten Betrag sein Anteil zuzuweisen ist, während der Rest dem Miteigentümer zufällt, dessen Anteil belastet ist (RIS-Justiz RS0004605). Dieser Berechnungsmethode folgte das Berufungsgericht. Dagegen führt der Revisionswerber nur ins Treffen, dass beim Mietrecht der Berechtigte kein lebenslängliches Recht, sondern nur ein kündbares, also zeitlich befristetes Recht habe, die Wertermittlungsmethode also nicht dieselbe sein könne. In Wahrheit werde die Belastung der Liegenschaft schon dadurch berücksichtigt, wenn die Verpflichtete (iSd erstinstanzlichen Entscheidung) vom „unbelasteten Verkehrswert" den ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Anteil (hier 46/120-stel oder 38,3 %) erhalte. Mit der Berufungsentscheidung erhalte die Verpflichtete den Wertausgleich „in Wahrheit doppelt". Dieser Argumentation braucht nur Folgendes entgegengehalten werden:
3. a) Der Wert der Belastung ist vom Sachverständigen nach den im Liegenschafts- bewertungsgesetz, BGBl 1992/150 (LBG), angeführten Wertermittlungsverfahren zu ermitteln. Dort sind Erwägungen über die Dauer der Belastung von Relevanz, nicht jedoch hier, wo die Wertdifferenz zwischen dem Wert der Liegenschaft mit und ohne Belastung ohnehin unstrittig feststeht.
b) Einzuräumen ist, dass das Abstellen bloß auf den hypothetisch erzielbaren Verkehrswert der Liegenschaft ohne Belastung eine vertretbare Lösung der Rechtsfrage sein kann, in welcher Höhe der Nachteil des Miteigentümers auszugleichen ist. Im vorliegenden Fall ist jedoch die vom Berufungsgericht angewandte Berechnungsmethode iSd zitierten Vorjudikatur schon aus dem einfachen Grund sachgerechter, weil anzunehmen ist, dass der Ersteher auch im fiktiven Fall der Versteigerung einer unbelasteten Liegenschaft bereit gewesen wäre, wesentlich mehr als den Verkehrswert (286.800 EUR) zu bezahlen, erwarb er doch die belastete Liegenschaft (Verkehrswert 118.800 EUR) um 201.000 EUR, also um 170 % dieses Verkehrswerts. Schon daraus wird ersichtlich, dass das vom Rekurswerber angestrebte, nur auf den hypothetischen Verkehrswert einer unbelasteten Liegenschaft abstellende Ergebnis dem Billigkeitsgedanken, wie er dem Wertausgleichsanspruch innewohnt, nicht Rechnung tragen würde. Aus den dargelegten Gründen liegt keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor.
Da die Verpflichtete auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen hat, sind ihr Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen (§§ 41 und 50 Abs 1 ZPO).