OGH vom 21.12.2011, 6Ob256/11g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts St. Pölten zu FN ***** eingetragenen P***** GmbH, mit dem Sitz in B*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers T***** F*****, beide *****, vertreten durch Dr. Lutz Moser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 483/11w, 4 R 484/11t 13, in nichtöffentlicher Sitzung, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
T***** F***** ist seit Geschäftsführer und Alleingesellschafter der P***** GmbH. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. 12. Der Jahresabschluss per wurde jedenfalls bis nicht eingereicht.
Mit Zwangsstrafverfügungen vom verhängte das Erstgericht über die Gesellschaft und den Geschäftsführer gemäß § 283 Abs 2 UBG Zwangsstrafen von jeweils 700 EUR.
In ihrem dagegen erhobenen Einspruch brachten die Gesellschaft und der Geschäftsführer vor, dass sie einkommens und vermögenslos seien.
Die Gewerbeberechtigung der Gesellschaft sei per gelöscht worden; seither sei eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr möglich. Aufgrund eines laufenden Zollverfahrens sei überdies mit einer Eingangsabgabenverbindlichkeit von mehr als 100.000 EUR zu rechnen, womit die wirtschaftliche Existenz der Einspruchswerber vernichtet sei. Das Bemühen um Bilanzerstellung durch den bislang ständig beschäftigten Steuerberater sei an der geforderten, jedoch nicht leistbaren Honorarvorauszahlung gescheitert. Anfragen bei anderen Steuerberatern seien erfolglos geblieben. Der Geschäftsführer verfüge selbst nicht über die für eine Bilanzerstellung erforderlichen Fachkenntnisse. Die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung nach §§ 277 ff UGB sei daher unmöglich.
Daraufhin verhängte das Erstgericht im ordentlichen Verfahren neuerlich Zwangsstrafen von je 700 EUR über die Gesellschaft und den Geschäftsführer. Für die gesetzliche Offenlegungspflicht sei es unerheblich, ob eine Tätigkeit entfaltet werde. Ein Geschäftsführer müsse bei Übernahme der Geschäftsführung, sein Aufgabengebiet, insbesondere die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben, kennen und könne sich daher nicht auf seine mangelnden Fähigkeiten berufen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Fehlende finanzielle Mittel für die Betrauung eines Dritten mit der Erstellung eines Jahresabschlusses bildeten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 283 UGB. Solange die vermögenslose Gesellschaft als werbendes Unternehmen geführt werde, sei ihm der Einwand der Unmöglichkeit infolge Vermögenslosigkeit abgeschnitten.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil ausdrückliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob der Einwand der Vermögenslosigkeit im Falle einer werbenden Gesellschaft gleich zu behandeln sei wie jener des Insolvenzverwalters, fehle.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass einem Insolvenzverwalter, der das Unternehmen als werbendes Unternehmen fortführe, der Einwand der Unmöglichkeit infolge Masseunzulänglichkeit abgeschnitten ist (6 Ob 134/11s).
Gleiches muss aber auch für den Vorstand bzw Geschäftsführer einer Gesellschaft gelten: Jedenfalls solange die Gesellschaft als werbendes Unternehmen geführt wird, ist der Gesellschaft und ihren Organen der Einwand der Unmöglichkeit der Bilanzerstellung infolge Vermögenslosigkeit abgeschnitten. Vielmehr besteht gerade in einem derartigen Fall, wo ein Unternehmen, das angeblich sogar Schwierigkeiten hat, die Erstellung des Jahresabschlusses zu finanzieren, weiter am Markt als werbendes Unternehmen auftritt, sogar ein besonderes Informationsinteresse der Gläubiger und allfälliger Dritter. Der Verweis auf für die Zukunft befürchtete Zollnachforderungen geht im Übrigen schon deshalb ins Leere, weil die gesetzlichen Offenlegungspflichten keineswegs gegenüber anderen im vorliegenden Fall noch dazu erst für die Zukunft befürchteten Verbindlichkeiten nachrangig sind.
Damit erweist sich der angefochtene Beschluss als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
Fundstelle(n):
XAAAD-47599