OGH vom 15.09.2005, 4Ob166/05y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas S*****, vertreten durch Freimüller, Noll, Obereder, Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 291/04z-10, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 16/04y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.754,82 EUR (darin 292,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der klagende Bühnen- und Musikverlag hat am mit der beklagten Verwertungsgesellschaft einen Vertrag zur Wahrnehmung seiner Aufführungs- und Senderechte abgeschlossen. Nach Punkt 2.2 dieses Wahrnehmungsvertrags erfasst die Rechteeinräumung alle Rechte, Beteiligungs- und/oder Vergütungsansprüche unter anderem an konzertmäßigen Aufführungen von Werken der Tonkunst im Sinn des § 1 Abs 2 Satz 1 und 2 VerwGesG (das sind öffentlich-rechtliche Aufführungen aller Art) und den Vortrag von mit Werken der Tonkunst verbundenen Sprachwerken einschließlich der Aufführungen des Vortrages solcher Werke in Verbindung mit Filmwerken und/oder Laufbildern. Ausgenommen ist die bühnenmäßige Aufführung musikdramatischer Werke vollständig oder in größeren Teilen. Der Kläger ist Werknutzungsberechtigter des musikdramatischen Werks „Die Bakchantinnen", op 44 von Egon Wellesz. Am wurde die gesamte Oper „Die Bakchantinnen" bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Die Aufführung erfolgte konzertant ohne bühnentypische Darstellungsformen wie eigenem Bühnenbild, Masken oder Kostümierung und ohne besondere Bühnendramaturgie. Ein „bewegtes Spiel" wurde nicht dargeboten. Der musikalische Vortrag war - mit Ausnahme mimischer, gestischer oder körpersprachlicher Elemente - nicht in ein durch eine Regie inszeniertes szenisches Geschehen eingebaut. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die Aufführung sei „bühnenmäßig" erfolgt und unterliege daher nicht dem Wahrnehmungsbereich der beklagten Verwertungsgesellschaft. Er begehrt die Feststellung, dass die Beklagte auch dann nicht berechtigt sei, für die vollständige, öffentliche und in einem Opernhaus veranstaltete Aufführung von musikdramatischen Werken, an denen das Werknutzungsrecht dem Kläger zustehe, Veranstaltern derartiger öffentlicher Aufführungen Werknutzungsbewilligungen zu erteilen, Beteiligungs- und/oder Vergütungsansprüche geltend zu machen und Entgelt in Empfang zu nehmen, wenn derartige musikdramatische Werke unter Weglassung bühnentypischer Darstellungs- und Schaustellungsformen aufgeführt werden; in eventu, dass die vollständige Aufführung des musikdramatischen Werks „Die Bakchantinnen" am im Rahmen der „Salzburger Festspiele 2003" nicht von Punkt 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Wahrnehmungsvertrags umfasst sei. Das vom Wahrnehmungsbereich der Verwertungsgesellschaften nicht umfasste sogenannte „große" Aufführungsrecht setze voraus, dass es sich beim aufgeführten Werk um die Vertonung eines literarischen Bühnenwerks handle und die Aufführung bühnenmäßig erfolge. Der Zweck der Unterscheidung in sogenannte „kleine" und „große" Aufführungsrechte bestehe darin, dass Verwertungsgesellschaften nur jene Rechte wahrnehmen sollten, die der einzelne Urheber nicht selbst wahrnehmen könne; dem Nutzer solle es leichter gemacht werden, die entsprechende Bewilligung zu beschaffen. Für die Einordnung als „kleines" oder „großes" Recht sei nicht die Unterscheidung in „konzertant" oder „bühnenmäßig" maßgeblich. Es sei vielmehr zu differenzieren, ob es sich um eine vollumfängliche Aufführung eines dramatisch musikalischen Werks oder um die (teilweise oder vollständige) Aufführung anderer musikalischer Werke handle. Entscheidend sei, ob der wesentliche Inhalt des Ursprungswerks dem Publikum durch die Aufführung erfassbar gemacht werde. Dies sei bei einer vollständigen, wenn auch konzertanten Aufführung einer Oper stets der Fall. Die Beklagte wendet ein, konzertante Aufführungen von musikdramatischen Werken seien konzertmäßige Aufführungen im Sinn des § 1 Abs 2 VerwGesG und berührten - gleichgültig, ob sie im Konzertsaal oder auf einer Opernbühne stattfinden - nur ein „kleines", von der Beklagten wahrzunehmendes Aufführungsrecht. Dass die Aufführung mit verteilten Rollen und unter Einsatz von Gesten und Gebärden erfolge, mache sie noch nicht zu einer „bühnenmäßigen". Jede gesangliche Aufführung setze sich nämlich aus dem rein musikalisch-vokalen Vortrag und dessen lebendiger Gestaltung zusammen, ohne dass dies zu einem „szenischen Spiel" führen müsste. Auch der Zweck der Unterscheidung zwischen „kleinem" und „großem" Aufführungsrecht führe zu keiner anderen Beurteilung. Konzertante Opernaufführungen fänden nicht nur auf Bühnen, sondern auch in Konzertsälen statt und erforderten keine größere Vorbereitung als etwa Orchesterkonzerte. Die Überlegung des Gesetzgebers, die Verwertungsgesellschaften sollten jene Rechte wahrnehmen, die der einzelne Urheber nicht oder nur schwer wahrnehmen könne, treffe daher auch auf konzertante Aufführungen musikdramatischer Werke zu. Dass die Aufführung bei den Salzburger Festspielen stattgefunden habe, mache keinen Unterschied, weil es sich dabei um kein „Opernhaus", das heißt um keine „Bühne" im eigentlichen Sinn, sondern um ein Mischrepertoire handle, welches unter anderem auch - aber nicht wie auf traditionellen Bühnen nur - „bühnenmäßige" Opernaufführungen umfasse.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das vom Kläger beanspruchte „große" Aufführungsrecht setze eine „bühnenmäßige" Aufführung des vertonten Bühnenwerks voraus. Von einer „bühnenmäßigen" Aufführung könne nur dann gesprochen werden, wenn es bei der Darbietung zu einem visuell erkennbaren beweglichen Spiel komme, aus welchem die Handlung selbst für jemanden, der das Werk nicht kenne, deutlich werde. Die hier zu beurteilende konzertmäßige Aufführung erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung des Begriffs „bühnenmäßige Aufführung" Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Zur Auslegung dieses Begriffs könne auf deutsche Literatur und Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Danach werde ein Werk „bühnenmäßig" aufgeführt, wenn es durch ein für das Auge oder für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel des oder der Darsteller im Raum dargeboten werde. Maßgeblich sei somit, dass der Gedankeninhalt des Werks durch die Darstellung dem Auge erkennbar wiedergegeben und dadurch die Handlung dem Zuseher nachvollziehbar dargestellt werde. Der hier zu beurteilenden konzertanten Aufführung fehle es gänzlich an einem derartigen „bewegten Spiel für das Auge". Die Notwendigkeit, konzertmäßige Aufführungen musikdramatischer Werke dem Wahrnehmungsrecht der Verwertungsgesellschaft zu unterwerfen, ergebe sich auch aus dem Zweck der Unterscheidung in „kleine" und „große" Aufführungsrechte. Der Gesetzgeber gehe aufgrund der geringen Anzahl der Bühnen, die Opern, Operetten und Singspiele aufführten, im Gegensatz zu den Lokalen, in denen konzertmäßige Aufführungen stattfänden, davon aus, dass Bühnenaufführungen von Autoren und Verlegern selbst überwacht werden könnten, weil sie stets angekündigt würden und großer Vorbereitungen bedürften, die in den Kreisen der Beteiligten nicht unbekannt blieben. Dem gegenüber bedürfe die konzertante Darbietung eines musikdramatischen Werks weitaus geringerer Vorbereitungen als die Aufführung einer Oper oder Operette. Allein die Herstellung des Bühnenbilds, die Einstudierung der Choreographie, an der üblicherweise weitaus mehr Akteure beteiligt seien als an einer konzertanten Wiedergabe, stelle einen unvergleichbar höheren Aufwand dar. Konzertante Aufführungen würden in den Medien wie andere Konzerte angekündigt, sodass nicht gewährleistet sei, dass die Autoren oder Verleger davon Kenntnis erlangten. Demgegenüber weckten Opernaufführungen weitaus stärker das mediale Interesse. Dem Einwand des Klägers, die Beklagte nehme eine Monopolstellung ein und verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot nach Art 82 EGV, hielt das Berufungsgericht entgegen, die den Verwertungsgesellschaften eingeräumte Monopolstellung sei nicht rechtswidrig, weil Verwertungsgesellschaften ein rechtmäßiges Ziel verfolgten, wenn sie sich um die Wahrung der Rechte und Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Benutzern urheberrechtlich geschützter Werke bemühten. Eine missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung könnte nur insoweit vorliegen, als das missbräuchliche Verhalten den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigte. Derartiges Verhalten habe der Kläger jedoch nicht dargetan. Ein Verstoß könnte überdies nur vorliegen, wenn die Wettbewerbsbeschränkung in selbstständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache fände. Dies sei nicht der Fall, wenn - wie hier - dem Unternehmen ein Verhalten durch das Verwertungsgesellschaftengesetz vorgeschrieben werde. Zum Einwand der Berufung, die bekämpfte Auslegung stehe nicht im Einklang mit den Mindestschutzrechten nach der Berner Übereinkunft, führte das Berufungsgericht aus, die Berner Übereinkunft regle (nur) die Rechtsbeziehungen der Verbandsstaaten zu Ausländern. Im Ursprungsland richte sich der Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werks gemäß Art 5 Abs 3 RBÜ nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Mit seinem Feststellungsbegehren nimmt der klagende Bühnen- und Musikverlag die Verwertungsrechte an konzertanten Aufführungen musikdramatischer Werke für sich in Anspruch; sein Eventualbegehren betrifft die konzertante Aufführung einer Oper bei den Salzburger Festspielen. Strittig ist, ob die konzertante Wiedergabe des musikdramatischen Werks „Die Bakchantinnen" von Egon Wellesz bei den Salzburger Festspielen 2003 als „bühnenmäßige" Aufführung zu werten ist oder als „konzertmäßige" Auffassung im Sinn des zwischen den Parteien abgeschlossenen Wahrnehmungsvertrags iVm § 1 Abs 2 VerwGesG dem Wahrnehmungsbereich der Beklagten unterliegt.
Der Kläger macht geltend, die Auslegung der Vorinstanzen stehe in Widerspruch zu Art 11 der Berner Übereinkunft, wonach das Recht zur Genehmigung öffentlicher Aufführungen unter anderem dramatisch musikalischer Werke ausschließlich dem Urheber zustehe. Für die Einordnung in „kleine" oder „große" Aufführungsrechte iSd § 1 Abs 1 und 2 VerwGesG sei entscheidend, ob das Recht individuell (durch den Urheber) ausübbar sei, nicht aber, ob die Aufführung „bühnenmäßig" im Sinn eines bewegten Spiels oder „konzertmäßig" erfolge. Im Übrigen verstoße die Verwertung individuell kontrollierbarer Aufführungen im Rahmen der kollektiv von Verwertungsgesellschaften wahrnehmbaren „kleinen" Rechte gegen das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot. Mit ihrem Anbot, auch die konzertanten Aufführungsrechte zu vergeben, missbrauche die Beklagte ihre Monopolstellung. Dazu hat der Senat erwogen:
Der zwischen den Streitteilen geschlossene Wahrnehmungsvertrag übernimmt in seinem Punkt 2. 2. die in § 1 Abs 2 Satz 1 und 2 VerwGesG enthaltene Begriffsbestimmung „konzertmäßige" Aufführung (die Rechte daran unterliegen als sogenanntes „kleines" Aufführungsrecht dem Wahrnehmungsbereich der Verwertungsgesellschaften) und „bühnenmäßige" Aufführung (an denen das sogenannte „große" Verwertungsrecht dem Urheber zukommt). Bei Auslegung des Wahrnehmungsvertrags ist daher von den Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes auszugehen.
§ 1 Abs 2 VerwGesG versteht unter „konzertmäßigen Aufführungen von Werken der Tonkunst" öffentliche Aufführungen aller Art ausgenommen „Aufführungen der die Vertonung von Bühnenwerken bildende Werke der Tonkunst in Verbindung mit bühnenmäßigen Aufführungen der vertonten Werke". Das sogenannte „große" Aufführungsrecht des Urhebers setzt sowohl die Vertonung eines dramatischen Sprachwerks (siehe dazu 4 Ob 188/02d = ÖBl 2003/54, S 195; = MR 2003, 235 [Walter] = Dantons Tod) als auch dessen „bühnenmäßige" öffentliche Aufführung voraus. Zum Begriff der „bühnenmäßigen" Aufführung wird im österreichischen Schrifttum sei jeher die Auffassung vertreten, Bühnendekoration und Kostüme seien ebenso unwesentlich wie der Ort der Aufführung (Dittrich, Zur Abgrenzung der „kleinen" und der „großen Rechte", ÖBl 1971, 1; Juranek, Die Gratwanderung zwischen großem und kleinem Recht, MR 2001, 377). Entscheidend sei, dass eine „mit Auge und/oder Ohr wahrnehmbare Darstellung eines Gedankeninhalts durch Bewegung im dreidimensionalen Raum" erfolge (Dittrich aaO, ÖBl 1971, 5 f), das Werk „szenisch" im Sinn eines „bewegten Spiels im Raum" aufgeführt werde und Bewegung und Raum als Gestaltungsmittel in einem inneren Zusammenhang mit den gedanklichen Inhalt des Werks stehen (Graninger, Kleines oder großes Recht² ÖAZ 1992 Heft 4, 26). Eine „Rezitation" erfülle diese Voraussetzungen nicht (Dittrich aaO, ÖBl 1971, 5 f). Auch in Bezug auf das Senderecht führen Friedl/Frotz/Schönherr (Berühren Rundfunksendungen musikalisch-dramatischer Bühnenwerke unter Benützung von Schallträgern stets ein „kleines" Recht? ÖBl 1971, 34) aus, die Sendung konzertanter Aufführungen musikalisch-dramatischer Bühnenwerke betreffe stets ein „kleines" Senderecht.
Der Begriff der öffentlichen „bühnenmäßigen" Darstellung findet sich (wenngleich nicht im Zusammenhang mit dem Wahrnehmungsbereich von Verwertungsgesellschaften) so auch als Definitionsmerkmal des Aufführungsrechts in der deutschen Rechtsordnung. § 19 Abs 2 dUrhG definiert das Aufführungsrecht als „das Recht, ein Werk der Musik durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen oder ein Werk öffentlich bühnenmäßig darzustellen". Die „bühnenmäßige" Aufführung (auch Darstellung) ist nach einhelliger Auffassung im Schrifttum zum deutschen Urheberrechtsgesetz dadurch gekennzeichnet, dass ein „für das Auge oder für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel im dreidimensionalen Raum" stattfindet und „durch die Darstellung dem Auge erkennbar ein Gedankeninhalt in individueller Form wiedergegeben bzw zum Ausdruck gebracht wird" (Schricker, Urheberrecht² § 19 Rz 18 ff; Mestmäcker/Schulze, Kommentar zum deutschen Urheberrecht § 19 Punkt 3. II; Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht9 § 19 Rz 3; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz² § 19 Rz 14; von Gamm, Urheberrechtsgesetz § 19 Rz 12; Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz § 19 Rz 10). Die konzertmäßige Wiedergabe einer Oper (ohne szenische Darstellung) ist demnach keine bühnenmäßige Aufführung (Schricker aaO Rz 22; Dreier/Schulze aaO Rz 12; Möhring/Nicolini aaO Rz 21).
Der Senat folgt dieser in Österreich und Deutschland vertretenen Auffassung. Die „bühnenmäßige" Aufführung eines musikdramatischen Werks erfordert neben der gesanglichen, mimischen und gestischen Gestaltung auch eine szenische Darstellung des Handlungsablaufs, die den Werkinhalt für Auge und Ohr des Zusehers erkennbar vermittelt. Diese Auslegung steht auch mit den der Unterscheidung zwischen „kleinem" und „großem" Aufführungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszweck in Einklang. Der Zweck dieser Unterscheidung liegt darin, dass vertonte Bühnenwerke als Repertoirebestandteile von Theatern auch von Künstlern selbst ohne Schwierigkeiten kontrolliert und die Rechte daraus daher auch individuell ohne Einschaltung einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können. Demgegenüber sollen Verwertungsgesellschaften jene Rechte wahrnehmen, die der einzelne Urheber nicht wahrnehmen kann. Damit wird es auch dem Nutzer leichter gemacht, sich die notwendigen Bewilligungen zu verschaffen (EB zum VerwGesG 1936 abgedruckt in Ciresa, Österreichisches
Urheberrecht, Vorbem. VerwGesG Rz 6; 4 Ob 188/02d = ÖBl 2003/54, 195
= MR 2003, 235 [Walter] - Dantons Tod). Dies bedeutet aber nicht,
dass die Unterscheidung in „bühnenmäßig" oder „konzertant" und damit in „großes" und „kleines" Aufführungsrecht in jedem Einzelfall danach vorzunehmen wäre, ob die Aufführung auf einer Bühne oder im Konzertsaal (oder sonst wo) stattfindet und ob die Vorbereitungen dafür mehr oder weniger Medieninteresse hervorrufen und ob sie danach dem einzelnen Urheber bekannt sein müssen. Der Gesetzgeber nahm seine Differenzierung anhand typischer Fälle vor. Er ging bei seinen Überlegungen zum „großen" Aufführungsrecht vom typischen Fall einer Aufführung auf der Bühne eines Opernhauses (oder Theaters) aus, deren szenische Gestaltung große - und den beteiligten Kreisen daher bekannte - Vorbereitungen erfordert (Ciresa, aaO Vorbem VerwGesG Rz 6). „Konzertmäßige" Aufführungen haben im Vergleich zu den als „bühnenmäßig" bezeichneten sowohl wegen des Veranstaltungsortes als auch wegen der dafür erforderlichen geringeren Aufwendungen typischerweise einen geringeren Auffälligkeitswert und sollten daher als „kleines" Recht in den Wahrnehmungsbereich der Verwertungsgesellschaften fallen. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann es dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, dass er die Unterscheidung zwischen „kleinem" und „großem" Aufführungsrecht davon abhängig machen wollte, ob die betreffende Aufführung im Einzelfall in den beteiligten Kreisen bekannt wurde und deshalb eine individuelle Wahrnehmung der Rechte möglich gewesen wäre. Es kann demnach nicht darauf ankommen, ob eine bestimmte Aufführung in Anbetracht des Veranstaltungsortes und angesichts des dafür erforderlichen Aufwands tatsächlich in den Kreisen der Beteiligten bekannt wird (und der Urheber seine Rechte daher tatsächlich selbst wahrnehmen könnte).
Entgegen der Auffassung des Klägers erfordert auch Art 11 RBÜ (wonach das ausschließliche Recht zur Genehmigung öffentlicher Aufführungen musikdramatischer Werke dem Urheber zukommt) keine Auslegung des § 1 Abs 2 VerwGesG in dem von ihm gewünschten Sinn. Zum einen richtet sich der Schutz des Urhebers im Ursprungsland des Werkes nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften (Art 5 Abs 3 RBÜ; Schricker aaO
Vor §§ 120 ff Rz 47). Der Kläger hat nie behauptet, dass Österreich iSd Art 5 Abs 4 RBÜ nicht Ursprungsland des von einem österreichischen Komponisten geschaffenen musikdramatischen Werks wäre. Zum anderen kommt die kollektive Wahrnehmung der Aufführungsrechte durch Verwertungsgesellschaften nur nach Maßgabe eines (freiwillig geschlossenen) Wahrnehmungsvertrags in Frage. Die Wahrnehmung urheberrechtlicher Ausschlussrechte durch Verwertungsgesellschaften ändert nichts am ausschließlichen Verwertungsrecht des Urhebers. Es bleibt ihm unbenommen, „großes" und „kleines" Aufführungsrecht individuell wahrzunehmen. Für die Erteilung von Werknutzungsbewilligungen durch den Urheber selbst (oder durch seine Rechtsnachfolge von Todes wegen) gelten die Bestimmungen des VerwGesG nicht (§ 1 Abs 3 VerwGesG). Mit der Vereinbarkeit des § 1 Abs 2 VerwGesG mit Art 11 RBÜ ist auch den Ausführungen des Klägers zum behaupteten Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot die Grundlage entzogen. Der Kläger erkennt selbst, dass nur selbstständige (= nicht durch das Gesetz vorgegebene) Verhaltensweisen missbräuchlich im Sinne des Art 82 EGV sein können (EuGH Slg 1987 I-06265 - Ladbroke Racing Ltd). Ist daher - wie oben dargelegt - § 1 Abs 2 VerwGesG auch unter Berücksichtigung der Berner Übereinkunft dahin zu verstehen, dass konzertante Aufführungen musikdramatischer Werke unabhängig vom Aufführungsort keine „bühnenmäßigen" Aufführungen sind, dann kann die Beklagte mit der Einbeziehung derartiger Aufführungen in die von ihr wahrgenommenen Rechte von vornherein nicht missbräuchlich im Sinne des Art 82 EGV handeln. Im Übrigen vermag der Kläger auch in der Revision nicht darzulegen, inwiefern das von ihm beanstandete Verhalten dazu geeignet sein soll, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Der Kläger hat damit nicht einmal schlüssig behauptet, dass die Entscheidung von der richtigen Auslegung von Gemeinschaftsrecht abhänge. Für das von ihm angeregte Vorabentscheidungsersuchen besteht daher kein Anlass.
Der unberechtigten Revision war nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.