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OGH vom 28.07.1998, 1Ob208/98i

OGH vom 28.07.1998, 1Ob208/98i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Dr.med.Walter S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Testamentserbin Friederike P*****, vertreten durch Dr.Friedrich Spitzauer und Dr.Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 241/98d-60, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Testamentserbin wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Erblasser hinterließ eine mit datierte letztwillige Verfügung, womit er die nunmehrige Revisionsrekurswerberin und eine zweite Testamentserbin - die sich unbedingt und unwiderruflich, auch für ihre Nachkommen, ihres Erbrechts entschlug - "je zur Hälfte als seine Erbinnen einsetzte", weiters seiner unehelichen Tochter und deren Sohn bestimmte Legate aussetzte sowie seinen unehelichen Sohn ausdrücklich auf den Pflichtteil beschränkte. Rechtskräftig zu Gericht angenommen wurden bedingte Erbserklärungen der Tochter des Erblassers auf Grund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses und der Revisionsrekurswerberin auf Grund der letztwilligen Verfügung vom zum gesamten Nachlaß. Das Rekursgericht wies die Klägerrolle im Erbrechtsstreit der Revisionsrekurswerberin zu.

Rechtliche Beurteilung

Deren außerordentlicher Revisionsrekurs bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG zur Darstellung:

Nach den Regelungen der §§ 125 f AußStrG ist, wenn zu dem nämlichen Nachlasse mehrere miteinander im Widerspruch stehende Erbserklärungen angebracht werden, derjenige der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, welcher, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müßte. Die zuzuweisende Klägerrolle für die Erbrechtsklage bezieht sich hier nach den Erbserklärungen nicht auf den gesamten Nachlaß, sondern nur auf jene Hälfte, die zufolge der Erbsentschlagung der zweiten Testamentserbin frei geworden ist. Da die Revisionsrekurswerberin nur zur Hälfte testamentarisch als Erbin eingesetzt wurde, kann ihr nur dann die Beklagtenrolle im Erbrechtsstreit zugewiesen werden, wenn sie aus einem anderen Berufungsgrund Anspruch auf den gesamten Nachlaß hat. Denn für die nicht vererbte Hälfte des Nachlasses kann wohl auch ein gültiges Testament kein Erbrechtstitel sein.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Anwachsung nach den §§ 560 ff ABGB sind auf dem vermuteten Willen des Erblassers basierende (gesetzliche) Auslegungsregeln und beruhen auf der Annahme, daß der Erblasser einen bestimmt zugewendeten Teil als Höchstanteil versteht (4 Ob 88/97p = NZ 1997, 363 mwN), weshalb im Zweifel nur solche Erben anwachsungsberechtigt sein sollen, die ohne Bestimmung von Teilen eingesetzt wurden, während die auf bestimmte Teile eingesetzten Erben nichts dazuerhalten. Die testamentarische Erbseinsetzung, wie sie hier erfolgte, ist eine solche mit Bestimmung des Erbteils, weil die Quoten ziffernmäßig (je zur Hälfte = je 50 %) festgesetzt sind (SZ 57/157 = EvBl 1985/26; JBl 1992, 385 = NZ 1992, 251 = EFSlg 66.223; NZ 1997, 363 je mwN aus der überwiegenden Lehre; RIS-Justiz RS 0012375; Eccher in Schwimann2 , § 560 ABGB Rz 3 mwN), sodaß die Regel des § 562 ABGB zur Anwendung kommt, wonach bei Wegfall eines Testamentserben den verbleibenden (hier: der Revisionsrekurswerberin) kein Zuwachs gebührt, sondern der erledigte Erbteil dem/den gesetzlichen Erben (hier: der Tochter des Erblassers) zufällt. Die gesetzlichen Regeln der §§ 560 ff ABGB weichen aber dem wie immer bewiesenen anderen Willen des Testators (SZ 57/157; JBl 1992, 385; NZ 1997, 363, je mwN aus der Lehre). Die Frage, ob hier der durch die Erbsentschlagung der zweiten Testamentserbin frei gewordene Teil des Nachlasses nach dem gesetzlich vermuteten Willen des Erblassers zugunsten der gesetzlichen Erbin zum Tragen kommt oder aber ein gegenteiliger, von der Revisionsrekurswerberin als zu einer bestimmten Quote eingesetzter Erbin zu beweisender, anderslautender Wille des Erblassers, ist erst im Erbrechtsstreit zu entscheiden (JBl 1992, 385), ist doch ein solcher Wille des Erblassers nicht evident und das Verlassenschaftsgericht nicht dazu berufen, nach entsprechenden Beweisaufnahmen eine Entscheidung über die Auslegung des letzten Willens des Erblassers zu treffen (SZ 34/61; SZ 60/7 = EFSlg 55.798; SZ 67/8 uva; RIS-Justiz RS0006007). Demnach hat die Revisionsrekurswerberin gegenüber der Tochter des Erblassers den schwächeren Erbrechtstitel, weil sie erst den Beweis des der gesetzlichen Vermutung entgegengesetzten Willens des Erblassers zu führen hat. Zu Recht wurde ihr die Klägerrolle zugewiesen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO). Auf das nach der Entscheidung der zweiten Instanz hervorgekommene, die Revisionsrekurswerberin als Alleinerbin begünstigende Testament des Erblassers vom kann hier nicht eingegangen werden; die aufgrund dieser letztwilligen Anordnung abgegebene Erbserklärung wurde bisher auch noch nicht zu Gericht angenommen.