OGH vom 14.12.2011, 3Ob185/11v

OGH vom 14.12.2011, 3Ob185/11v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Engelhart Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei E***** R*****, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in Korneuburg, wegen Zwangsversteigerung (264.387,32 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 199/11d 46, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom , GZ 9 E 8/10p 32, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der Zwangsversteigerung des im Eigentum der Verpflichteten stehenden Superädifikates fand zunächst ein Versteigerungstermin am statt. Da Unklarheiten in Ansehung eines auf der Liegenschaft bestehenden Pfandrechts bestanden, wurde der Versteigerungstermin erstreckt, um dem Vertreter der Betreibenden die Möglichkeit zu geben, mitzuteilen, ob das Pfandrecht gelöscht werden könne. Mit Versteigerungsedikt vom wurde der (neuerliche) Versteigerungstermin auf den festgesetzt.

Bei diesem Versteigerungstermin wurde das Superädifikat um den Betrag von 151.000 EUR zugeschlagen. Die Verpflichtete erhob Widerspruch gemäß § 184 Abs 1 Z 1 EO, weil die gesetzliche Frist zwischen der Aufnahme des Versteigerungsedikts in die Ediktsdatei und dem Versteigerungstermin nicht einmal einen Monat betragen habe. Dieser Widerspruch wurde in der Tagsatzung mit der Begründung abgewiesen, dass nur eine Erstreckung zur Klärung von Rechtsfragen erfolgt sei, weshalb die Bestimmung des § 184 Abs 1 Z 1 EO nicht zur Anwendung komme. Die Zuschlagserteilung wurde verkündet. Die Zustellung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags an die Vertreterin der Verpflichteten erfolgte am .

Gegen diesen Beschluss erhob die Verpflichtete einen am eingebrachten Rekurs, in dem sie entsprechend ihrem Widerspruch argumentierte.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück, weil die 14 tägige Rekursfrist nach § 187 Abs 1 EO nach ständiger Judikatur ab dem Versteigerungstermin () zu laufen beginne, wenn der Zuschlag im Versteigerungstermin verkündet worden sei, selbst wenn der Rekurswerber nicht beim Versteigerungstermin anwesend gewesen sei. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für unzulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten mit dem Antrag auf Abänderung, „dass dem Antragsbegehren voll inhaltlich stattgegeben werde“, hilfsweise auf Zurückverweisung an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs zurückgewiesen wurde, ist nur wegen einer erheblichen Rechtsfrage und nur dann anfechtbar, wenn der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteigt; das Rechtsmittel unterliegt daher den Revisionsrekursbeschränkungen des § 528 ZPO (RIS Justiz RS0044501). Bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 und Z 1a ZPO ist bei der Entscheidung darüber, ob der Zuschlag zu erteilen oder zu versagen ist, bei einem Rekurs des Verpflichteten vom Betrag des Meistbots (hier: 151.000 EUR, nunmehr 192.000 EUR [ON 43]) oder vom Schätzwert der Liegenschaft (hier des Superädifikats), wenn dieser höher ist (hier: 302.000 EUR), auszugehen (RIS Justiz RS0003231). Die relevanten Wertgrenzen sind daher jedenfalls überschritten. Da die Entscheidung des Rekursgerichts mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Widerspruch steht, ist der Revisionsrekurs zulässig und berechtigt.

1. § 187 Abs 1 EO, der primär die für die Verpflichtete gegebene Rekurslegitimation gegen die Zuschlagserteilung regelt, sieht in seinem letzten Satz vor: „Der in § 184 Abs 1 Z 3 angeführte Mangel kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem Versteigerungstermin von den gemäß § 171 erster Satz von der Versteigerung zu verständigenden Personen auch dann mit Rekurs geltend gemacht werden, wenn sie im Versteigerungstermin nicht anwesend waren.“ Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich zweifelsfrei, dass sie nur für die Geltendmachung von Mängeln iSd § 184 Abs 1 Z 3 EO (Unterlassung der Verständigung vom Versteigerungstermin) zur Anwendung zu kommen hat, was der Oberste Gerichtshof bereits explizit ausgesprochen hat (3 Ob 48/88 = RIS Justiz RS0003206 [T1]; 3 Ob 338/99y = RIS Justiz RS0113511; Angst in Angst ² § 187 Rz 4 [„Ausnahme“]). Für den vorliegenden Rekurs der Verpflichteten, der sich auf einen Mangel iSd § 184 Abs 1 Z 1 EO (Verstoß gegen die Mindestfrist zwischen Aufnahme des Versteigerungsedikts in die Ediktsdatei und Versteigerungstermin) beruft, muss § 187 Abs 1 letzter Satz EO daher unbeachtet bleiben.

Der Beschluss über die Zuschlagserteilung war nach §§ 64 Abs 2, 183 Abs 1 EO ungeachtet seiner Verkündung ua der Verpflichteten zuzustellen. Daher nimmt seine Verkündung in der Versteigerungstagsatzung auf den Fristbeginn für den Rekurs keinen Einfluss (§ 78 EO iVm § 426 Abs 3 ZPO). Für diesen Rekurs gilt somit die allgemeine Regel des § 78 EO iVm § 521 Abs 2 ZPO, wonach mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des anzufechtenden Beschlusses die Rekursfrist beginnt ( Angst in Angst ² § 187 Rz 4; Breinl in Burgstaller/Deixler Hübner , EO § 187 Rz 20).

2. Der erstgerichtliche Beschluss über die Zuschlagserteilung wurde der Vertreterin der Verpflichteten am zugestellt. Die Einbringung des Rekurses der Verpflichteten am im ERV erfolgte daher innerhalb der 14 tägigen Rekursfrist, also rechtzeitig. Die Annahme seiner Verspätung durch das Rekursgericht erweist sich daher als rechtsirrig, weshalb sein Zurückweisungsbeschluss im Sinne des Eventualantrags im Revisionsrekurs zu beseitigen und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen war. Eine funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung in der Sache ist derzeit nicht gegeben.

3. Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen stets einseitig ausgestaltet (RIS Justiz RS0116198). Diesen Grundsatz hat die ZVN 2009 (BGBl I 2009/30) ausdrücklich festgeschrieben (§ 65 Abs 3 EO). Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof. Nach ständiger Rechtsprechung kann es aber aus besonderen Gründen zur Herstellung der Waffengleichheit geboten sein, den Rechtsmittelgegner anzuhören (3 Ob 157/10z). Derartige Gründe liegen hier nicht vor.

4. Mangels eines Zwischenstreits über die Zuschlagserteilung (weder die Betreibende noch der Ersteher beteiligten sich am Widerspruchsverfahren) ist kein Kostenersatzanspruch der Verpflichteten gegeben (RIS Justiz RS0002189).