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OGH vom 13.09.2012, 6Ob124/12x

OGH vom 13.09.2012, 6Ob124/12x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** I*****, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D***** K*****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 35 R 73/12p 16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 4 C 429/11t 12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Betreiberin eines Nachtclubs. Zur Begründung der auf Zahlung von 10.000 EUR sA gerichteten Klage brachte sie vor, der Beklagte habe ihr für Konsumationen in der E*****-Bar am laut Rechnung vom selben Tag 11.945 EUR geschuldet. Dieser Betrag sei einvernehmlich mit 11.000 EUR pauschaliert worden. Der Beklagte habe darauf eine Teilzahlung von 1.000 EUR geleistet, sodass der Klagsbetrag aushafte. Der Beklagte habe Getränke konsumiert und Zimmer gemietet. Die Preise seien für eine Bar in dieser Branche üblich. Der Beklagte sei nicht geschäftsunfähig gewesen. Das Begehren werde auch auf Bereicherung gestützt.

Der Beklagte wendete ein, er habe die ihm verrechneten Konsumationen (in diesem Ausmaß) weder bestellt noch konsumiert; er habe sich auch nicht mit der Übernahme der Kosten für allfällige Konsumationen anderer Kunden des Lokals einverstanden erklärt. Die von ihm bestellten und konsumierten Leistungen habe er durch Zahlung von 1.000 EUR vollständig beglichen. Er habe das Lokal der Klägerin in stark alkoholisiertem Zustand betreten; dies sei für die Klägerin erkennbar gewesen; sie habe dies auch erkannt. Die Klägerin hätte allfällige Erklärungen des Beklagten hinsichtlich der Übernahme von zusätzlichen Kosten hinterfragen müssen. Wegen seiner massiven Alkoholisierung sei er nicht geschäftsfähig gewesen, was die Klägerin auch erkannt habe. Aufgrund seines alkoholisierten Zustands könne er nicht bereichert gewesen sein. Der Beklagte macht Verkürzung über die Hälfte geltend, der Wert der verrechneten Leistungen für Zimmer und Champagner könne nie den verrechneten Betrag erreichen. Selbst der gewöhnliche Preis der Alkoholika in Bars im oberen Preissegment liege deutlich unter der Hälfte des dem Beklagten verrechneten Preises. Der Vertrag sei sittenwidrig, die Klägerin vermiete Zimmer mit unterschiedlicher Ausstattung stundenweise, es sei ihr bewusst, dass in diesen Zimmern sexuelle Leistungen Dritten gegen Entgelt angeboten würden. Durch die deshalb derart überhöhten Preise bezwecke der Vertrag eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität. Diese Sittenwidrigkeit betreffe auch die Konsumation des Champagners.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Der damals 23-jährige Beklagte ging am aus. Nach mehreren Lokalbesuchen besuchte er mit einem Begleiter namens T***** die von der Beklagten betriebene „E***** Bar“. Es handelt sich um einen Nobel-Nachtclub, in dem auch Prostitution betrieben wird: Der Beklagte und T***** wurden in den Nachtclub hineingelassen, es war ungefähr zwischen 3:00 und 4:00 Uhr Früh. Sie waren alkoholisiert, aber nicht stark betrunken.

Im Lokal bestellte der Beklagte eine Flasche Champagner, woraufhin sofort ständig ungefähr vier Mädchen Prostituierte bei ihm waren. Die Klägerin nannte ihm den Preis dafür und fragte ihn, was die Mädchen trinken dürfen. Auch für die Prostituierten bestellte der Beklagte Champagner. Es kam schließlich zu einer sogenannten „Champagnerparty“. Der Beklagte und T***** feierten und tanzten in ausgelassener Stimmung mit ungefähr vier Mädchen. Es wurde allseits Champagner getrunken, die Damen tranken mit und wurden vom Kläger eingeladen. Dabei wechselten sich die Damen teilweise ab. In der allgemeinen Partylaune wurde schließlich auch mit Einverständnis des Beklagten Champagner versprüht vergleichbar mit einer Formel I Siegerehrung. T***** wollte schließlich mit einer Prostituierten auf das Zimmer gehen, er wollte unbedingt das Whirlpoolzimmer. Die Klägerin ging zum Beklagten und fragte ihn, ob er die Kosten dafür übernehmen würde. Sie nannte dem Beklagten auch die Kosten. Als die Konsumationen ungefähr 6.000 EUR erreicht hatten, ging die Klägerin zu ihm, um eine Zwischenabrechnung zu machen. Der Beklagte wollte sich bei seiner Party nicht stören lassen, gab ihr eine Visitenkarte von E***** mit seinem Namen und sagte, dass er aus der E*****-Dynastie stamme. Das Finanzielle sei kein Problem und sie solle ihn jetzt weiterfeiern lassen. Die Klägerin glaubte ihm und machte keine Zwischenabrechnung. Schließlich ging auch der Beklagte mit einer Prostituierten auf ein Zimmer. Dem Beklagten war zu jedem Zeitpunkt bewusst, was er tat; er konnte sein Handeln beurteilen. Der Beklagte schlief für nur kurze Zeit am Zimmer ein. Er wurde von der Prostituierten wieder geweckt.

Als der Beklagte vom Zimmer zurückkam, war T***** schon gegangen. Die Klägerin zeigte dem Beklagten die Rechnung in Höhe von 11.945 EUR.

Auf der Rechnung waren verzeichnet:

19 Flaschen Moet 5.871 EUR

7 Flaschen Veuve Cliquot 2.163 EUR

1 Flasche Gobillod 289 EUR

2 Flaschen Moet am Zimmer 618 EUR

2 Flaschen Veuve Cliquot 618 EUR

1,5 Stunden Zimmer 384 EUR

4 Stunden Whirlpool Zimmer 1.316 EUR

3 Stunden Zimmer 657 EUR

Taxi Geld geliehen 29 EUR.

Der Beklagte war erstaunt über die Höhe des Betrags und sagte dies der Klägerin auch. Daraufhin rundete sie den Betrag auf 11.000 EUR ab. Der Beklagte wollte dann mit Visa Karte bezahlen; diese funktionierte aber nicht. Deshalb fuhren die Klägerin und die Bardame mit dem Beklagten zu einer Bankfiliale, um Geld zu beheben. Es war inzwischen schon später Vormittag. Der Beklagte behob schließlich 1.000 EUR vom Schalter. Weil er nicht mehr beheben konnte, riefen die beiden schließlich die Polizei. Die Klägerin notierte seine Personalien sowie den offenen Betrag von 11.000 EUR. Dies unterschrieb der Beklagte. Aufforderungen zur Zahlung leistete er keine Folge, sodass die Klägerin schließlich Klage einbrachte.

Das Erstgericht führte rechtlich aus, der Beklagte sei geschäftsfähig gewesen und habe die in der Rechnung aufgeführten Konsumationen getätigt. Für laesio enormis bestehe kein Raum, weil nicht vergleichbare Preise in Cocktailbars, sondern in Nobelnachtlokalen mit Prostitution heranzuziehen seien. Die Rechtsansicht, dass der „Schandlohn“ wegen Sittenwidrigkeit nicht eingefordert werden könne, sei nicht aufrechtzuerhalten. Wer die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehme, könne sich nicht danach auf Sittenwidrigkeit berufen und die Bezahlung verweigern. Dem Schutz der Prostituierten diene eine Verweigerung des Zahlungsanspruchs nicht; dadurch werde erst eine zusätzliche Möglichkeit zur Ausbeutung eröffnet. Es sei der Lösung der Vorzug zu geben, wonach der Vertrag rückwirkend mit der von der Prostituierten erbrachten Leistung wirksam werde.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgte der Entscheidung 3 Ob 516/89 SZ 62/123 = RIS Justiz RS0016828. Danach sei der Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt sittenwidrig. Dasselbe gelte für Verträge, die eine Teilnahme an Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezweckten, sodass auch die Bezahlung der Konsumationen (Champagner) nicht gefordert werden könne. An dieser Beurteilung ändere auch die Tatsache nichts, dass die zitierte oberstgerichtliche Entscheidung schon mehr als 20 Jahre zurückliege. Da bereits aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung der Berufung Folge zu geben gewesen sei, erübrige sich die Behandlung der Rüge von Verfahrensmängeln und der Beweisrüge.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage der Sittenwidrigkeit von Verträgen über mit der Prostitution (geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt) im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Geschäften nur eine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege, die bereits über 20 Jahre zurückliege und sich seither auch die Rechtslage insofern geändert habe, als die Strafbarkeit des Ehebruchs, die in dieser Entscheidung auch als Argument herangezogen worden sei, mittlerweile weggefallen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil durch die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung überholt ist. Die Revision ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof ist mit seiner Entscheidung vom , 3 Ob 45/12g = RIS-Justiz RS0022866 (T7, T 8), von der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung 3 Ob 516/89 abgegangen. Der 3. Senat kam zu folgendem Ergebnis: Die Vereinbarung zwischen einer Prostituierten und ihrem Kunden ist nicht generell sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Ein klagbarer Anspruch auf Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung besteht nicht. Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, so begründet diese Vereinbarung eine klagbare Entgeltforderung. Dieser Grundsatz gilt auch im Verhältnis zwischen Bordellbetreiber und Kunden.

Der erkennende 6. Senat schließt sich dieser eingehend begründeten Entscheidung 3 Ob 45/12g an. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Entgeltsanspruch bestehe wegen Sittenwidrigkeit nicht zu Recht, kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht wird daher die Rüge von Verfahrensmängeln und die Beweisrüge betreffend durchaus entscheidungsrelelevante Feststellungen (über die Alkoholisierung des Beklagten, die bestrittene Menge der Konsumationen sowie die bestrittene Zahlungsbereitschaft des Beklagten) zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.