OGH vom 28.10.1997, 4Ob304/97b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. V***** Gesellschaft mbH, 2. Mag.Wilhelm V*****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 67/97w-14, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 15 Cg 259/96x-10, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 21.829,50 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 3.638,25 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin führt seit Jahrzehnten einen Maler- und Anstreicherbetrieb. Der Zweitbeklagte war von 1964 bis 1987 Dienstnehmer der Klägerin; danach Kommanditist und schließlich Komplementär. Mit Ende 1995 schied der Zweitbeklagte aus dem Unternehmen der Klägerin aus, nachdem er vergeblich versucht hatte, Hauptgesellschafter zu werden. Der Zweitbeklagte ist derzeit Geschäftsführer und Gesellschafter der Erstbeklagten, die ebenfalls einen Maler- und Anstreicherbetrieb führt.
1984 erstellte die K***** GmbH als Subunternehmerin für I***** für die Klägerin ein EDV-Programm zur Buchhaltung, Lager-, Lohn- und Gehaltsabrechnung, für die kurzfristige Erfolgsrechnung, die Nachkalkulation sowie für das Angebots- und Fakturierungswesen. Das Programm war damals in Österreich einzigartig. Es enthält eine wöchentliche Lohnerfassung und Zusammenrechnung, wobei die Gemeinkosten nicht gewälzt, sondern in Form einer Deckungsbeitragsrechnung aufgegliedert nach fixen und variablen Kosten aufgerechnet und gleichzeitig die Finanzansätze für die Steuerbilanz ermittelt werden. Das Programm ermöglicht eine auch heute noch einzigartige Kontrolle der Geldströme für den Budgetvergleich.
Für die K***** GmbH war Manfred R***** tätig. Er entwickelte das Programm gemeinsam mit dem Zweitbeklagten, der seine Ideen - ohne besondere vertragliche Verpflichtung - in seiner Freizeit formuliert hatte und die ihm von der Klägerin nicht gesondert abgegolten worden waren. Für die Kalkulation werden Formeln verwendet, die jeder Malermeister kennen muß.
Der Zweitbeklagte war als Prokurist der Klägerin an der Gestaltung der Verträge mit I***** beteiligt. Nach den Vereinbarungen zwischen der Klägerin und I***** stehen der Klägerin alle Rechte am Computerprogramm zu. Allfällige Rechte des Zweitbeklagten am Programm wurden nicht erörtert; er hat darüber auch keine (ausdrücklichen) Verfügungen getroffen. Bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Klägerin nahm der Zweitbeklagte an, daß die Werknutzungsrechte der K***** GmbH zustünden. Sein Versuch, die Rechte zu erwerben, scheiterte daran, daß Vertragspartnerin der Klägerin nicht die K***** GmbH, sondern I***** gewesen war und I***** die Rechte der Klägerin übertragen hatte.
Der Programmbereich Lohn- und Gehaltsabrechnung stammt von I*****. Er ist Gegenstand eines eigenen Lizenzvertrages zwischen der Klägerin und I*****.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr das der Klägerin gehörende EDV-Programm zur Buchhaltung, Lager-, Lohn- und Gehaltsabrechnung, für die kurzfristige Erfolgsrechnung, die Nachkalkulation sowie für das Angebots- und Fakturierwesen (erstellt im Jahr 1984 von der EDV-Beratergesellschaft K***** GmbH entsprechend dem Vertrag zwischen der Klägerin und der I***** GmbH vom ) zu verwenden oder die Verwendung durch Dritte zuzulassen. Insbesondere solle dem Zweitbeklagten verboten werden, der Erstbeklagten das gegenständliche EDV-Programm zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr, zur Buchhaltung, Lager-, Lohn- und Gehaltsabrechnung, zur kurzfristigen Erfolgsrechnung, zur Nachkalkulation sowie für das Angebots- und Fakturierwesen zu überlassen.
Die Klägerin habe das Programm 1984 von I***** um S 573.000,-- gekauft. Sie sei aufgrund des mit I***** geschlossenen Vertrages Eigentümerin des speziell für ihr Unternehmen geschriebenen Programmes. Die Beklagten hätten sich anläßlich des Ausscheidens des Zweitbeklagten aus dem Unternehmen der Klägerin offenbar eine Kopie des Programmes beschafft.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.
Der Zweitbeklagte habe das Programm entwickelt, indem er die zugrunde liegenden Ideen in seiner Freizeit formuliert habe. Die K***** GmbH habe das Programm nach seinen Anweisungen geschrieben. Als Miturheber im Sinne des § 11 UrhG stünden dem Zweitbeklagten eigene Rechte am Programm zu, über die I***** nicht verfügen könne und die der Zweitbeklagte der Klägerin nicht übertragen habe. Eine Verwertung des Werkes sei gemäß § 11 Abs 2 UrhG nur im Einverständnis mit allen Miturhebern zulässig.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.
Das Programm sei im Zeitpunkt seiner Entstehung ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes gewesen; der Zweitbeklagte habe daran einen beträchtlichen Anteil gehabt. Seine Rechtsstellung habe durch den Vertrag zwischen der K***** GmbH und I***** einerseits sowie zwischen I***** und der Klägerin andererseits nicht verändert werden können. Dem Zweitbeklagten müsse es daher freistehen, das Programm für eigene Zwecke - dazu gehöre der Betrieb eines Unternehmens unter seiner Leitung - zu verwenden.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die beantragte einstweilige Verfügung erließ. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Der Zweitbeklagte habe als Prokurist und leitender Angestellter der Klägerin an der Entwicklung des EDV-Programmes mitgewirkt, das über Betreiben und auf Kosten der Klägerin erstellt worden sei. Aufgabe des Zweitbeklagten sei es gewesen, dem zuständigen Mitarbeiter des Softwareunternehmens die notwendigen Informationen zu geben und Ideen und Anregungen einzubringen. Der Zweitbeklagte sei durch seine Tätigkeit im Unternehmen der Klägerin zu dem von ihm geleisteten Beitrag angeregt worden. Er sei zu diesem Zeitpunkt bereits seit seinem 21. Lebensjahr und damit seit 20 Jahren bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Ein Werk werde auch dann in Erfüllung der Arbeitspflichten geschaffen, wenn dies im Urlaub oder in der Freizeit geschehe. Weder die übrigen Miturheber noch die Klägerin hätten der Verwendung des Programmes durch die Beklagten zugestimmt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht über einen gleichartigen Sachverhalt entschieden hat; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagten werfen dem Rekursgericht vor, den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ohne entsprechende Grundlage in wesentlichen Punkten ergänzt zu haben. Nach den Feststellungen sei der Zweitbeklagte nicht verpflichtet gewesen, an der Gestaltung des EDV-Programmes mitzuwirken; es könne daher auch nicht von einer "geschuldeten Arbeitsleistung" ausgegangen werden. Der Zweitbeklagte sei zwar Jahre hindurch bei der Klägerin beschäftigt gewesen; ob er seine Erfahrungen allein aus seiner Tätigkeit bei der Klägerin gezogen habe, sei aber nicht festgestellt. Der Zweitbeklagte habe ausgesagt, die bei der Erstellung des Programmes verwerteten Ideen im Zusammenhang mit der Branche als solcher entwickelt zu haben. Der Zweitbeklagte habe seine Kenntnisse des Malerhandwerkes mit seinen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen verbunden und dadurch die Entwicklung des Programmes ermöglicht. Ein Werk werde nicht in Erfüllung der Arbeitspflicht geschaffen, wenn der Arbeitnehmer seine Leistung in der Freizeit erbringe und diese Leistung ein gewisses Ausmaß überschreite. Auf eine stillschweigende Übertragung von Werknutzungsrechten durch den Zweitbeklagten könne nicht geschlossen werden, weil der Zweitbeklagte seine Leistungen unentgeltlich in der Freizeit erbracht habe. Im äußersten Fall liege eine Werknutzungsbewilligung vor, die den Zweitbeklagten nicht hindere, das Werk auch selbst zu verwenden. Aus einer allfälligen Verletzung von Miturheberrechten durch die Beklagten sei für die Klägerin nichts gewonnen, weil ihr keine ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden.
Gemäß § 2 Z 1 UrhG idF UrhGNov 1993, BGBl 1993/93, sind Werke der Literatur Sprachwerke aller Art einschließlich Computerprogramme; die - mit der Urheberrechtsgesetznovelle 1993 eingeführten - §§ 40a bis 40c UrhG enthalten Sondervorschriften für Computerprogramme. § 40b UrhG regelt die Schaffung von Computerprogrammen durch Dienstnehmer. Danach steht dem Dienstgeber mangels anderer Vereinbarung ein unbeschränktes Werknutzungsrecht zu, wenn ein Computerprogramm von einem Dienstnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten geschaffen wird. Diese Bestimmung gilt aber, ebenso wie § 40c UrhG, nicht für Computerprogramme, die vor dem geschaffen worden sind (Art II Abs 5 UrhGNov 1993, BGBl 1993/93).
Das streitgegenständliche Computerprogramm wurde 1984 geschaffen; es ist daher nach der Rechtslage vor der UrhGNov 1993 zu beurteilen.
Damals war der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen zwar
noch nicht ausdrücklich geregelt; Computerprogramme konnten aber
dennoch urheberrechtlichen Schutz erlangen, wenn sie eigentümliche
geistige Schöpfungen waren (§ 1 UrhG; vgl ÖBl 1989, 138 [Röttinger] =
WBl 1989, 56 [Schuhmacher] = GRUR Int. 1989,850 - MBS-Familie).
Nach den Feststellungen war das streitgegenständliche Computerprogramm 1984 "einzigartig". Es war daher eine eigentümliche geistige Schöpfung und als solche ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes.
Als Urheber kommt immer nur eine physische Person in Betracht; einen
originären Erwerb von Urheberrechten durch juristische Personen gibt
es nicht. Auch Auftraggeber oder Dienstgeber können das Urheberrecht
an den von Beauftragten oder Dienstnehmern geschaffenen Werken nicht
originär erwerben (SZ 65/19 = EvBl 1992/92 = MR 1992, 117 [M. Walter]
= ÖBl 1992, 184 = GRUR Int. 1992, 838 - Wienerwald; SZ 65/51 = MR
1992, 199 [M. Walter] = ÖBl 1992, 81 = GRUR Int. 1993, 565 -
Bundesheer-Formblatt mwN; RIS-Justiz RS0076658).
Die Klägerin hat I***** den Auftrag erteilt, ein EDV-Programm zu entwickeln. I***** hat die K***** GmbH als Subunternehmerin mit der Entwicklung betraut. Für die K***** GmbH war Manfred R***** tätig. Er entwickelte das Programm gemeinsam mit dem Zweitbeklagten.
Urheber des Programmes waren demnach Manfred R***** und der Zweitbeklagte. Gemäß § 11 Abs 1 UrhG stand ihnen als Miturheber das Urheberrecht gemeinschaftlich zu. Nach § 11 Abs 2 UrhG ist jeder Miturheber für sich berechtigt, Verletzungen des Urheberrechts gerichtlich zu verfolgen. Zu einer Änderung oder Verwertung des Werkes bedarf es des Einverständnisses aller Miturheber.
Manfred R***** hat das Programm im Auftrag oder als Arbeitnehmer der K***** GmbH entwickelt; der Zweitbeklagte war 1984 - wie auch in den Jahren zuvor und danach - Arbeitnehmer der Klägerin. I***** hat alle Rechte an dem Programm der Klägerin übertragen; an der Gestaltung der Vert*****-Österreich war der Zweitbeklagte als Prokurist der Klägerin beteiligt.
Es ist davon auszugehen, daß Manfred R*****der K***** GmbH als seiner Auftrag- oder Arbeitgeberin ein unbeschränktes Werknutzungsrecht eingeräumt hat, welche die Rechte wiederum ihrem Auftraggeber, I*****, übertragen hat. Dem Zweitbeklagten war - als Dienstnehmer und Prokurist der Klägerin - von vornherein klar, daß er seine Ideen für ein Programm lieferte, das die Klägerin in Auftrag gegeben hatte und an dem sie die Rechte zu erwerben wünschte. Er hat ja auch selbst an der Gestaltung der Verträge mit I***** mitgewirkt, die den Übergang aller Rechte am Programm auf die Klägerin vorsahen. Bei dieser Sachlage kann die Mitwirkung des Zweitbeklagten an der Entwicklung des Programmes nur als schlüssige Einwilligung in den Übergang aller Werknutzungsrechte auf - letztlich - die Klägerin verstanden werden.
Daran vermag auch nichts zu ändern, daß der Zweitbeklagte seinen Beitrag - ohne besondere vertragliche Verpflichtung - in seiner Freizeit formuliert und nicht gesondert abgegolten erhalten hat. Der Zweitbeklagte hat offenkundig aufgrund seiner Stellung im Unternehmen der Klägerin an der Programmerstellung mitgewirkt; wäre er der Auffassung gewesen, mit seiner Mitwirkung eine durch sein Gehalt und sein Interesse am Unternehmen - der Zweitbeklagte wurde 1987 Gesellschafter der Klägerin - nicht abgegoltene Leistung zu erbringen, so hätte er wohl eine Abgeltung verlangt oder bei der Gestaltung der Verträge mit I***** entsprechende Forderungen gestellt oder Vorbehalte gemacht.
Der Zweitbeklagte hat jedoch seine vermeintlichen Rechte in keiner Weise gewahrt; er hat vielmehr, zuerst als leitender Angestellter, dann als Gesellschafter der Klägerin, durch 11 Jahre hindurch bis zu seinem Ausscheiden die Nutzung des Programmes durch die Klägerin nicht nur passiv hingenommen, sondern wohl auch aktiv bestimmt. Bei dieser Sachlage kann das Verhalten des Zweitbeklagten nur als schlüssige Einwilligung in einen Übergang der Werknutzungsrechte in der Form verstanden werden, wie es die ihm bekannte Vertragsgestaltung vorsah, an der er als Prokurist der Klägerin auch mitgewirkt hat. Damit erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber ganz allgemein nach der Rechtslage vor der UrhGNov 1993 an Schöpfungen seiner Arbeitnehmer Rechte erwarb (s dazu Wolff, Die Rechte an durch Arbeitnehmer entwickelter Computer-Software, EDVuR 1986, H 1, 6 mwN).
Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.