OGH vom 13.07.1999, 5Ob170/99g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Julia S*****, vertreten durch Mag. Nadja Horvath, Sekretärin der Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, wider die Antragsgegner 1) Helga L*****, und 2) Traute Z*****, beide vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 617/98h-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 20 Msch 35/98v-5, aufgehoben wurde, folgenden
Sachbeschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahingehend abgeändert, daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Text
Begründung:
Das gegenständliche Mietzinsüberprüfungsverfahren, das den Zinszahlungszeitraum bis betrifft, wurde am bei der zuständigen Schlichtungsstelle der Stadt Wien eingeleitet und ist gemäß § 40 Abs 1 MRG gerichtsanhängig geworden.
Ein Vorverfahren (SL/4/10879/95 bzw 20 Msch 117/96z des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), das den Hauptmietzins des Monats November 1992 zum Gegenstand hatte, war am durch einen gerichtlichen Vergleich beendet worden.
Das Erstgericht wies das Überprüfungsbegehren der Antragstellerin ab, weil es zu spät - nach Ablauf der Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG idgF - erhoben worden sei.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf, um das Überprüfungsbegehren der Antragstellerin inhaltlich erledigen zu lassen. Es ging dabei von folgenden Erwägungen aus:
Bei der dreijährigen Frist des § 16 Abs 8 MRG handle es sich um eine Präklusivfrist, die mit dem Inkrafttreten des 3. WÄG am auch für davor geschlossene Mietzinsvereinbarungen zu laufen begonnen hat. Diese Auslegung führe zu dem sachgerechten Ergebnis, daß einerseits umsichtigen Mietern die Möglichkeit gegeben wird, die Unwirksamkeit noch geltend zu machen, andererseits ein uferloses Anwachsen der Beweisprobleme in Zukunft vermieden wird, wie es der Zielsetzung des Gesetzgebers bei Einführung der Präklusivfrist entsprach (vgl WoBl 1998/115 [Hausmann] = immolex 1998/125; 1 Ob 164/98v; 5 Ob 134/98m, 5 Ob 137/98b, 5 Ob 147/98y, 5 Ob 165/98w, 5 Ob 173/98x, 5 Ob 178/98g, 5 Ob 194/98k, 5 Ob 209/98s ua).
Auf eine derartige Präklusivfrist seien, stehe doch der Zweck des fortdauernden Schutzes umsichtiger Mieter durch Perpetuierung der Einrede der Teilnichtigkeit gesetzwidriger Mietzinsvorschreibungen dem nicht entgegen, die für Verjährungsbestimmungen geltenden Vorschriften analog heranzuziehen (vgl EvBl 1991/123; SZ 58/58, 63/71, 64/91; zuletzt - jeweils mwN). Hiezu normiere der letzte Satz des § 27 Abs 3 MRG, daß die Verjährung des Rückforderungsanspruches gehemmt ist, solange bei Gericht (oder bei der Gemeinde, § 39 MRG) ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig ist. Diese Hemmung trete nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann ein, solange wegen desselben Anspruches ein Verfahren nach § 37 MRG anhängig ist, sondern auch dann, wenn das anhängige Verfahren bloß Vorschreibungen betrifft, die auf den gleichen Grundsätzen beruhen (vgl MietSlg 47.311; Würth/Zingher, Miet- und WohnR20, Rz 18 zu § 27 MRG mwN).
Das Gesetz kenne in vergleichbaren Fällen eine Fortlaufhemmung, die Beginn oder Weiterlauf der Verjährungsfrist hindert (vgl Mader in Schwimann2, Rz 1 vor §§ 1494 - 1496 ABGB), sowie eine Ablaufhemmung, nach der die Verjährung nicht zu Ende gehen kann, solange der hindernde Umstand besteht, und die in der Regel eine Zusatzfrist zur Geltendmachung des Rechts einräumt (vgl Gschnitzer AT2, 859). So normiere etwa § 1494 ABGB zum Schutz von Handlungsunfähigen eine Ablaufhemmung. Dasselbe gelte für § 6 Abs 1 AHG, der in seinem dritten Satz hingegen eine Fortlaufhemmung vorsehe (vgl Mader in Schwimann2, Rz 8 vor §§ 1494 - 1496 ABGB). § 6 DHG regle für Dienstnehmer und Dienstgeber gleichermaßen (sodaß von einer Schutznorm nicht gesprochen werden könne), daß bestimmte Schadenersatz- und Rückgriffsansprüche erlöschen, wenn sie nicht binnen 6 Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden können, gerichtlich geltend gemacht werden. Auch § 54 Abs 5 ASGG sehe eine Ablaufhemmung (vgl E. Eypeltauer in JBl 1987, 567) vor, wonach dem Berechtigten nach Beendigung des besonderen Feststellungsverfahrens, für dessen Dauer alle Fristen zur Geltendmachung seines Anspruches gehemmt sind, zur Erhebung der Leistungsklage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen steht.
Gerade eine solche Anordnung fehle in § 27 Abs 3 MRG, worin lediglich (ähnlich in § 5 Abs 4 und § 11 Abs 6 KlGG) die Hemmung an sich angeordnet wird. Auch den Materialien lasse sich nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber die Ablaufhemmung normieren wollte, zumal der Schutzzweck des Gesetzes zumindest eine (ausdrücklich normierte) Nachfrist erfordert hätte. Es handle sich daher bei der in § 27 Abs 3 letzter Satz MRG vorgesehenen Hemmung um eine Fortlaufhemmung (vgl MietSlg 25.247/18, 44.408, 45.350).
Die analoge Anwendung dieser Fortlaufhemmung auf die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG habe in jedem Fall, ohne daß näheren Prüfungen erforderlich wären, ihren Ablauf bereits mit verhindert. Der Mietzinsüberprüfungsantrag werde somit im fortzusetzenden Verfahren inhaltlich zu erledigen sein.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Möglichkeit und Rechtsnatur einer Hemmung der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG durch frühere Mietzinsüberprüfungsverfahren sei nämlich, soweit überblickbar, bislang nicht ergangen.
Die Antragsgegner haben gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes fristgerecht Revisionsrekurs erhoben. Sie vertreten die Ansicht, daß die in § 27 Abs 3 letzter Satz MRG normierte Verjährungshemmung auf die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG gar nicht anwendbar sei. Der Rekursantrag geht dahin, in Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses den Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Von der Antragstellerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das Rechtsmittel der Antragsgegner zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Nach neuerer Lehre und Rechtsprechung sind die für Verjährungsfristen geltenden Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung im Hinblick auf den zumeist gleichen Gesetzeszweck grundsätzlich auch auf alle Präklusivfristen anzuwenden (WoBl 1999, 165/74 mwN), doch ist bei dieser Analogie (deren Ansatzpunkt in der mangelnden gesetzlichen Determination der Präklusivfristen liegt) vor allem an die institutionellen Bestimmungen der §§ 1494 bis 1497 ABGB gedacht (vgl Mader in Schwimann2, Rz 10 zu § 1451 ABGB). In diesem Sinn wurde zur Frist des § 16 Abs 8 MRG bereits entschieden, daß durch Vergleichsverhandlungen über die Höhe eines vereinbarten Hauptmietzinses eine Hemmung der Frist - und zwar eine Ablaufhemmung - eintritt (WoBl 1999, 165/74). Durch derartige Vergleichsverhandlungen wird nämlich unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß der von einer Verfristung bedrohte Anspruch verfolgt wird (vgl dazu Koziol in der Anm zu ZAS 1976/6). Bei einem Scheitern der Vergleichsverhandlungen ist der Anspruch unverzüglich gerichtlich geltend zu machen, um die an sich bereits verstrichene Präklusivfrist zu wahren.
Anders verhält es sich mit der analogen Anwendung sondergesetzlicher Hemmungsbestimmungen auf eine Präklusivfrist, für die der Gesetzgeber keine solche Regelung vorgesehen hat. Hier soll die in § 27 Abs 3 MRG enthaltene Regelung, wonach die Verjährung des Anspruchs auf Rückforderung unzulässig eingehobener Mietzinse gehemmt ist, solange bei Gericht bzw bei der Gemeinde ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig ist, auf die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG angewendet werden. Der erkennende Senat ist abweichend von der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht der Meinung, daß hiefür die Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie vorliegen.
Der Analogieschluß setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung voraus (SZ 69/109; SZ 70/38; JBl 1998, 736 jeweils mwN). Um eine solche annehmen zu können, müssen die an den geregelten wie den ungeregelten Fall anzulegenden Wertungen übereinstimmen (vgl immolex 1999, 140/94), wofür es deutlicher Anhaltspunkte im Gesetz bedarf (WoBl 1997, 90/16).
Die angesprochene Regelung des § 27 Abs 3 MRG, daß die Verjährung des Anspruchs auf Rückforderung unzulässig eingehobener Mietzinse gehemmt ist, solange bei Gericht bzw bei der Gemeinde ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig ist, ist so zu deuten, daß es dem Mieter möglich sein soll, den Ausgang eines für den Rückforderungsanspruch präjudiziellen Verfahrens abzuwarten. In einem "Verfahren über die Höhe des Mietzinses" kann nämlich der zulässige Mietzins für den Einhebungszeitraum und darüber hinaus festgestellt werden. Dementsprechend nimmt die Judikatur die Hemmung der Verjährung des Rückforderungsanspruchs nicht nur hinsichtlich der in den konkreten Überprüfungszeitraum fallenden Mietzinszahlungen, sondern auch für spätere Zinsvorschreibungen an, sofern nur die Grundsätze der Mietzinsbildung übereinstimmen (MietSlg 25/18; MietSlg 47.311 ua). Auch wenn damit die prozessualen Bindungswirkungen im Interesse des Mieterschutzes überdehnt werden, ist doch die Motivation erkennbar, die Hemmungswirkung an ein Verfahren zu knüpfen, in dem selbständig über eine für den Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG bedeutsame Vorfrage entschieden wird.
Der in § 16 Abs 8 MRG an eine Präklusivfrist (siehe dazu den AB zu Art II Z 15 des 3. WÄG, abgedruckt bei Würth/Zingher, Wohnrecht 94,
57) von grundsätzlich drei Jahren gebundene Anspruch, die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, ist genau jener, der in das "Verfahren über die Höhe des Mietzinses" verwiesen ist. Die analoge Anwendung der Hemmungsregelung des § 27 Abs 3 MRG würde also nicht dazu dienen, die Entscheidung einer Vorfrage abzuwarten, sondern ohne Gefahr einer Verfristung mehrere Verfahren über Ansprüche zu ermöglichen, die sich nur durch den jeweiligen Überprüfungszeitraum unterscheiden. Die mangelnde Vergleichbarkeit dieser Ausgangslagen läßt darauf schließen, daß der Gesetzgeber eine eigene Hemmungsregelung zur Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG nicht vergessen, sondern bewußt weggelassen hat. Es fehlt zumindest an klaren Anhaltspunkten, daß der Gesetzgeber die der Verjährung des § 27 Abs 3 MRG und ihrer Hemmung zugrundegelegten Wertungen auch auf die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG angewendet wissen wollte, und damit an den Voraussetzungen für die vom Rekursgericht angestellte Analogie.
Ein ins Gewicht fallendes Rechtsschutzdefizit für den Mieter ergibt sich daraus nicht. Gerade die in § 16 Abs 8 MRG behandelte Mietzinsüberprüfung nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Antragstellung (Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 21 zu § 37 Abs 1 Z 8 MRG), um generell und umfassend zu klären, wie hoch der vom Mieter zu zahlende Hauptmietzins ist. Dann besteht aber auch keine Notwendigkeit, dem Mieter, der unnotwendigerweise mehrere Mietzinsüberprüfungsanträge stellt, bei der Präklusion seiner Ansprüche entgegenzukommen. Es ist von ihm nach dem Zweck der Mietzinsüberprüfung zu fordern, die vermeintliche Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung innerhalb der Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG möglichst umfassend feststellen zu lassen.
Damit hat das Erstgericht den Mietzinsüberprüfungsantrag zu Recht als präkludiert angesehen.