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OGH 29.01.2014, 7Ob202/13a

OGH 29.01.2014, 7Ob202/13a

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kranken A***** E*****, vertreten durch den Verein VertretungsNetz-Patientenanwaltschaft, 5020 Salzburg, Ignatz-Harrer-Straße 79 (Patientenanwältin Mag. C***** M*****), dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, Abteilungsleiter Prim. Univ.-Doz. Dr. C***** G*****, dieser vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterbringung, im Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Abteilungsleiters gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 317/13h-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 36 Ub 500/13b-7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A***** E***** wird die von ihm selbst verfasste Revisionsrekursbeantwortung zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt oder Notar zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kranke verfasste die Revisionsrekursbeantwortung selbst. Gemäß § 68 Abs 1 letzter Halbsatz AußStrG iVm § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG bedarf die Revisionsrekursbeantwortung allerdings der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars. Gemäß § 10 Abs 4 AußStrG ist daher ein Verbesserungsverfahren durchzuführen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kranken A***** E*****, vertreten durch den Verein VertretungsNetz-Patientenanwaltschaft, 5020 Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79 (Patientenanwältin Mag. C***** M*****), diese vertreten durch Dr. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, Abteilungsleiter Prim. Univ.-Doz. Dr. C***** G*****, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterbringung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Abteilungsleiters gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 317/13h-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 36 Ub 500/13b-7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Der Kranke leidet an einer paranoiden schizophrenen Psychose, ist derzeit floride psychotisch, hat Verfolgungsideen und fühlt sich bespitzelt. Er hat das Gefühl, dass er „vom Geheimdienst“ beeinflusst wird. Dies ist aus forensisch-psychiatrischer Sicht einer der gefährlichsten Faktoren, der eine potentielle Fremdgefährdung mit ernsten und erheblichen Verletzungsfolgen auslösen kann. In den Wahn können dritte Personen einbezogen werden, die in die Sache nicht involviert sind. Für den Kranken kann ein Dritter als massive Bedrohung erlebt werden. Das kann Aggressionshandlungen in vermeintlicher Notwehr auslösen, wodurch Dritte erheblich gefährdet werden.

Das Erstgericht erklärte die Unterbringung des Kranken bis , für zulässig. Auf Grund des Krankheitsbildes bestehe konkrete Fremdgefährdung. Der personenbezogene Wahn des Kranken sei die häufigste Konstellation, die zu einer physischen Attacke auf Dritte mit ernsten und erheblichen Verletzungsfolgen führe. Es bestehe eine massive Gefährdung Dritter, weil ein Schadenseintritt im hohen Maß wahrscheinlich sei. Konkret schädigende Handlungen könnten nicht prognostiziert werden. Trotz hoher antipsychotischer Medikation habe sich sein Zustand nicht gebessert. Eine Alternative zur Unterbringung scheide derzeit aus, weil der Kranke nach der letzten Unterbringung die Behandlung sofort abgebrochen und sich sein Zustandsbild massiv verschlechtert habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kranken Folge und änderte den Beschluss dahin ab, dass die Unterbringung im Zeitraum bis (an diesem Tag wurde der Kranke entlassen) unzulässig gewesen sei. Es sei zwar das Vorliegen einer psychischen Krankheit nicht strittig, aus den Feststellungen des Erstgerichts ließen sich aber keine objektiven und konkreten Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ableiten. Die bloß vage Möglichkeit einer Selbst- oder Fremdschädigung genüge nicht. Es sei noch keine Situation aufgetreten, in der sich die befürchtete Gefahr einer überschießenden Abwehrreaktion gegen vermeintliche Angriffe Dritter manifestiert habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Abteilungsleiters mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Verein beantragt in der ihn vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Patient beteiligt sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.

In einer psychiatrischen Abteilung darf unter anderem nur untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet (§ 3 Z 1 UBG). Unter einer ernstlichen Gefährdung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verstehen. Die Schädigung muss direkt aus der Krankheit drohen. Eine bloß vage Möglichkeit einer Selbst- oder Fremdschädigung ist nicht ausreichend. Die mit dem Aufenthalt im geschlossenen Bereich verbundenen Beschränkungen dürfen im Verhältnis zu der mit der Krankheit verbundenen Gefahr nicht unangemessen sein (RIS-Justiz RS0075921). Die Gefährdung muss sich nicht bereits realisiert haben, es reicht aus, wenn nach der Lebenserfahrung krankheitsbedingte Verhaltensweisen zur Gefährdung von Leben und Gesundheit führen (7 Ob 84/13y; RIS-Justiz RS0075921 [T3]). Bei besonders schwerwiegenden Folgen genügt bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit (7 Ob 84/13y; RIS-Justiz RS0075921 [T7]).

Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts lässt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen sehr wohl eine erhebliche Fremdgefährdung und dadurch auch eine erhebliche Selbstgefährdung ableiten. Es steht fest, dass der Kranke sich bespitzelt fühlt und subjektiv meint, dass „der Geheimdienst“ danach trachtet, ihn zu beeinflussen. Dieser subjektiv erlebte Zustand einer ernsten Bedrohung lässt auf eine potentielle Fremdgefährdung mit ernsten und erheblichen Verletzungsfolgen schließen. Es ist nicht voraussehbar, wann und unter welchen Umständen der Kranke einen Dritten als massive Bedrohung ansieht und gegen ihn in vermeintlicher Notwehr Aggressionshandlungen setzt. Dies bedeutet auch eine Selbstgefährdung. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu einem vergleichbaren Fall in seiner Entscheidung 7 Ob 84/13y ausgesprochen, dass auch dann eine Fremdgefährdung zu bejahen ist, wenn der Kranke zwar noch keine gefährdenden Handlungen gesetzt hat, aber eine derart massive Erkrankung vorliegt, bei der auf Grund der subjektiven Wahrnehmung jederzeit schwerwiegende Verletzungen zu befürchten sind. Die Unterbringung des Kranken war daher zulässig, sodass der erstinstanzliche Beschluss wiederherzustellen ist.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00202.13A.0129.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAD-47281